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AFRIKA/259: Somalia - Konten der Piraten-Mafia sperren


Presseerklärung vom 21. Januar 2011

Anti-Piraten-Gipfel der Bundesregierung (24.1.):

Konten der Piraten-Mafia müssen gesperrt werden - Kurskorrektur in der Somalia-Politik notwendig


Der von deutschen Reedern geforderte Einsatz von Soldaten oder bewaffneten Bundespolizisten an Bord deutscher Handelsschiffe wird die Piraterie vor Somalias Küsten nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) nicht wirksam eindämmen. Anlässlich des am Montag in Berlin geplanten "Anti-Piraten-Gipfels" der Bundesregierung mit Vertretern der maritimen Wirtschaft weist die Menschenrechtsorganisation darauf hin, dass auch Prozesse gegen einzelne Piraten angesichts der Verelendung zehntausender somalischer Fischer kaum abschrecken. Denn für jeden verhafteten Piraten stehen als Ersatz fünf neue junge Männer bereit. Deshalb kann nur ein konsequentes Vorgehen gegen die international operierenden Auftraggeber der Piraten langfristig die Gewalt gegen Seeleute stoppen. Dafür ist eine Kurskorrektur in der europäischen Somalia-Politik dringend notwendig. Solange das Land weiter in Chaos und Gewalt versinkt, ist der Kampf gegen die Piraterie kaum zu gewinnen.

"Wer die Piraterie vor Somalias Küste langfristig eindämmen will, muss die Mafia-ähnlichen Netzwerke, die sie steuern, bloßlegen und deren Bankkonten sperren", sagt der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. Viel deutet darauf hin, dass die Geldgeber und ihre Informanten nicht in Somalia ansässig sind, sondern zum Beispiel in Kenia, wo erpresstes Lösegeld im großen Stil in Immobilien und die Wirtschaft investiert wird. US-Ermittler gehen auch davon aus, dass einige der Netzwerke aus den arabischen Emiraten gesteuert werden. "Die internationale Gemeinschaft muss gezielter gegen diese Köpfe der Gewalt ermitteln, wenn sie diesen Mafiabanden das Handwerk legen will." Die Piraten selbst sind sowohl Täter als auch Opfer. Angesichts chronischer Arbeitslosigkeit, massiver Gewalt und einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 48 Jahren verdingen sich viele Somalis als Piraten.

"Der Kampf gegen die Piraterie wird nicht auf See, sondern an Land entschieden", erklärte Delius. Auf die verstärkten Seepatrouillen der EU-Operation Atalanta reagieren die Piraten, in dem sie ihre Überfälle bis vor die Küsten Indiens, Madagaskars und der Seychellen ausweiten. Solange Krieg, Rechtlosigkeit, Korruption und Willkürherrschaft in Somalia herrschen, kann die Piraten-Mafia ungehindert operieren. "Ohne Frieden in Somalia, gibt es leider auch keinen Frieden für deutsche Seeleute", sagte Delius.

Doch wenn Europa ein Ende des Bürgerkrieges in Somalia will, dann muss es auch in seiner Somalia-Politik neue Wege gehen. Mit Waffen und Ausbildern wird kein Krieg in Somalia entschieden. Nur Friedensgespräche zwischen allen Konfliktparteien können das Morden beenden. "Doch das setzt voraus, dass die EU nicht weiter die somalische Übergangsregierung als alleinigen Ansprechpartner ansieht, obwohl sie nicht einmal die Hälfte der Hauptstadt kontrolliert."


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 21. Januar 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2011