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AFRIKA/285: Äthiopien - Bewährungsprobe für neues Afrika-Konzept Berlins


Presseerklärung vom 27. Juni 2011

Entwicklungshilfe für Äthiopien wird neu verhandelt

Bewährungsprobe für neues Afrika-Konzept Berlins:
Keine Entwicklungshilfe für Äthiopien ohne Menschenrechte!


Als Bewährungsprobe für das neue Afrika-Konzept der Bundesregierung bezeichnet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die am Dienstag (28.6.) anstehenden Regierungsverhandlungen mit Äthiopien über deutsche Entwicklungshilfe. "Wenn Menschenrechte in der Afrika-Arbeit der Bundesregierung wirklich eine zentrale Bedeutung bekommen sollen, dann muss Berlin seine Entwicklungshilfe für Äthiopien von einer deutlichen Verbesserung der Menschenrechtslage in dem Land am Horn von Afrika abhängig machen", forderte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. Leider deutet bislang nichts darauf hin, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) seine Äthiopien-Arbeit kritisch überdenkt und glaubwürdig die Beachtung der Menschenrechte einfordert."

Mehr als 700.000 Menschen sollen in Äthiopien umgesiedelt werden. Ziel der Regierung ist es angeblich, die Versorgung der Bevölkerung auf dem Land zu verbessern und ausländischen Agrarinvestoren Zugang zu großen Landflächen zu verschaffen. Die GfbV befürchtet nicht nur, dass die ansässige Bevölkerung vertrieben wird. Die Menschenrechtsorganisation hat auch Anlass zur Sorge, dass Großbetriebe nicht für die Nahrungsmittelversorgung in Äthiopien, sondern für den Export produzieren. Zudem üben Behörden massiven Druck auf Bauern und Nomaden aus, um jeden aufkeimenden Widerstand gegen die Umsiedlungspläne zu brechen. In der Afar-Region im Nordosten Äthiopiens wurden sogar 260 Dorfälteste verhaftet, weil sie sich weigerten, für die Umsiedlung zu werben. Auch im Südwesten des Landes wurden in mehreren Umsiedlungsregionen Dutzende Nomaden festgenommen, weil sie als "Unruhestifter" gelten. Die Polizeipräsenz wurde massiv verschärft. Unter den Nomaden herrscht inzwischen ein Klima der Angst. Ein lokaler Polizeichef erklärte auf einer Dorfversammlung:" Die Regierung ist wie ein Bulldozer und jeder, der sich den Entwicklungsprojekten widersetzt, wird niedergewalzt wie eine Person, die sich einem Bulldozer entgegenstellt."

"Mit Menschenrechten und Grundsätzen der Bürgerbeteiligung, die vom BMZ beschworen werden, lässt sich so ein willkürliches Vorgehen nicht rechtfertigen", sagte Delius. Trotzdem versicherte BMZ-Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz noch am 10. Juni 2011 in einem Schreiben an die GfbV, dass es nach Aussage der äthiopischen Regierung keinen Zusammenhang zwischen Umsiedlungen und großflächigen Landinvestitionen gebe. Äthiopiens Premierminister habe zugesichert, dass auch keine Zwangsumsiedlungen vorgenommen werden. Auch Recherchen von Geberländern vor Ort hätten keine Anzeichen für die Anwendung von Zwang bei den Umsiedlungen erbracht, schrieb Beerfeltz.

"Es ist realitätsfremd, wenn die Bundesregierung darauf wartet, dass die äthiopischen Behörden von sich aus Menschenrechtsverletzungen einräumen", sagte Delius. "Bei einem solchen Verständnis deutscher Afrikapolitik werden Menschenrechte auch künftig kaum einen Stellenwert haben."


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 27. Juni 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2011