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AKTION/831: Urgent Action - Saudi-Arabien - Hausangestellter droht Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-310/2011, AI-Index: MDE 23/0278/2011, Datum: 212. Oktober 2011 - mr

Saudi-Arabien
Hausangestellter droht Hinrichtung


TUTI TURILAWATI, 27-jährige indonesische Staatsbürgerin

Einer indonesischen Hausangestellten könnte in Saudi-Arabien unmittelbar die Hinrichtung drohen. Möglicherweise hat sie alle Rechtsmittel ausgeschöpft, dann könnte ihr Todesurteil bereits im November vollstreckt werden.

Die 27-jährige Tuti Turilawati wurde wegen der Tötung ihres Arbeitgebers zum Tode verurteilt. Sie soll am 5. September 2009 nach Saudi-Arabien gekommen sein, um für einen Mann in der Stadt Ta'if in der westlichen Provinz Mekka zu arbeiten. Berichten zufolge missbrauchte ihr Arbeitgeber sie sexuell, während sie für ihn arbeitete. Am 11. Mai 2010 versuchte er, sie zu vergewaltigen. In dem Versuch sich zu schützen, schlug sie ihn mit einem Stock. Der Mann erlag den Verletzungen. Tuti Turilawati flüchtete und soll dann von neun Männern vergewaltigt worden sein. Anschließend nahm die Polizei in Tai'if sie fest. Zu der Mehrfachvergewaltigung soll es keine Ermittlungen gegeben haben.

Tuti Turilawati wurde etwa im Juni 2011 zu qisas (Vergeltung) verurteilt. Sie soll in den ersten zwei Monaten ihres Verfahrens zwar eine Verdolmetschung, jedoch keinen Rechtsbeistand gehabt haben. Ihr derzeitiger rechtlicher Status ist nicht bekannt und auch nicht, ob sie bereits alle Rechtsmittel ausgeschöpft hat. Die Familie des Toten soll bei den Gerichtsbehörden Rechtsmittel zur Verhängung der Todesstrafe eingelegt haben, und will, dass das Todesurteil nach Ende der Pilgerfahrt nach Mekka (hajj) vollstreckt wird. Hajj endet zwischen dem 4. und 9. November. Nach saudischem Recht werden viele einer Tötung für schuldig Befundene zu qisas verurteilt. In diesen Fällen haben die Angehörigen des Mordopfers die Möglichkeit, eine Hinrichtung oder diya (finanzielle Entschädigung) zu verlangen oder die verurteilte Person zu begnadigen.

Am 18. Juni 2011 wurde eine indonesische Hausangestellte hingerichtet, ohne dass ihre Familie zuvor informiert worden war. Seit Ende des Fastenmonats Ramadan ist die Zahl der Hinrichtungen in Saudi-Arabien in alarmierender Weise angestiegen. Allein im Oktober wurden 19 Menschen getötet, zehn von ihnen waren ausländische Staatsangehörige.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

In Saudi-Arabien werden Personen in prekären Situationen vom Strafverfolgungssystem diskriminiert. Ausländische Staatsangehörige werden überdurchschnittlich häufig zum Tode verurteilt. Viele der in den vergangenen Jahren hingerichteten Menschen kamen aus anderen Ländern, in den meisten Fällen waren es MigrantInnen aus armen Ländern. In den Vorjahren war es zwar zu einem Rückgang der Hinrichtungen gekommen. Doch in diesem Jahr ist die Zahl der Hinrichtungen deutlich gestiegen. Allein im Oktober wurden 19 Menschen exekutiert. Seit Januar 2011 fanden mindestens 67 Hinrichtungen statt, das sind mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2010 insgesamt. 22 der Hingerichteten waren ausländische Staatsangehörige und vier waren Frauen. Amnesty International ist sehr besorgt um die über 100 Gefangenen, die derzeit in Saudi-Arabien in den Todeszellen sitzen.

2007 richteten die saudischen Behörden mindestens 158 Personen hin, von denen 76 ausländische Staatsangehörige waren. 2008 wurden mindestens 102 Personen, darunter fast 40 ausländische Staatsangehörige, hingerichtet. Mindestens 69 Todesurteile wurden im Jahr 2009 vollstreckt, darunter 19 an Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit. 2010 waren es mindestens 27 Personen, darunter sechs ausländische Staatsangehörige.

In Saudi-Arabien wird die Todesstrafe bei einer Vielzahl von Straftaten verhängt. Die Gerichtsverfahren entsprechen bei weitem nicht den internationalen Standards für faire Prozesse. Angeklagten wird das Recht einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt meistens verwehrt, und oft werden sie nicht über den Stand des gegen sie eingeleiteten Gerichtsverfahrens informiert. Zudem sind Verurteilungen auf der Basis von durch Zwang oder Täuschung erzielten Geständnissen zulässig.

Amnesty International hebt in einem Bericht aus dem Jahr 2008 über die Todesstrafe in Saudi-Arabien deren häufige Anwendung und die unverhältnismäßig hohe Anzahl an Exekutionen ausländischer StaatsbürgerInnen aus Entwicklungsländern hervor. Zusätzliche Informationen finden Sie auf Englisch im Bericht Saudi Arabia: Affront to Justice: Death Penalty in Saudi Arabia (MDE 23/027/2008), 14. Oktober 2008 unter
http://www.amnesty.org/en/news-and-updates/report/saudi-arabia-executions-target-foreign-nationals-20081014.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich appelliere an Sie, die Hinrichtung von Tuti Turilawati zu stoppen.

- Wandeln Sie bitte alle in Ihrem Land verhängten Todesurteile unverzüglich um, und setzen Sie sich für die Abschaffung der Todesstrafe ein.

- Ich fordere Sie auf, die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren einzuhalten, darunter die UN-Garantien zum Schutz der Rechte von Personen, denen die Todesstrafe droht. In den Garantien ist ausgeführt, dass die Höchststrafe nur nach einem fairen Gerichtsverfahren verhängt werden darf, in dem die Angeklagten in allen Phasen des Verfahrens Zugang zu einer angemessenen rechtlichen Vertretung hatten.


APPELLE AN

KÖNIG
His Majesty
King 'Abdullah Bin 'Abdul 'Aziz Al-Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Your Majesty/Majestät)
Fax: (00 966) 1 403 3125
(über das Innenministerium)

INNENMINISTER
His Royal Highness
Prince Naif bin 'Abdul 'Aziz Al-Saud
Ministry of the Interior
P.O. Box 2933, Airport Road,
Riyadh 11134, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Your Royal Highness/Königliche Hoheit)
Fax: (00 966) 1 403 3125


KOPIEN AN

VORSITZENDER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Mr Bandar Mohammed 'Abdullah Al-Aiban
Human Rights Commission
P.O. Box 58889, King Fahad Road
Building No. 373, Riyadh 11515
SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Dear Mr Al-Aiban / Sehr geehrter Herr Al-Aiban)
E-Mail: hrc@haq-ksa.org

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S.E. Herrn
Prof. Dr. med Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179 oder 030-8892 5176
E-Mail: saudi-embassy-berlin@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 1. Dezember 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the King of Saudi Arabia to halt the execution of Tuti Turilawati.

- Calling on the King to commute the sentences of all those under sentence of death as a matter of urgency, with a view to abolishing the death penalty.

- Reminding the authorities that they should act in accordance with international standards for fair trial, including the UN Safeguards guaranteeing protection of the rights of those facing the death penalty, which state that capital punishment may only be imposed after a fair trial in which the defendant is provided with "adequate legal assistance at all stages of the proceedings".


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-310/2011, AI-Index: MDE 23/0278/2011, Datum: 212. Oktober 2011 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2011