Schattenblick → INFOPOOL → BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL


NAHOST/200: Türkei - Angriff auf die Pressefreiheit


Amnesty International - 28. Juli 2016

Türkei: Angriff auf die Pressefreiheit


28. Juli 2016 - Nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli geht die türkische Regierung mit äußerster Härte gegen kritische Medien im Land vor. Gegen 89 Journalistinnen und Journalisten wurde in den vergangenen Tagen Haftbefehl erlassen, Dutzende Medienhäuser, Zeitungen, TV- und Radiostationen wurden geschlossen.

Regierungsvertreterinnen und -vertreter bestätigten am Mittwoch, dem 27. Juli, eine Verfügung, die die Schließung von insgesamt 45 Zeitungen, 16 Fernsehsendern, 23 Radiosendern, 15 Zeitschriften, 29 Verlagshäusern und drei Nachrichtenagenturen vorsieht.

"Der Putschversuch dient jetzt offenbar als Vorwand für einen weiteren Schlag gegen die Pressefreiheit", sagt Amke Dietert, Türkei-Expertin von Amnesty International in Deutschland. "Von den Haftbefehlen betroffen sind vor allem Journalistinnen und Journalisten, die für Medien arbeiteten, denen vorgeworfen wird, der Gülen-Bewegung nahezustehen."

Der in den USA lebende islamische Prediger Fethullah Gülen wird von der Regierung für den gescheiterten Putschversuch verantwortlich gemacht. Viele der Medienschaffenden, die nun einen Haftbefehl erhalten haben, arbeiteten für die Tageszeitung "Zaman", die der Hizmet-Bewegung von Fethullah Gülen angehörte. Im März 2016 wurde die regierungskritische Zeitung unter staatliche Kontrolle gestellt.

"Selbstverständlich hat die türkische Regierung das Recht - mit rechtsstaatlichen Methoden - die Drahtzieher des gewaltsamen Putschversuches zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen. Die Verhaftung von Journalistinnen und Journalisten allein aufgrund einer tatsächlichen oder unterstellten politischen Position ist damit jedoch nicht zu rechtfertigen", so Dietert.

Die türkische Regierung hat am 20. Juli den Ausnahmezustand ausgerufen und kann seither per Dekret regieren. Artikel 15 der türkischen Verfassung erlaubt es den Behörden zudem, einige Rechte der Europäischen Menschenrechtskonvention einzuschränken.

"Bereits in den vergangenen Jahren waren Journalistinnen und Journalisten in der Türkei zunehmend Repressionen ausgesetzt. Viele wurden wegen ihrer Berichte und Kommentare angeklagt und verurteilt", so Dietert. Zurzeit bestehe kaum noch eine Möglichkeit, sich kritisch in der Öffentlichkeit zu äußern, ohne in das Fadenkreuz der türkischen Regierung zu geraten.

Seit dem gescheiterten Putschversuch geht diese mit äußerster Härte gegen mutmaßliche Gegnerinnen und Gegner vor: In verschiedenen Ministerien, dem Militär, dem Polizeiapparat, Bildungseinrichtungen und anderen Teilen der Zivilgesellschaft wurden Zehntausende Personen suspendiert, mehr als 10.000 Personen wurden festgenommen.

Amnesty International liegen außerdem glaubhafte Informationen vor, dass Soldaten, die den Putschversuch angeblich oder tatsächlich unterstützt haben, gefoltert wurden. Medizinisches Personal sowie Anwältinnen und Anwälte berichteten über Vergewaltigungen und andere Misshandlungen.[1]


Anmerkungen:
[1] http://www.amnesty.de/2016/7/24/tuerkei-gefangene-nach-putschversuch-gefoltert

Weitere Informationen zur Lage der Menschenrechte in der Türkei finden Sie unter:
http://www.amnesty.de/2016/7/26/zahlen-und-fakten-zur-lage-der-tuerkei

*

Quelle:
Mitteilung vom 28. Juli 2016
https://www.amnesty.de/2016/7/28/tuerkei-angriff-auf-die-pressefreiheit?destination=startseite
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang