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AKTION/758: Urgent Action - Mexiko - 30 Jahre Haft wegen Einträgen bei Facebook


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-262/2011, AI-Index: AMR 41/052/2011, Datum: 31. August 2011 - gs

Mexiko
30 Jahre Haft wegen Einträgen bei Facebook?


MARIA DE JESUS BRAVO PAGOLA, Journalist
GILBERTO MARTINEZ VERA, Lehrer

Zwei Mexikaner sind unter der Anklage des Terrorismus und der Sabotage festgenommen worden, nachdem sie bei Twitter und Facebook Nachrichten ins Netz gestellt hatten. Ihr Gerichtsverfahren, das Grundsätzen der Fairness nicht gerecht wird, dauert derzeit noch an. Sollten die beiden Männer schuldig gesprochen werden, droht ihnen eine Freiheitsstrafe von bis zu 30 Jahren.

Der Lokalreporter María de Jesús (bekannt als Maruchi) Bravo Pagola und der Lehrer Gilberto Martínez Vera sind am 26. August 2011 in ihren Wohnungen in Veracruz an der Ostküste Mexikos von der Polizei verhaftet worden. Die Behörden erklärten, sie hätten die beiden Männer festgenommen, nachdem am 25. August über soziale Medien die Nachricht verbreitet worden war, kriminelle Banden planten Überfälle auf Schulen der Region. Zahlreiche Eltern hatten ihre Kinder daraufhin nicht mehr am Unterricht teilnehmen lassen und mehrere Schulen ihren Betrieb vorübergebend eingestellt. Die Regierung des Bundesstaates Veracruz schrieb die ausgebrochene Panik der Verbreitung von Falschinformationen zu. Sie beschuldigte María de Jesús Bravo Pagola und Gilberto Martínez Vera, die Nachricht über Twitter und Facebook zirkuliert zu haben. Beide Männer wurden auf der Grundlage des Strafgesetzbuchs von Veracruz der Sabotage und des Terrorismus angeklagt.

María de Jesús Bravo Pagola und Gilberto Martínez Vera wurden nach Xalapa in die Hauptstadt des Bundesstaats Veracruz gebracht und dort mehr als 60 Stunden ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Während ihrer Vernehmung wurde auf die Männer erheblicher Druck ausgeübt, gegenüber der Staatsanwaltschaft einzugestehen, Falschinformationen verbreitet zu haben. Weder María de Jesús Bravo Pagola noch Gilberto Martínez Vera durften Kontakt zu ihren RechtsanwältInnen aufnehmen. In späteren Erklärungen vor dem Richter gaben sie an, unter Druck gesetzt und misshandelt worden zu sein. Beide Männer beteuerten ihre Unschuld. Allem Anschein nach gibt es keinerlei Beweise für eine Beteiligung von María de Jesús Bravo Pagola oder Gilberto Martínez Vera an terroristischen Straftaten oder Sabotageakten. Der mit dem Fall befasste Richter entschied gleichwohl am 31. August, die Beweislage rechtfertige die Fortsetzung des Prozesses. Er ordnete gegen beide Männer Untersuchungshaft an. In den zurückliegenden Monaten ist in Veracruz ein Anstieg von Gewaltakten festzustellen, da sich dort verschiedene Drogenbanden die Kontrolle über die Stadt streitig machen. Die vorherrschende Unsicherheit erzeugt ein Klima des Misstrauens. Verlässliche Informationen sind kaum erhältlich, so dass sich über die sozialen Medien Gerüchte schnell verbreiten können. Möglicherweise entsprechen über Facebook und Twitter verbreitete Informationen nicht immer den wahren Gegebenheiten. Gleichwohl entbehren die Inhaftierung und Strafverfolgung von María de Jesús Bravo Pagola und Gilberto Martínez Vera unter der Anklage des Terrorismus und der Sabotage jeder Grundlage. Sie stellen einen Verstoß gegen die Rechte auf einen fairen Prozess und auf freie Meinungsäußerung dar. Nach Meinung von Amnesty International liegt es in der Verantwortung der Behörden, korrekte und verlässliche Informationen über die von ihnen zum Schutz der Bevölkerung ergriffenen Maßnahmen herauszugeben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die von Banden der organisierten Kriminalität verübten Verbrechen sind seit 2007 stark angestiegen und haben schon mehr als 40 000 Menschenleben gefordert. Die Regierung von Präsident Calderón hat durch die Entsendung von mehreren tausend Bundespolizisten und mehr als 50 000 Armee- und Marinesoldaten in die am stärksten von der Gewalt heimgesuchten Landstriche die Macht der Drogenkartelle einzudämmen versucht. Viele PolizistInnen und Angehörige der Sicherheitskräfte stehen jedoch ihrerseits im Verdacht, korrupt zu sein und gemeinsame Sache mit kriminellen Banden zu machen. Dies erzeugt ein Klima der Straflosigkeit und vermittelt den BewohnerInnen der betroffenen Landstriche ein Gefühl der Unsicherheit. In Veracruz machen sich verschiedene Drogenkartelle die Kontrolle streitig und schrauben so die Gewaltspirale immer höher. Landesweit hat die eskalierende Gewalt zahlreiche Tote unter der unbeteiligten Zivilbevölkerung gefordert. Zunehmend verüben kriminelle Banden auch Anschläge auf JournalistInnen, so dass die Berichterstattung über die Vorgänge in Veracruz schwieriger wird. Die Behörden wiederum geben vielfach keine verlässlichen und rechtzeitigen Warnungen vor drohenden Gefahren heraus mit der Folge, dass verbreitet die sozialen Medien die Funktion übernommen haben, Menschen vor mutmaßlichen Anschlägen und anderen Gefahren zu warnen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich möchte meine Besorgnis über die Festnahme und die unter der Anklage des Terrorismus und der Sabotage eingeleitete Strafverfolgung von María de Jesús Bravo Pagola und Gilberto Martínez Vera wegen der am 25. August in Twitter und Facebook eingestellten Informationen zum Ausdruck bringen.

- Ich fordere Sie auf, unverzüglich und in unparteiischer Weise den Vorwürfen nachzugehen, denen zufolge María de Jesús Bravo Pagola und Gilberto Martínez Vera während ihrer Haft von der Justizpolizei und der Staatsanwaltschaft misshandelt, unter Druck gesetzt und an der Kontaktaufnahme zu RechtsanwältInnen ihres Vertrauens gehindert worden sind.

- Sorgen Sie dafür, dass die Rechte von María de Jesús Bravo Pagola und Gilberto Martínez Vera auf freie Meinungsäußerung und auf ein faires Gerichtsverfahren respektiert werden und das Vorgehen der Behörden bei der Inhaftierung und Strafverfolgung der beiden Männer umfassend überprüft wird.


APPELLE AN

GOUVERNEUR VON VERACRUZ
Javier Duarte de Ochoa
Palacio de Gobernación, Av. Enriquez S/N
Col. Centro, CP 91000, Xalapa Veracruz, MEXIKO
(korrekte Anrede:Estimado Gobernador/ Dear Governor/ Sehr geehrter Herr Gouverneur)
Fax: (00 52) 228 841 8818
E-Mail: javierduarte@veracruz.gob.mx

GENERALSTAATSANWALT VON VERACRUZ
Lic. Reynaldo Gaudencio Escobar Pérez
Procuradoria General de Justicia
Circuito Rafael Guizar y Valencia No. 707
Colonia Reserva Territoria
CP 91096 Xalapa Veracruz,MEXIKO
(korrekte Anrede: Estimado Procurador/Dear Attorney General/ Sehr geehrter Generalstaatsanwalt)
Fax: (0052) 228 841 6184
E-Mail: notaspgjver@hotmail.com


KOPIEN AN

RECHTSANWÄLTE ORDONEZ, ORDONEZ Y TELLES
Fidelguillermo65@yahoo.com.mx

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN MEXIKANISCHEN STAATEN
S.E. Herrn Francisco N. González Díaz
Klingelhöferstraße 3
10785 Berlin
Fax: 030-26 93 23-700
E-Mail: mail@mexale.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 12. Oktober 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Express Express concern at the detention, and prosecution of María de Jesús Bravo and Gilberto Martínez Vera in Veracruz on terrorism and sabotage charges in connection with postings on Twitter and Facebook on 25 August.

- Call for an immediate and impartial investigation into allegations of ill-treatment, coercion and denial of access to lawyers of their choice during their detention by judicial police and prosecutors;.

- Call for the right to fair trial and freedom of expression to be respected and for a full review of the conduct of state authorities in the detention and prosecution of María de Jesús Bravo and Gilberto Martínez Vera.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-262/2011, AI-Index: AMR 41/052/2011, Datum: 31. August 2011 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2011