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GRUNDSÄTZLICHES/259: "Für die Freiheit des Wortes" (ai journal)


amnesty journal 01/2008 - Das Magazin für die Menschenrechte

"Für die Freiheit des Wortes"
Ein Gespräch mit Imre Török vom Verband deutscher Schriftsteller über Solidarität unter Schriftstellern, politische Literatur und die Rechte von Kindern.

Interview: Rebekka Rust


FRAGE: Im Juni 2007 schlug Queen Elisabeth II. Salman Rushdie, den Autor der "Satanischen Verse" zum Ritter. Tausende Muslime weltweit forderten daraufhin seinen Tod. Der Verband deutscher Schriftsteller beteiligte sich an einem Aufruf, in dem es unter anderem hieß: "Wenn Rushdie mundtot gemacht werden soll, geht das jeden Schriftsteller an, der die Menschenrechte und die Literatur verteidigt." Was wollten Sie mit dem Aufruf bewirken?

IMRE TÖRÖK: Wir wollten bewusst machen, wie gefährdet Schriftsteller sind. Rushdie ist eine Symbolfigur für die Freiheit des Wortes. Wenn die Öffentlichkeit auf ihn blickt, hat das auch eine gewisse Schutzfunktion. Außerdem ist Rushdies deutscher Übersetzer Mitglied in unserem Verband. Auch er war gefährdet, als Ayatollah Khomeini 1989 die Fatwa gegen Rushdie verhängte und alle Muslime aufrief, ihn zu töten. Damals durfte niemand den Namen des Übersetzers kennen oder wissen, dass er Rushdie ins Deutsche übersetzt hatte.

FRAGE: Verhalten sich Schriftsteller in der Regel solidarisch untereinander?

IMRE TÖRÖK: Schriftsteller kämpfen natürlich für ihre beruflichen Erfolge und sind in gewisser Hinsicht Einzelgänger. Das erschwert die Solidarität. Gleichzeitig spüren die meisten Autoren, dass es wichtig ist, einem Berufsverband anzugehören, der für ihre sozialen und rechtlichen Belange eintritt.

FRAGE: Gehört es zum Selbstverständnis der deutschen Gegenwartsautoren, zum Zeitgeschehen politisch Stellung zu beziehen?

IMRE TÖRÖK: Die annähernd 4.000 Mitglieder in unserem Verband haben dazu sicherlich 4.000 unterschiedliche Ansichten. In ihren Texten sehe ich eine Vielfalt an Themen, die ich nicht alle als explizit politisch bezeichnen würde. Und doch haben die meisten in unserem Verband eine engagierte politische Einstellung und wollen aufklären - so gesehen haben auch die meisten ihrer Werke eine politische Dimension.

FRAGE: Agiert der Verband deutscher Schriftsteller politisch?

IMRE TÖRÖK: Wir kommentieren Ereignisse wie in der Türkei, wo Schriftsteller in einem Hotel eingesperrt und angezündet wurden, oder aktuell wie in Sachsen-Anhalt, wo Neonazis die Tagebücher der Anne Frank verbrannten. Wir engagieren uns für die Freiheit des Wortes und für die Menschenrechte. Mein Ziel als Vorsitzender ist es, den Verband noch stärker zu politisieren. In den letzten Jahren haben wir uns stark um berufspolitische Belange gekümmert.

FRAGE: Verfassen Sie als Schriftsteller politische Texte?

IMRE TÖRÖK: Ich befasse mich literarisch schwerpunktmäßig mit Themen wie Afrika und Migration, insbesondere aber mit den Rechten von Kindern, die weltweit mit Füßen getreten werden. Auch Kinder leiden unter Folter und den anderen Schrecken der Erwachsenenwelt - der einzige Unterschied ist, dass sie sich nicht wie Erwachsene oder gar Schriftsteller zu Wort melden können. Ich möchte für die Kinder das Wort ergreifen und beschreibe ihre Leiden in dieser Erwachsenenwelt.


Imre Török ist Schriftsteller, Dozent, Journalist und Bundesvorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller. Török wurde in Ungarn geboren und studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Tübingen.
Weitere Infos: www.imre-toeroek.de

Der Verband deutscher Schriftsteller wurde 1969 u.a. von Günter Grass, Heinrich Böll und Martin Walser gegründet. Er ist die Interessenvertretung von Schriftstellern in Deutschland und Teil der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Der Verband hat bundesweit rund 4.000 Mitglieder.
Weitere infos: http://vs.verdi.de


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Quelle:
amnesty journal, Januar 2008, S. 36
Herausgeber: amnesty international
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E-Mail: info@amnesty.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Februar 2008