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AKTION/999: Urgent Action - Syrien - Zwei türkische Journalisten "verschwunden


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-082/2012, AI-Index: MDE 24/031/2012, Datum: 27. März 2012 - we

Syrien
Zwei türkische Journalisten "verschwunden"



ADEM ÖZKÖSE, 34 Jahre
HAMIT COSKUN, 21 Jahre

Seitdem die beiden türkischen Journalisten Adem Özköse und Hamit Coskun über die aktuellen Ereignisse im Norden von Syrien berichtet haben, fehlt jede Spur von ihnen. Am 10. März nahmen sie das letzte Mal Kontakt zu ihren KollegInnen auf. Zu dieser Zeit befanden sie sich im Norden Syriens, nahe der Grenze zur Türkei. Die beiden Männer wurden vermutlich Opfer des Verschwindenlassens. Es besteht die Gefahr, dass sie gefoltert oder anderweitig misshandelt werden. Der 34-jährige Reporter Adem Özköse reiste am 5. März gemeinsam mit dem 21-jährigen Kameramann Hamit Coskun über die türkische Grenze nach Syrien ein. Laut eines Kollegen hatten sie vor, eine Woche in der nördlichen Region Syriens zu verbringen, um über die dortigen Geschehnisse zu berichten. Sie meldeten sich zuletzt am 10. März aus Idlib, einer Stadt im Norden Syriens, und teilten Ihren KollegInnen mit, sie befänden sich bei einer Demonstration, über die sie berichten wollten. Das Schicksal und der Aufenthaltsort der Männer sind seither unbekannt.

Laut syrischer Medienberichte, sollen sich Adem Özköse und Hamit Coskun im Gewahrsam der syrischen Sicherheitskräfte befinden. Die syrische Regierung hat bisher jedoch noch keine offiziellen Informationen zum Verbleib der Männer bekannt gegeben. Ein Sprecher des türkischen Außenministeriums sagte Amnesty International, dass das Ministerium schriftlich Kontakt mit den syrischen Behörden aufgenommen habe, um Informationen über Adem Özköse und Hamit Coskun zu erhalten und ihre Freilassung zu fordern, sollten sie festgenommen worden sein. Nach Kenntnisstand von Amnesty International hat die syrische Regierung darauf bisher nicht offiziell geantwortet. Da keine Informationen über den Aufenthaltsort von Adem Özköse und Hamit Coskun vorliegen, wird davon ausgegangen, dass sie unter Bedingungen festgehalten werden, die dem Verschwindenlassen gleichkommen. Die beiden Männer befinden sich daher in großer Gefahr, Opfer von Folter und anderen Misshandlungen zu werden.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Demonstrationen für Reformen in Syrien begannen im Februar 2011 und entwickelten sich Mitte März zu Massenprotesten. Die Behörden reagierten in ihrem Bestreben, die Proteste niederzuschlagen, mit großer Brutalität. Amnesty International verfügt über die Namen von mehr als 7.200 Menschen, die Berichten zufolge im Zusammenhang mit den Demonstrationen gestorben sind oder getötet wurden. Offenbar sind viele von ihnen von den Sicherheitskräften, die mit scharfer Munition gegen die Protestierenden vorgingen, erschossen worden, während sie an friedlichen Demonstrationen oder der Beisetzung von Opfern früherer Proteste teilnahmen. Bei der Bombardierung ziviler Ziele durch die syrischen Streitkräfte sind erst kürzlich mehrere hundert Menschen ums Leben gekommen, viele von ihnen in der Stadt Homs. Auch Angehörige der Sicherheitskräfte wurden getötet, oftmals durch übergelaufene Militärangehörige oder andere, die ihre Waffen gegen die Regierung erhoben haben.

Syrien verfügt über mehrere Sicherheits- und Nachrichtendienste sowie einige Gruppierungen mit unklaren Strukturen, die oftmals zwar bewaffnet, jedoch nicht uniformiert sind. Diese Gruppierungen sind für Entführungen, Tötungen und andere Straftaten verantwortlich, die offenbar von BehördenvertreterInnen koordiniert, zumindest aber geduldet werden. Amnesty International liegen Berichte vor, denen zufolge bewaffnete Personen Menschen bedrohen, misshandeln, entführen und in einigen Fällen töten. Diese Personen sollen Verbindungen zu Behördenstellen unterhalten bzw. die Regierung unterstützen. Tausende weitere mutmaßliche GegnerInnen der syrischen Regierung wurden in den vergangenen zwölf Monaten festgenommen. Viele, wenn nicht sogar die meisten von ihnen, sollen gefoltert oder anderweitig misshandelt worden sein. Amnesty International liegen die Namen von mehr als 280 Menschen vor, die Berichten zufolge in dieser Zeit in Haft gestorben sind. Die Organisation hat außerdem zahlreiche Fälle dokumentiert in denen Häftlinge gefoltert oder anderweitig misshandelt wurden. Für weitere Informationen zu Fällen von Folter und anderen Misshandlungen von syrischen Häftlingen, siehe den englischen Bericht: "I wanted to die": Syria's torture survivors speak out, März 2012,
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/016/2012/en

Amnesty International liegen zudem zahlreiche Berichte über offensichtliche Fälle des Verschwindenlassen vor, in denen die syrische Regierung den Familienangehörigen keinerlei Informationen über den Verbleib der "verschwundenen" Personen zukommen ließ. In den meisten dieser Fälle sollen die Festnahmen von Sicherheitskräften ausgeführt worden sein. Seit Beginn der Unruhen wird internationalen JournalistInnen nur sehr begrenzt erlaubt, nach Syrien einreisen. Auch unabhängige internationale Menschenrechtsorganisationen und MenschenrechtsbeobachterInnen, wie Amnesty International oder die Untersuchungskommission zu Syrien des UN-Menschenrechtsrats wurde nicht erlaubt nach Syrien einzureisen, um die Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren, die auf beiden Seiten des Konflikts begangen werden.

EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, unverzüglich Informationen über das Schicksal und den Aufenthaltsort von Adem Özköse und Hamit Coskun bekannt zu geben.

- Sollten sich Adem Özköse und Hamit Coskun im Gewahrsam der syrischen Behörden befinden, lassen Sie die beiden Männer bitte frei und ermöglichen Sie ihnen die Rückkehr in die Türkei.

- Stellen Sie bitte sicher, dass die beiden Männer, sofern sie festgehalten werden, bis zu ihrer Freilassung weder Folter noch andere Misshandlungen erdulden müssen.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Presidential Palace
al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410

INNENMINISTER
His Excellency Major General Mohamad Ibrahim al-Shar
Ministry of Interior
'Abd al-Rahman Shahbandar Street
Damascus, SYRIEN
Fax: (00 963) 11 211 9578

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim
Ministry of Foreign Affairs
al-Rashid Street, Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 214 6253


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
S.E. Herr Radwan Loutfi
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 8. Mai 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the Syrian authorities to immediately reveal the fate and whereabouts of Adem Özköse and Hamit Coskun.

- Demanding that, if the two men are currently in the custody of the Syrian authorities, they should be released and allowed to return to Turkey immediately.

- In the meantime, if held, they should be protected from all forms of torture and other ill-treatment.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Obwohl Amnesty International seit Beginn der Unruhen die Einreise verwehrt wird, hat die Organisation systematische und weitreichende Menschenrechtsverletzungen in Syrien dokumentiert, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit betrachtet werden müssen. Die Organisation setzt sich seit April 2011 zudem sowohl dafür ein, dass der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs sich mit der Situation in Syrien befasst als auch dafür, dass ein umfassendes Waffenembargo gegen Syrien ausgesprochen wird und die Vermögenswerte von Staatpräsident Bashar al-Assad und die seiner engsten Vertrauten eingefroren werden.

Für weitere Informationen siehe die englischen Berichte: Crackdown in Syria: Terror in Tell Kalakh, Juli 2011,
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/029/2011/en
Deadly detention: deaths in custody amid popular protest in Syria, 31 August 2011
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/035/2011/en
und Health crisis: Syrian government targets the wounded and health workers
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/059/2011/en.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-082/2012, AI-Index: MDE 24/031/2012, Datum: 27. März 2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
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Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2012