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AFRIKA/425: Mali - ein Jahr nach Frankreichs Militärintervention


Presseerklärung vom 10. Januar 2014

Mali: Frankreichs Militärintervention begann vor einem Jahr (11.1.)

- Teure Befreiung Nord-Malis
- Islamisten im Wartestand
- Verunsicherte Zivilbevölkerung
- unzufriedene Tuareg



Ein Jahr nach Beginn seiner Militärintervention in Mali hat Frankreich einige, aber längst nicht alle Ziele der "Operation Serval" erreicht, erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). So konnte die Terrorherrschaft radikaler Islamisten in Nord-Mali beendet werden und die Extremisten wurden aus den Städten vertrieben. "Doch Al Kaida im Maghreb (AQMI) verübt noch immer Terroranschläge und könnte sich nach der von Frankreich geplanten Truppenverringerung erneut formieren", warnte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. "Malis Armee wird kaum in der Lage sein, die Zivilbevölkerung vor neuen Übergriffen der Extremisten zu schützen. So schrecken viele geflohene Zivilisten vor einer Rückkehr nach Nord-Mali zurück." Noch immer sind 422.000 Menschen auf der Flucht und der Tuareg-Konflikt, der den Bürgerkrieg auslöste, bleibt ungelöst. Unklar ist auch, wie und wann verhaftete islamistische Extremisten für ihre Menschenrechtsverletzungen vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden.

Ursprünglich wollte Frankreich bereits im März 2013 mit dem Rückzug seiner Truppen beginnen. Doch die Zerschlagung der islamistischen Netzwerke war so aufwändig, dass an einen schnellen Abzug nicht zu denken war. Bis Ende November 2013 warfen französische Kampflugzeuge mehr als 200 Bomben über Nord-Mali ab. Mehrere hundert islamistische Kämpfer wurden getötet, aber ihre unterirdischen Tunnelsysteme in den Bergmassiven im Nordosten des Landes bestehen weiter und werden von ihnen noch immer genutzt. Noch im Dezember 2013 stellten französische Soldaten fast sechs Tonnen Sprengstoff für Terroranschläge sicher und entdeckten ein unterirdisches Trainingszentrum, in dem noch wenige Tage zuvor Islamisten waren. Frankreich kostet diese Intervention täglich mehr als 1,8 Millionen Euro. Die Gesamtkosten belaufen sich nach Angaben französischer Militärexperten bereits auf 650 Millionen Euro.

"Sicherheit gibt es trotzdem noch nicht in Nord-Mali", erklärte Delius. Daher denken die meisten der 254.000 Binnenflüchtlinge und der 168.000 Flüchtlinge in den Nachbarländern auch noch nicht an eine Rückkehr in ihre Heimat. Insbesondere in der Region Kidal gibt es massive Spannungen zwischen Tuareg-Kämpfern und der malischen Armee. Die meisten Malier werfen Frankreich vor, Kämpfer der Tuareg-Bewegung MNLA gezielt gedeckt zu haben, um sie als Verbündete im Kampf gegen AQMI zu gewinnen. Frankreich hat immer darauf hingewiesen, dass es ohne eine politische Lösung der Tuareg-Frage auch keine Stabilität in Nord-Mali gibt. Doch die Mehrheit der Bevölkerung will keine Kompromisse mit den Tuareg, sondern fordert ihre Entwaffnung und Bestrafung. Auch Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita lehnt eine Autonomie für die Tuareg ab und hat bislang keine nennenswerten Initiativen zu einer Lösung des Tuareg-Konflikts entwickelt. Schon drohen Tuareg mit einem neuen Waffengang. "So steht Nord-Mali heute wieder vor einer ähnlichen Situation wie im Januar 2012, als die bewaffnete Revolte der Tuareg ausbrach", erklärte Delius. "Die Chance für einen Neu-Anfang wurde weder in Nord-Mali noch in der Hauptstadt Bamako genutzt, wo Korruption und Machtmissbrauch durch führende Politiker weiter fortbestehen. Die geringe Wahlbeteiligung von nur 38% bei den Parlamentswahlen war ein deutliches Zeichen, dass es um die von Europa gelobte Demokratie in Mali schlecht steht."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 10. Januar 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Januar 2014