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AFRIKA/604: Äthiopien - Sicherheitslage eskaliert, US-Amerikanerin getötet


Presseerklärung vom 6. Oktober 2016

Vor der Afrika-Reise der Bundeskanzlerin (9.10.)

- Merkels Äthiopien-Besuch wird zur Lehrstunde für Fluchtursachen
- US-Amerikanerin bei Protesten getötet


Wenige Tage vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel spitzt sich die Sicherheitslage in Äthiopien weiter zu, berichtet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Erstmals ist bei den seit November 2015 anhaltenden Protesten von Oromo eine Ausländerin zu Tode gekommen. Die US-Amerikanerin wurde bereits am Dienstag durch einen Steinwurf von Demonstranten auf ihren Kleinbus in den Außenbezirken der Hauptstadt Addis Abeba getötet.

"Äthiopien gleicht einem Vulkan und so wird Merkels Besuch zu einer Lehrstunde von Fluchtursachen", warnte der GfbV-Afrika-Experte Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. "Mit einfachen Appellen zur Zurückhaltung an alle Konfliktparteien ist diese eskalierende Situation nicht mehr zu beruhigen. Wenn auf den Straßen offen gekämpft wird, darf man dies nicht ignorieren und so tun, als ob Äthiopien ein Hort der Stabilität wäre. Die äthiopische Regierung muss sich endlich bewegen und einer unabhängigen internationalen Untersuchung des Blutbades vom vergangenen Sonntag zustimmen, sonst wird die Lage weiter eskalieren, das Horn von Afrika destabilisieren und viele Menschen zur Flucht nach Europa bewegen."

Die Tote ist die 31 Jahre alte Biologin Sharon Gray von der in Davis (USA) ansässigen Universität von Kalifornien. Sie war Pflanzen-Forscherin und befand sich mit einer amerikanischen Kollegin, die unverletzt blieb, auf dem Weg zu einem Arbeitstreffen. "Wir bedauern diesen tragischen Tod, der nichts Gutes für die Zukunft Äthiopiens erwarten lässt", sagte Delius. Das von vielen Regierungen in Europa als Hoffnungsträger Afrikas dargestellte Land entwickelt sich immer mehr zum Sorgenkind des Kontinents. Israel hat inzwischen eine Reisewarnung für zahlreiche Regionen Äthiopiens verkündet.

Waren die Proteste von Oromo, Amhara und anderen Bevölkerungsgruppen viele Monate lang überwiegend friedlich geblieben, so werden sie nach dem von den Sicherheitskräften verschuldeten Tod hunderter Oromo-Pilger beim Erntedankfest in Bishoftu am vergangenen Sonntag immer gewaltsamer. So wurde in Ada Berga in der Region Oromia eine Zementfabrik, die einem nigerianischen Unternehmen gehört, von Demonstranten in Brand gesetzt. Ausländische Firmen verstärken ihre Sicherheitsvorkehrungen, da sich die Angriffe auf ihre Einrichtungen mehren.

In mehr als zwei Dutzend Städten in der Region Oromia kam es seit vergangenem Montag zu Protesten. In Dembidolo töteten Sicherheitskräfte einen Demonstranten mit einem Kopfschuss, der sich nach einer Trauerfeier einem Protest angeschlossen hatte. Auch in der Stadt Sendefa kam es nach einer Trauerfeier für eine bei dem Erntedankfest getötete Mutter und ihr Kind zu schweren Auseinandersetzungen.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 6. Oktober 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2016

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