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AFRIKA/368: Äthiopien - Überwachung von Regimekritikern mit deutscher Sicherheitstechnik?


Presseerklärung vom 19. März 2013

Bundespräsident Gauck in Äthiopien

Überwacht Äthiopiens Staatssicherheit mit deutscher Sicherheitstechnik Regimekritiker?



Vorwürfen von Netzaktivisten, Computer von Regimekritikern in Äthiopien würden mit Sicherheitstechnik aus Deutschland gezielt ausspioniert, muss sofort nachgegangen werden, fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Der Afrikareferent der Menschenrechtsorganisation, Ulrich Delius, erklärte am Dienstag in Göttingen: "Deutschlands Glaubwürdigkeit in Menschenrechtsfragen steht auf dem Spiel, wenn tatsächlich deutsche Internet-Sicherheitstechnik benutzt wird, um Äthiopiens Dissidenten mundtot zu machen, und Bundespräsident Joachim Gauck dort gleichzeitig für mehr Respekt vor den Menschenrechte eintritt."

Kanadische Netz-Aktivisten vermuten, dass die britische Gamma International Ltd. in Kooperation mit der in München ansässigen Gamma International GmbH das in Deutschland entwickelte FinFisher-Programm an Äthiopien geliefert hat. Viele Indizien deuteten darauf hin, dass äthiopische Sicherheitsbehörden mit einem Trojaner verseuchte E-Mails versenden, hatten die Netz-Aktivisten vom "Citizen Lab" in Toronto hatten vor wenigen Tagen ermittelt. Wer eine E-Mail mit Fotos von führenden Vertretern der regimekritischen Ginbot-7-Partei öffnet, lädt einen Trojaner herunter, der direkt mit einem Server der nationalen äthiopischen Telefongesellschaft Ethio Telecom verbunden ist. Der Trojaner ermöglicht die Überwachung der Kommunikation des Internetnutzers.

Die in Äthiopien verbotene Partei Ginbot 7 setzt sich für eine Demokratisierung des Landes ein. Im Juni 2011 hatten die Behörden die Bewegung zur terroristischen Organisation erklärt, so dass jede Unterstützung der Partei gemäß dem umstrittenen Antiterror-Gesetz Äthiopiens mit langjährigen Haftstrafen geahndet werden kann.

Der Entwickler der FinFisher-Software und Geschäftsführer von Gamma International, der 31 Jahre alte deutsche ehemalige Hacker Martin Münch, hatte jüngst in Interviews erklärt, seine Software habe Leben gerettet und mit dazu beigetragen, dass Kriminelle gefasst worden seien. "Doch im Falle des notorischen Überwachungsstaates Äthiopien so zu argumentieren, ist entweder naiv oder zynisch", kritisierte Delius. Denn in Äthiopien gibt es keine Meinungs-, Presse- und Internetfreiheit. Das Land schaut auf mehr als 30 Jahre Diktatur zurück. "Wer vorsätzlich oder leichtfertig dafür sorgt, dass Äthiopiens Machthaber diese Hochtechnologie nutzen können, um Oppositionelle mundtot zu machen, macht sich mitschuldig an schweren Menschenrechtsverletzungen. Der rettet keine Leben, sondern sorgt dafür, dass jedes demokratische Aufbegehren im Keim erstickt wird." Nachdrücklich müsse die Bundesregierung dafür sorgen, dass so sensible Informationstechnik nicht in repressive Staaten geliefert wird.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 19. März 2013
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2013