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ASIEN/285: Korruption fördert Raub von Kulturgütern in Afghanistan


Presseerklärung vom 17. Dezember 2008

Afghanistan: In keinem Land fördert Deutschland gezielter die Erhaltung der traditionellen Kultur

Korruption fördert Raub von Kulturgütern in Afghanistan


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Mittwoch vor einem Ausverkauf traditioneller Kulturgüter in Afghanistan gewarnt. Durch die auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung grassierende Korruption werde der Raub und Schmuggel von Kulturgütern angeheizt. So seien allein in der im Westen Afghanistans gelegenen Stadt Herat seit 2004 mehr als 100 Exponate aus staatlichen Museen verschwunden. Gerade in dieser Stadt unterstützt Deutschland den Erhalt Jahrtausende alter Kulturdenkmäler besonders gezielt. Mit rund 3,6 Millionen Euro hat Berlin seit dem Jahr 2000 unter anderem Programme für die Restaurierung der Altstadt von Herat gefördert. Dies sei wichtig für die Stärkung der Identität und den Aufbau der Zivilgesellschaft, hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte bei einem Besuch in Herat im Juli 2008 betont. Afghanistan ist weltweit das bedeutendste Partnerland Deutschlands bei den Bemühungen um den Erhalt von Kulturgütern.

"Der drohende Ausverkauf traditioneller Kulturgüter wirft ein schlechtes Licht auf die Behörden Afghanistans und die Regierungsführung des Karsai-Regimes", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Auch der schleppende Wiederaufbau heize den Raub wertvoller Altertümer an. Allein seit Ende September 2008 sollen 22 bis zu 3.000 Jahre alte Ausstellungsstücke aus dem Nationalen Museum von Herat verschwunden sein, berichtete jüngst der Direktor der Abteilung für historische Stätten in Herat, Ayamuddin Ajmal. Das für die breite Öffentlichkeit nicht zugängliche und in einem alten Fort gelegene Museum beherbergt 1.600 Kulturgüter.

Rund 4.000 alte afghanische Kulturgüter wurden nach Auskunft des Direktors des Nationalen Museums in Afghanistan, Omar Khan Massoudi, 2007 in Verstecken in Dänemark, Großbritannien und der Schweiz sichergestellt. 70.000 Kulturgüter seien in den vergangenen 30 Jahren durch Krieg und Plünderungen verloren gegangen. Der von der UNESCO aufgebaute "International Council of Museums" hat seit 2000 bereits vier Listen mit gefährdeten Kulturgütern aus Afghanistan verbreitet, um den illegalen Handel einzudämmen.

Während die lokalen Behörden den benachbarten Iran verdächtigen, den Kulturraub in Herat zu fördern, um die bevorstehende Anerkennung der Stadt als UNESCO-Weltkulturerbe zu verhindern, machen viele Beobachter die galoppierende Korruption für den Verlust der Kulturgüter verantwortlich. Afghanistan gilt als einer der korruptesten Staaten der Welt. Auf dem Korruptionsindex der Organisation "Transparency International" belegt das Land Platz 176 von 180 geprüften Staaten. Jeder Haushalt in Afghanistan zahlt jährlich rund 100 US-Dollar Schmiergelder, obwohl 70 Prozent der Familien von weniger als einem US-Dollar am Tag leben, stellte die Organisation "Integrity Watch Afghanistan" in einem im März 2007 veröffentlichten Report zur Korruption in Afghanistan fest.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 17. Dezember 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2008