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ASIEN/535: Mehr Verhaftungen in Tibet - britischer Premierminister will bei China-Reise dazu schweigen


Presseerklärung vom 1. Dezember 2013

Europas China-Politik im Wandel:
Britischer Premierminister will bei China-Reise zu Tibet-Konflikt schweigen

- Folgt designierter deutscher Außenminister Camerons Beispiel?
- Massive Zunahme von Verhaftungen in Tibet



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat vor einer weiteren Ausgrenzung von Menschenrechtsfragen in der China-Politik Europas gewarnt. Am Wochenende hatte die britische Tageszeitung "Guardian" unter Berufung auf britische Regierungskreise berichtet, Premierminister David Cameron werde bei seiner China-Reise nächste Woche nicht den Tibet-Konflikt ansprechen. Cameron strebt bei seinem China-Besuch eine Vertiefung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen an, die nach seinem Empfang des Dalai Lama im Mai 2012 abkühlten. "Wer für Rechtsstaatlichkeit eintritt, darf zur zunehmenden Verfolgung in Tibet nicht schweigen", forderte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Sonntag in Göttingen. "Denn Chinas Führung missachtet in Tibet sowohl eigene Gesetze als auch Völkerrecht und schürt damit immer neue Spannungen."

Im Herbst 2013 hat die Zahl politisch motivierter Verhaftungen in Tibet weiter zugenommen. So wurden nach GfbV-Recherchen im November 2013 mindestens 38 Tibeterinnen und Tibeter aus politischen Gründen in China inhaftiert. Zwölf der Verhafteten wurden nach einer Woche wieder freigelassen, den anderen 26 drohen langjährige Haftstrafen. Den Inhaftierten wird vorgeworfen, Demonstrationen vorbereitet, Transparente öffentlich ausgehängt oder Kontakte zu Tibetern gehabt zu haben, die aus Protest Selbstmord verübten.

Camerons Beispiel könnte auch bald in Deutschland Nachahmer finden, befürchtet die GfbV. Denn der außenpolitische Sprecher der SPD, Rolf Mützenich, betonte nach der Unterzeichnung der Koalitionsvereinbarung, die CDU habe sich bei der Beratung der gemeinsamen Außenpolitik gegenüber führenden Staaten mit ihrem "konfrontativen" Kurs nicht durchgesetzt, sondern man werde zukünftig einen "kooperativen" Ansatz verfolgen.

Deutschlands designierter Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte im Mai 2008 abgelehnt, den Dalai Lama zu empfangen. Diese umstrittene Entscheidung bezeichnete er öffentlich sogar als "mutig". Zur Rechtfertigung seiner Absage berief er sich in einem internen Argumentationspapier, aus dem Spiegel-Online am 17. Mai 2008 zitierte, auf ein Telefonat mit dem chinesischen Außenminister, der ihm zugesichert habe, China plane einen "wirklichen Neuanfang in den Gesprächen mit dem Dalai Lama". "Steinmeier hat sich von Chinas Führung täuschen lassen", erklärte Delius. "Bis heute gibt es keinen glaubwürdigen Dialog zwischen der chinesischen Staatsführung und dem Dalai Lama. Alle führenden deutschen China-Experten sind davon überzeugt, dass China daran auch kein Interesse hat." Nach einem Treffen der Bundeskanzlerin mit dem Dalai Lama am 23. September 2007 hatte Steinmeier Angela Merkel "Schaufensterpolitik" vorgeworfen.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 1. Dezember 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2013