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NAHOST/157: Vertriebene irakische Bevölkerung in Sindschar benötigt dringend Hilfe


Amnesty International - Meldung vom 5. August 2014

Vertriebene irakische Bevölkerung in Sindschar benötigt dringend Hilfe



5. August 2014 - Die vertriebene irakische Bevölkerung im Nordwesten des Landes braucht dringend humanitäre Hilfe, nachdem Zehntausende Zivilpersonen aufgrund eines Angriffs durch Kämpfer der bewaffneten Gruppierung Islamischer Staat (IS - ehemals ISIS) aus der irakischen Stadt Sindschar und den angrenzenden Gebieten geflohen sind.

Hunderte Zivilpersonen aus Sindschar und Umgebung werden vermisst, sind möglicherweise getötet oder entführt worden. Zudem sind Zehntausende im südlich der Stadt gelegenen Sindschar-Gebirge eingeschlossen und haben daher keinen Zugang zu lebenswichtiger Versorgung. Die meisten Betroffenen gehören der Minderheit der Jesiden an.

"Die im Gebirge eingeschlossenen Zivilpersonen laufen nicht nur Gefahr, durch IS-Mitglieder getötet oder entführt zu werden, ihnen fehlt es auch an Wasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Sie brauchen dringend humanitäre Hilfe", so Donatella Rovera, Krisenbeauftragte von Amnesty International. Sie ist momentan auf Ermittlungsreise im Nordirak.

"Wir bitten die internationale Gemeinschaft eindringlich, humanitäre Hilfe zu leisten, und fordern die irakischen und kurdischen Behörden auf, alles daranzusetzen, dass die dringend benötigte Hilfe die vertriebene Zivilbevölkerung erreicht und sie vor Ort vor weiteren IS-Angriffen geschützt wird."

Ganze Bevölkerungsgruppen aus den Gebieten, die seit dem 2. August durch IS angegriffen werden, sind in das Gebirge geflohen, das nun von der bewaffneten Gruppe umstellt ist.

Berichten zufolge sind Hunderte vermisste Zivilpersonen, hauptsächlich Männer, aber auch Frauen und Kinder, getötet oder entführt worden. Männer, die versucht hatten, die IS-Angriffe mithilfe von Waffen abzuwehren, sollen gefangen genommen und getötet worden sein.

In dem nordwestlich von Sindschar und in der Nähe der syrischen Grenze gelegenen Dorf Khana Sor sollen IS-Kämpfer über 30 Mitglieder zweier Familien entführt oder getötet haben, teilte ein Familienangehöriger Amnesty International mit.

"Sie haben die 15 Männer getötet und halten die Frauen und Kinder gefangen. Bis heute wissen wir weder, was mit ihnen passiert ist, noch ob sie überhaupt noch am Leben sind", so der Angehörige.

Eine jesidische Frau, die aus dem südlich von Sindschar gelegenen Dorf Tal al-Banat in das Gebirge floh, teilte Amnesty International mit, dass sie befürchtet, ihr vermisster Sohn Hsein Buqu, 45 Jahre alt und dreifacher Familienvater, sei getötet oder entführt worden.

"Wir haben seit unserer Flucht vor drei Tagen nichts mehr von ihm gehört. Wenn er am Leben wäre und es ihm gut ginge, hätte er sich bei uns gemeldet", sagte sie. Die jesidische Gemeinschaft wird im Irak seit Langem aus religiösen Gründen verfolgt. Sie ging aus dem vorislamischen Zoroastrianismus hervor. Die Jesiden werden von den Muslimen häufig als "Teufelsanbeter" bezeichnet.

Seitdem IS im Juni Teile des nordwestlichen Iraks unter ihre Kontrolle gebracht hat, sind Jesiden, Christen und andere Minderheiten immer stärker von Angriffen bedroht. Der Zugang zu den unter der Kontrolle von IS stehenden Gebieten ist momentan unmöglich. Auch in den angrenzenden Gebieten halten die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen IS-Kämpfern und kurdischen Peschmerga-Kämpfern an.

Daher ist es schwierig, Informationen über die genauen Umstände, unter denen Einzelpersonen und Familien verschwunden sind, einzuholen und zu überprüfen.

Die Tatsache, dass sich viele Personen in Gebieten befinden, die von der Stromversorgung abgeschnitten sind, bedeutet auch, dass die Betroffenen nicht mit ihren Familienangehörigen und der Außenwelt in Kontakt treten können.

Die Regionalregierung Kurdistans hindert die Vertriebenen zudem daran, in einigen Städten der Autonomen Region Kurdistan wie Erbil und Dohuk Zuflucht zu suchen.

"Die Notlage der Vertriebenen wird immer dramatischer. Alle Konfliktparteien müssen mehr tun, damit die Sicherheit der Vertriebenen sichergestellt werden kann", so Donatella Rovera.

"Die Regionalregierung Kurdistans muss den Vertriebenen unverzüglich uneingeschränkten Zugang zu allen von ihr kontrollierten Gebieten gewähren und alle Beschränkungen in Erbil, Dohuk und anderen Gebieten, in denen die Vertriebenen Zuflucht suchen könnten, aufheben."

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Quelle:
ai-Mitteilung vom 5. August 2014
URL: http://www.amnesty.de/2014/8/6/vertriebene-irakische-bevoelkerung-sindschar-benoetigt-dringend-hilfe?destination=node%2F2817
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2014