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AKTION/572: Urgent Action - Belarus - Weitere Freilassungen fordern


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-264/2010-4, AI-Index: EUR 49/007/2011, Datum: 7. März 2011 - gs

BELARUS
Weitere Freilassungen fordern!

Weitere Informationen zu UA-264/2010 (EUR 49/010/2010, 21. Dezember 2010, EUR 49/015/2010, 23. Dezember 2010, EUR 49/001/2011, 12. Januar 2011 und EUR 49/002/2011, 31. Januar 2011)


OPPOSITIONELLE und ANDERE AKTIVISTINNEN

Derzeit finden Gerichtsverfahren gegen mehrere Personen statt, die der Organisation und Teilnahme an einer Demonstration vom 19. Dezember 2010 in Minsk angeklagt worden sind. Einer der Angeklagten ist bereits zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Amnesty International betrachtet ihn und die übrigen Inhaftierten als gewaltlose politische Gefangene.

Am 2. März 2011 wurde Alyaksandr Atroshchankau, Pressesprecher des Präsidentschaftskandidaten Andrei Sannikau, wegen Teilnahme an der Demonstration in Minsk zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Seine Ehefrau Darya Korsak gab gegenüber JournalistInnen an, ihr Mann habe ihr während der Gerichtsverhandlung mitteilen können, dass er im Untersuchungsgefängnis des Staatssicherheitsdienstes KGB in Minsk gefoltert worden sei. Man habe ihm Handschellen angelegt und ihn über mehrere Stunden hinweg gezwungen, in ermüdender Körperhaltung stehend auszuharren. Darüber hinaus habe er ohne Kleidung am Leib Sportübungen absolvieren müssen. Ihm seien ferner von maskierten Männern die Hände in schmerzhafter Weise gefesselt worden. Darya Korsak hat bei der Generalstaatsanwaltschaft Beschwerde gegen den Staatssicherheitsdienst wegen Folter und Misshandlung an ihrem Ehemann eingelegt. Alyaksandr Atroshchankau befindet sich seit dem 20. Dezember 2010 in Untersuchungshaft und hat in all den Wochen weder mit seinem Rechtsanwalt noch mit seiner Frau unter vier Augen sprechen können. Darya Korsak sieht darin den Versuch, Spuren der Folter geheim zu halten.

Alyaksei Mihalevich kam am 19. Februar aus der Haft frei. Auf einer Pressekonferenz vom 28. Februar berichtete er über die Folterungen und Misshandlungen, die ihm und anderen Gefangenen zugefügt worden waren. Er gab an, sämtliche Häftlinge seien fünf oder sogar sechs Mal am Tag aus ihren Zellen geholt, um Leibesvisitationen über sich ergehen zu lassen. Sie hätten die Beine derart weit spreizen müssen, dass ihnen anschließend das Laufen große Schmerzen bereitet habe. In einem Zimmer mit einer Raumtemperatur von weniger als 10° C hätten sie rund 40 Minuten lang nackt ausharren müssen. Nach Auskunft von Alyaksei Mihalevich wurden die Gefangenen während der Leibesvisitationen gezwungen, Sportübungen zu absolvieren. Amnesty International befürchtet, dass die noch inhaftierten Personen in Gefahr sind, misshandelt zu werden, so auch Andrei Sannikau. Seinem Verteidiger ist die Anwaltszulassung entzogen worden. Am 4. März wollte die Mutter von Andrei Sannikau ihm ein Päckchen bringen. Sie wurde jedoch vom Gefängnispersonal mit der Auskunft abgewiesen, ihrem Sohn gehe es schlecht, deshalb könne er kein Päckchen empfangen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Zahl der gewaltlosen politischen Gefangenen beläuft sich aktuell auf zwölf Personen:

Präsidentschaftskandidaten:
Mykalau Statkevich, Uladzimir Nyaklyayeu und Andrei Sannikau

Journalist_innen:
Alyaksandr Atroshchankau, Pressesprecher von Andrei Sannikou; und Iryna Khalip, Korrespondentin der russischen Tageszeitung Novaya Gazeta

Politischer Berichterstatter:
Alyaksandr Fyaduta

Oppositionelle:
Pavel Sevyarynets, Mitglied des Wahlkampfteams von Vital Rymasheusky, Anatol Lyabedka, Mitglied der Vereinigten Bürgerpartei, Uladzimir Kobets, Mitglied des Wahlkampfteams von Andrei Sannikau, Zmitser Bandarenka, Koordinator der oppositionellen Bewegung Europäisches Weißrussland, Alyaksandr Arastovych und Syargei Martseleu, Mitglieder des Wahlkampfteams von Mykalau Statkevich Syargei Vazniyak ist am 29. Januar gegen Kaution aus der Haft entlassen worden. Anastasiya Palazhanka, stellvertretende Vorsitzende der Bewegung Junge Front, kam am 19. Februar frei. Auch Alyaksei Mihalevich befindet sich gegen Kaution wieder in Freiheit.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, die nachfolgend genannten Personen unverzüglich freizulassen: Mykalau Statkevich, Uladzimir Nyaklyayeu und Andrei Sannikau; Alyaksandr Atroshchankau, Iryna Khalip, Alyaksandr Fyaduta, Pavel Sevyarynets, Anatol Lyabedka, Uladzimir Kobets, Zmitser Bandarenka, Alyaksandr Arastovych und Syargei Martseleu.

- Ich bitte Sie eindringlich sicherzustellen, dass unverzüglich unparteiische Ermittlungen zur Aufklärung von Vorwürfen eingeleitet werden, denen zufolge Alyaksandr Atroshchankau, Alyaksei Mihalevich und andere Häftlinge von KGB-MitarbeiterInnen gefoltert oder misshandelt worden sind.

- Stellen Sie bitte sicher, dass ein unabhängiger medizinischer Sachverständiger die Gefangenen aufsucht, um zu gewährleisten, dass sie angemessen medizinisch versorgt werden.

- Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Belarus als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) die Verpflichtung eingegangen ist, Folter und Misshandlung zu verhüten sowie sämtliche Vorwürfe über derartige Übergriffe unverzüglich und unabhängig untersuchen zu lassen.

- Ich verweise zudem darauf, dass Belarus als Vertragsstaat des IPBPR gewährleisten muss, dass Personen, die gefoltert worden oder Zeuge von Folterungen geworden sind, keine Sanktionen befürchten müssen, wenn sie wegen Beschwerde erheben.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Alyaksandr Lukashenka
Administratsia Prezidenta Respubliki Belarus
ul. Karla Marksa, 38
220016 Minsk, BELARUS
(korrekte Anrede: Dear President Lukashenka)
Fax: (00 375) 17 226 06 10 oder
(00 375) 17 222 38 72
E-Mail: contact@president.gov.by


KOPIEN AN

GENERALSTAATSANWALT
Grigory Alekseevich Vasilevich
Internatsionalnaya str. 22
220050 Minsk
BELARUS
Fax: (00 375) 17 226 42 52
BOTSCHAFT DER REPUBLIK BELARUS
S. E. Herrn Andrei Giro
Am Treptower Park 32, 12435 Berlin
Fax: 030-5363 5923
E-Mail: info@belarus-botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Belarussisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 18. April 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the Belarusian authorities to release Alyaksandr Atroshchankau and the other 11 prisoners of conscience immediately and unconditionally.

- Calling on them to order prompt and impartial investigations into the allegations that KGB officers used torture and other ill-treatment against Alyaksandr Atroshchankau, Alyaksei Mihalevich and other detainees

- Calling on them to allow an independent medical expert to visit all detainees to ensure they are receiving adequate medical assistance.

- Reminding them that as a state party to the International Covenant on Civil and Political Rights, Belarus is obliged to prevent torture and other ill-treatment and to ensure that any allegations are promptly, independently and effectively investigated.

- Reminding them that as a state party to the ICCPR Belarus has to ensure that people who have been tortured, or witnessed torture, do not suffer reprisals for complaining about it.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-264/2010-4, AI-Index: EUR 49/007/2011, Datum: 7. März 2011 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2011