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AFRIKA/670: Marokko/Algerien - Jugendliche begehren auf


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 14. Dezember 2017

Nordafrika gleicht einem Pulverfass: Anhaltende Proteste von Masiren in Algerien und Marokko - Jugendliche begehren auf - Europa darf Proteste nicht ignorieren


Göttingen, den 14. Dezember 2017 - Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt vor neuen Unruhen und wachsender Instabilität in Nordafrika und fordert politische Lösungen in den Konflikten um Sprachenrechte, Arbeitslosigkeit und Korruption in Algerien und Marokko. "Nordafrika gleicht einem Pulverfass. Vor allem junge Menschen begehren auf und fordern Rechte ein. Die Europäische Union (EU) darf diese Proteste nicht ignorieren, sondern muss sich dafür einsetzen, dass die Anliegen der Demonstranten ernst genommen werden. Nur so kann verhindert werden, dass die wachsende Unzufriedenheit zu einer Flucht vieler junger Nordafrikaner nach Europa führt", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen.

Seit Ende vergangener Woche haben in Algerien rund 200.000 meist junge Masiren (Berber) öffentlich für mehr Sprachenrechte demonstriert. In zahlreichen Städten wurden die Proteste blutig von Sicherheitskräften niedergeschlagen. Hintergrund der Demonstrationen war die Ablehnung eines Gesetzesvorschlags im Parlament Algeriens, die Sprache der Masiren, das Tamazight, und die Kultur der indigenen Bewohner Nordafrikas besonders zu fördern. Dieser Gesetzesvorschlag war im Zusammenhang mit einem Haushaltsgesetz in das Parlament eingebracht worden, weil der Finanzhaushalt des Hohen Kommissariats für die masirische Sprache und Kultur rückläufig ist. Masiren werfen der Regierung Algeriens seit Jahren vor, die Arabisierung und Islamisierung des Landes voranzutreiben. Vor allem in der Kabylei, dem Hauptsiedlungsgebiet der Masiren, breitete sich die Protestbewegung nach der Ablehnung des Gesetzesvorschlags schnell aus.

Auch im Nachbarland Marokko halten die Proteste von Masiren im Rif-Gebirge seit Oktober 2017 an. Dort fordern Demonstranten der Hirak-Bewegung vor allem ein Ende von Korruption und Machtmissbrauch sowie eine stärkere Berücksichtigung ihrer vernachlässigten Region. Ihre Proteste werden immer wieder von Sicherheitskräften niedergeschlagen. Bislang wurden gegen 97 Hirak- Anhänger empfindliche Haftstrafen verhängt. Erst am Montagabend wurden vier Hirak-Anhänger wegen der Teilnahme an Demonstrationen zu Gefängnisstrafen zwischen einem und zwölf Jahren verurteilt. Weitere 20 Demonstranten sind am gleichen Tag zu ein bis drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Außerdem wurden am vergangenen Montag 18 Personen, unter ihnen zwölf Jugendliche, "präventiv" in Haft genommen, weil ihnen vorgeworfen wird, in der Stadt Imzouren die öffentliche Ordnung gestört zu haben. "Statt sich mit den Forderungen Hiraks auseinanderzusetzen, setzt Marokko nur auf die Kriminalisierung der Protestbewegung", kritisierte Delius.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 14. Dezember 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2017

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