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AFRIKA/513: Luftangriffe auf von Boko Haram kontrollierte Städte - Sorge um Zivilbevölkerung


Presseerklärung vom 25. Februar 2015

Nigerias Streitkräfte brüsten sich mit massiven Luftangriffen auf von Boko Haram kontrollierte Städte

- Menschenrechtler in tiefer Sorge um Zivilbevölkerung
- Helfer müssen dringend Zugang zu Konfliktgebiet bekommen


Nach massiven Luftangriffen der nigerianischen Streitkräfte auf von Boko Haram kontrollierte Städte und Dörfer im Nordosten Nigerias hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ihre Sorge über das Schicksal von zehntausenden in dem Gebiet lebenden Zivilisten geäußert. "Dringend müssen Hilfsorganisationen Zugang zu der Konfliktregion bekommen, um die Not leidende Zivilbevölkerung zu unterstützen", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. "Die Zivilisten drohen zu den Hauptleidtragenden des eskalierenden Konflikts zwischen der Terrorgruppe und den Sicherheitskräften zu werden." Gestern Abend waren neue Video-Aufzeichnungen der Streitkräfte von ihren massiven Luft- und Bodenangriffen auf die bislang von Boko Haram kontrollierten Orte Baga, Pulka, Bama, Gwoza und auf Siedlungen im Sambisa-Wald bekannt geworden. Der Sambisa-Wald galt lange auch als mögliches Versteck der im April 2014 von Boko Haram verschleppten 219 Schülerinnen aus Chibok. Die Militärs brüsten sich in dem Video, die Rückzugsorte der islamistischen Gewalttäter regelrecht auszuräuchern.

"Mit besonderer Sorge verfolgen wir die hohe Zahl von Luftangriffen. Denn die nigerianischen Kampfflugzeuge und ihre Besatzungen sind für ihre geringe Treffsicherheit bekannt", sagte Delius. "Einen vermeintlich "sauberen" Luftkrieg gibt es nicht in Nigeria, nicht nur aufgrund der schlechten Ausbildung vieler Soldaten und ihrer unzureichenden Ausrüstung. Denn es fehlt vielen Armeeangehörigen auch an jedem Respekt gegenüber dem Schutz der Zivilbevölkerung." So kam es bereits mehrfach zu versehentlichen Bombardements von Zivilisten bei der Verteidigung der Stadt Maiduguri im Bundesstaat Borno. Vieles deutet auch darauf hin, dass Nigerias Luftwaffe für die Bombardierung einer Moschee im Ort Abadam im Nachbarland Niger verantwortlich ist, bei dem 36 Menschen am 17. Februar getötet wurden.

Nigerias unabhängige Medien interessieren sich erstaunlich wenig für das Schicksal der Zivilbevölkerung in dem Antiterror-Kampf. "Sie befinden sich im Kriegs- und Wahlkampf-Modus und berichten begeistert und weitgehend unkritisch über jeden militärischen Erfolg der Streitkräfte", erklärte Delius. "Nach den vielen demütigenden Niederlagen der Sicherheitskräfte in den letzten Monaten mag dies zwar nachvollziehbar sein, aber es wird ein böses Erwachen geben, wenn das tatsächliche Ausmaß der Opfer und Schäden deutlich werden wird." Angesichts der katastrophalen Menschenrechtsstandards der nigerianischen Streitkräfte schrecken zahlreiche westliche Staaten vor mehr Hilfen für diese Armee zurück.

Zwar haben die Streitkräfte in den letzten Tagen größere Geländegewinne verzeichnen können, doch der Terror von Boko Haram hält ungebrochen an. So starben am gestrigen Dienstag 27 Menschen bei Bombenanschlägen in den Städten Kano und Potiskum. Am letzten Sonntag sind in Potiskum bei einem Terroranschlag einer Siebenjährigen 5 Personen getötet und 46 verletzt worden. Weitere 30 Zivilisten sind am Freitag letzter Woche getötet worden, als Boko-Haram-Kämpfer die Dörfer Gatamarwa und Thlaimakalarma (Bundesstaat Borno) überfielen und in Brand setzten.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 25. Februar 2015
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2015

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