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ASIEN/271: Europa soll sich für verfolgte Christen in Indien engagieren


Presseerklärung vom 26. September 2008

EU-Indien-Gipfeltreffen in Marseille (29.09)

Europa soll sich für verfolgte Christen in Indien engagieren
Pogromartige Übergriffe halten an


Die Europäische Union (EU) soll beim Gipfeltreffen mit Indien am heutigen Montag in Marseille gegen die pogromartigen Übergriffe auf Christen in Indien protestieren und einen wirksameren Schutz der Minderheit verlangen.

Dies hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in einem Schreiben an den amtierenden EU-Ratspräsidenten, Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, gefordert. Darin warnte die Menschenrechtsorganisation vor neuen Gewalttaten in den kommenden Wochen. Radikale Hindu hätten im Jahr 2007 in der Vorweihnachtszeit besonders viele Übergriffe auf die Minderheit verübt. In diesem Jahr sei eine noch größere Eskalation der Gewalt zu befürchten, nachdem in den letzten fünf Wochen in Indien mehr Kirchen als je zuvor mutwillig niedergebrannt worden seien. Die pogromartigen Übergriffe hielten weiter an. So seien am vergangenen Donnerstag im Bundesstaat Orissa erneut mehrere Kirchen und mehr als 100 Häuser von Christen ein Raub der Flammen geworden.

Diese massiven Behinderungen der Ausübung der Religionsfreiheit dürften die EU nicht gleichgültig lassen, argumentierte die Menschenrechtsorganisation in ihrem Schreiben an Sarkozy. Denn seit dem Jahr 2004 sei Indien "strategischer Partner der EU". In dem 2005 verabschiedeten "Joint Action-Plan" beider Partner werde sogar der Pluralismus in Glaubensfragen und das gute Miteinander der Religionen in Indien gelobt. "115 brennende Kirchen und 4.300 zerstörte Wohnungen und Häuser von Christen sprechen allerdings eine andere Sprache", kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Mehr als 40.000 Christen hätten seit Ende August vor gewalttätigen Übergriffen extremistischer Hindu fliehen müssen. Entzündet hatte sich die Gewalt, nachdem am 23. August 2008 ein radikaler Hindu-Führer ermordet worden war.

"Heute werden Christen in Indien nicht nur wegen ihres Glaubens, sondern auch wegen ihrer ethnischen Abstammung verfolgt", sagte Delius. Denn die meisten in den Bundesstaaten Orissa und Karnataka aus mehr als 300 Dörfern vertriebenen Christen seien seit Jahrzehnten diskriminierte Adivasi-Ureinwohner oder Dalits ("Unberührbare"). Die christlichen Kirchen würden beiden Gruppen Anerkennung, Respekt, Bildung und die Chance auf ein besseres Leben bieten. Daher hätten sich viele Adivasi in den letzten Jahren dem Christentum zugewandt. Die Ureinwohner zählen in Indien 84 Millionen Angehörige, so viel wie in keinem anderen Land der Welt.

Radikale Mitglieder höherer Hindu-Kasten verfolgten das erstarkende Selbstbewusstsein der Adivasi jedoch mit Sorge und wollten verhindern, dass Adivasi und Dalits Rechte im demokratischen Indien einfordern. So schürten radikale Hindu-Gruppen systematisch die Gewalt gegen Christen und versuchten damit auch, sich vor den Parlamentswahlen im kommenden Jahr Wählerstimmen zu sichern.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 26. September 2008
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2008