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ASIEN/217: Indien - Ureinwohner durch rasante Wirtschaftsentwicklung bedroht


Presseerklärung vom 14. August 2007

Indien feiert 60 Jahre Unabhängigkeit (15.8.2007)

Millionen Ureinwohner sind durch rasante wirtschaftliche Entwicklung bedroht


Indiens 84 Millionen Ureinwohner, die Adivasi, sind die Verlierer des rasanten Wirtschaftsbooms auf dem Subkontinent. Dieses ernüchternde Resümee zieht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in ihrem 42-seitigen neuen Menschenrechtsreport "Adivasi haben keinen Grund zum Feiern", der anlässlich des 60. Jahrestages (15. August) der Unabhängigkeit der ehemaligen britischen Kolonie erscheint. "Keine Woche vergeht, ohne dass Adivasi von ihrem Land vertrieben werden, um Platz zu schaffen für gigantische Bergbau-, Staudamm- oder Industrieprojekte", kritisiert die Menschenrechtsorganisation. "Vor allem der Ausbau der Stahlindustrie, aber auch der Uranbergbau schür die Entrechtung der Ureinwohner."

Statt zu einem Segen sei der Rohstoffreichtum ihrer Siedlungsgebiete in Zentralindien regelrecht zu einem Fluch geworden, heißt es in dem Report. Vor allem indische Großunternehmen bemühten sich ohne Rücksicht auf die Adivasi um die Förderung der reichen Vorkommen an Bauxit, Eisenerz, Kohle, Uran und Mangan. Allein im Jahr 2005 wurden 40 Vorverträge über die Erschließung von 20.000 Hektar Land der Adivasi für Bergbau- und Industrieprojekte geschlossen. Für Großstaudämme werden mehrere hunderttausend Ureinwohner ihr Land verlassen müssen. Nur wenige der weit mehr als zehn Millionen seit der Unabhängigkeit Indiens vertriebenen Ureinwohner hätten angemessene Entschädigungen erhalten.

"Die Adivasi profitieren von dem Wirtschaftsboom in Indien nicht, 90 Prozent von ihnen leben unter der offiziellen Armutsgrenze", berichtet die GfbV. Sowohl die medizinische Versorgung der Ureinwohner als auch ihre Ernährungslage und Bildungssituation seien deutlich schlechter als der Landesdurchschnitt. Darunter litten die Kinder am meisten. So sei die Kindersterblichkeit überdurchschnittlich hoch und 56 Prozent der Adivasi-Kinder litten unter Unterernährung. Hilfsprojekte staatlicher Stellen zugunsten der Ureinwohner seien meist ineffektiv, weil sie von untergeordneten Behörden nicht umgesetzt oder nicht gezielt Adivasi zugute kommen würden.

Doch die Adivasi nehmen den Verlust ihrer traditionellen Landrechte nicht tatenlos hin, sondern leisten immer mehr friedlichen Widerstand. Ihre Landbesetzungen und Demonstrationen werden jedoch mit Polizeigewalt niedergeschlagen. Ein "kleiner Hoffnungsschimmer" sei das Anfang 2007 in Kraft getretene neue Forstgesetz, das ausdrücklich die Bedeutung der Adivasi für den Schutz der Wälder betone, meint die GfbV. Es sei jedoch abzuwarten, ob sich damit die Situation der Ureinwohner auch tatsächlich verbessere. In der Vergangenheit wurden Gesetze zum ihrem Schutz von den Behörden regelmäßig missachtet, ohne das dies geahndet wurde.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen vom 14. August 2007
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-0, Fax: 0551/58028
E-Mail: info@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2007