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NORDAMERIKA/093: Am 11.1.2009 ist der 7. Jahrestag des US-Gefangenenlagers Guantánamo


Pressemitteilung vom 7. Januar 2009

7. Jahrestag US-Gefangenenlager Guantánamo am 11.1.2009


Am 11. Januar steht ein trauriger Geburtstag an: das Lager Guantánamo auf Kuba wird 7 Jahre alt. Seit dem 11. Januar 2002 sind dort insgesamt etwa 800 Männer und Jugendliche inhaftiert worden. Allen wurden ihre grundlegenden Menschenrechte vorenthalten, viele wurden misshandelt und gefoltert. Kein Verantwortlicher wurde bisher dafür zur Rechenschaft gezogen. Lediglich zwei Insassen sind bisher in unfairen Verfahren angeklagt und verurteilt worden. Noch immer sitzen dort rund 250 Gefangene aus etwa 30 Ländern ein. Guantánamo ist das Symbol und der sichtbare Teil eines Systems, in dem im Namen des so genannten Kriegs gegen den Terror Angehörige der US-Geheimdienste und -Streitkräfte sowie verbündeter Staaten systematisch Menschenrechte verletzen.

Amnesty International fordert seit Jahren die Schließung des Lagers Guantánamo. Die Organisation hat den neuen US-Präsidenten Barack Obama aufgerufen, das Lager so schnell wie möglich zu schließen.


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Vier Kurzbeschreibungen der Fälle von Guantánamo-Gefangenen aus Saudi-Arabien, dem Jemen, Pakistan und China.


1. Mohamed al-Qahtani (Saudi-Arabien)

"Die drohende Todesstrafe und der Schock, unter Anklage gestellt zu werden, ... hatten eine verheerende Wirkung auf die physische und psychische Verfassung von Mohamed al-Qahtani, um den es bereits schlecht bestellt war. Ich fürchte, dass er Guantánamo nicht überleben wird." (US-amerikanischer Anwalt von Mohamed al-Qahtani am 16. Mai 2008)

Mohamed al-Qahtani befindet sich seit Februar 2002 in Guantánamo. Von August 2002 an wurde er etwa sechs Monate lang in völliger Isolation gehalten. Man quälte ihn mit Schlafentzug, lauter Musik und grellem Licht. Mehrfach wurde ihm ein Sack über den Kopf gestülpt, er wurde durch Hunde eingeschüchtert, musste über lange Zeiträume in der gleichen Position verharren, erlebte alle möglichen weiteren Formen der Erniedrigung und war 20-stündigen Verhören ausgesetzt. Er zeigte schnell Anzeichen extremer psychischer Beschwerden. Aufgrund der Beteiligung von Medizinern an seinen Folterungen ist er Ärzten gegenüber heute sehr misstrauisch.

Nachdem Mohamed al-Qahtani im Februar 2008 wegen Straftaten angeklagt wurde, die mit der Todesstrafe geahndet werden, soll er versucht haben, sich das Leben zu nehmen. Im Mai 2008 wurden die Anklagen gegen ihn fallengelassen, er ist aber nach wie vor auf unbestimmte Zeit in Guantánamo inhaftiert.


2. Dr. Ayman Batarfi (Jemen)

Dr. Ayman Batarfi, ein heute 38 Jahre alter Unfallchirurg, wird seit knapp sieben Jahren in Guantánamo festgehalten - ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Er ist einer von Dutzenden jemenitischen Häftlingen, die bis heute in dem US-Gefangenenlager auf Kuba festsitzen, obwohl sich die Regierung ihres Heimatlandes darum bemüht, die Männer zurückzuholen.

Nach Angaben seiner US-amerikanischen Anwälte leistete Dr. Batarfi Ende 2001 Freiwilligendienst in einer Klinik in Jalalabad in Ostafghanistan, als Truppen der Nordallianz in die Stadt einfielen. Wie andere Zivilisten versuchte er nach Pakistan zu gelangen, blieb jedoch während einer Bombardierung durch die US-Armee in den Bergen eingeschlossen. Dr. Batarfi wurde von afghanischen Soldaten an die US-Armee ausgeliefert - wahrscheinlich gegen die Zahlung eines Kopfgeldes. Nach mehreren Monaten in einem US-Internierungslager in Afghanistan brachte man ihn im Mai 2002 nach Guantánamo. Dort hielt man ihn über lange Zeiträume in völliger Isolation und setzte ihn wiederholt Verhören aus. Bis heute haben die US-Behörden Ayman Batarfi nicht unter Anklage gestellt.


3. Majid Khan (Pakistan)

Majid Khan wurde im September 2006 mit 13 weiteren Gefangenen, von denen sich die USA Informationen erhofften, nach Guantánamo verlegt. Zuvor waren die Männer rund viereinhalb Jahre vom US-Geheimdienst CIA an geheimen Orten festgehalten worden. Die US-Behörden geben weder über die Orte dieser Geheimgefängnisse noch über die dort angewendeten Verhörmethoden Auskunft.

Majid Khan gibt an, in der US-Haft gefoltert worden zu sein, jedoch werden auch seine Aussagen unter Verschluss gehalten. Die CIA hat bestätigt, das so genannte "Waterboarding" - eine Form von Folter mit Wasser, bei der die Gefolterten das Gefühl haben zu ertrinken - als Verhörmethode gegen drei andere Häftlinge angewendet zu haben, die zwischen 2002 und 2003 ebenfalls in geheimer Haft gehalten wurden. Bis heute ist niemand vor Gericht gestellt worden, der für schwere Misshandlungen und andere Verstöße im Zusammenhang mit den geheimen Inhaftierungen verantwortlich ist.


4. 17 Uiguren (China)

Seit 2002 befinden sich 17 uigurische Männer ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Guantánamo. Im Oktober 2008 forderte ein US-amerikanisches Bundesbezirksgericht ihre Freilassung in die USA. Die US-Regierung hat das Urteil jedoch angefochten, so dass die Haftentlassungen auf unbestimmte Zeit aufgeschoben sind. Die Männer können nicht zurück nach China gebracht werden, weil ihnen dort Folter und Todesstrafe drohen. Vor über vier Jahren hatte die US Regierung zugesichert, ein anderes Land zu suchen, das die Männer aufnehmen würde. Diese Suche ist aber bislang erfolglos geblieben.

Die 17 Männer waren von China nach Afghanistan geflohen. Als die US-Streitkräfte ihr Flüchtlingslager bombardierten, suchten sie in Pakistan Schutz. Dort wurden sie Ende 2001 festgenommen und anschließend nach Guantánamo geflogen.


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Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 7. Januar 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2009