Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/513: Urgent Action - Ägypten - Gefangene nach Ausbrüchen von Gefängnisrevolten gefährdet


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-017/2011, AI-Index: MDE 12/006/2011, Datum: 1. Februar 2011 - ar

ÄGYPTEN
Gefangene nach Ausbrüchen von Gefängnisrevolten gefährdet


Herr MOHAMED ABU ESSAOUD ISMAIL, 50 Jahre
Herr MOHAMED AL-FATEH BASYOUNI (MOHAMED ABDUL FATTAH BASYOUNI), 24 Jahre

Nach Ausbruch von Revolten in den Gefängnissen Wadi Natroon II und Fayoum ist das Schicksal der beiden Gefängnisinsassen Mohamed Abu Essaoud Ismail und Mohamed al-Fateh Basyouni unbekannt. Die beiden Männer wurden ohne Anklage und Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten. Ihre Freilassung war wiederholt von Gerichten angeordnet worden. Die Familien von Mohamed Abu Essaoud Ismail und Mohamed al-Fateh Basyouni sorgen sich um ihren Verbleib und befürchten, dass die beiden Männer von den Behörden gefoltert oder in anderer Weise misshandelt werden könnten. Anderen Häftlingen könnte dasselbe Schicksal drohen.

Am 30. Januar rief der 50-jährige Mohamed Abu Essaoud Ismail von außerhalb des Gefängnisses Wadi Natroon II, nordwestlich von Kairo, seinen Bruder Ahmed an. Dies war der Tag, an dem GefängniswärterInnen die Gefängnisse nach Ausbruch von Gefängnisrevolten verlassen haben sollen. Ahmeds Angaben zufolge holte er Mohamed Abu Essaoud Ismail mit dem Auto aus dem Gefängnis ab. Sie wurden jedoch von einem Beamten des Staatssicherheitsdienstes (SSI) und einer Gruppe Personen, die mit Stöcken bewaffnet waren, angehalten. Ahmed bat darum, seinen Bruder solange zu Hause unterbringen zu dürfen, bis die Gefängnisverwaltung seine Sicherheit wieder garantieren könne. Er erklärte sich außerdem bereit, sich schriftlich zu verpflichten, seinen Bruder später wieder der Polizei zu übergeben. Dies wurde ihm jedoch verwehrt und Mohamed Abu Essaoud Ismail von dem Beamten des Staatssicherheitsdienstes abgeführt. Ahmed erhielt keine Informationen darüber, was mit Mohamed geschehen werde.

Später am selben Tag rief Mohamed Abu Essaoud Ismail seinen Bruder an und sagte ihm, dass man ihn nach Bandar Mamouf im nördlich von Kairo gelegenen Regierungsbezirk Menoufiya verlegt hatte. Er werde dort mit ca. 50 Personen in einer kleinen Zelle festgehalten. Seine Familie durfte ihn an den darauf folgenden Tagen weder besuchen noch ihm Medikamente zukommen lassen, die er unter anderem für seine Diabetes benötigt.

Am 29. Januar rief der 24-jährige Mohamed al-Fateh Basyouni aus dem Gefängnis Fayoum, südlich von Kairo, seinen Bruder an und sagte, dass das Gefängnis in Flammen stünde. Seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört. Sein Bruder erkundigte sich bei dem Büro des Staatssicherheitsdienstes in Tanta im Norden des Landes nach ihm, da man ihn bislang immer dorthin gebracht hatte, wenn über die Verlängerung seiner Verwaltungshaft entschieden wurde. Er erhielt jedoch keine Antwort.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

In Ägypten herrscht seit fast 30 Jahren der Ausnahmezustand. Demnach kann jeder, bei dem auch nur der leiseste Verdacht darauf besteht, eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu sein, festgenommen und ohne Anklage und Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft festgehalten werden. In der Praxis können diese Personen so lange festgehalten werden, wie es die Behörden für richtig halten. Zwar führten die Behörden im Mai 2010 Änderungen ein, um die Anwendung von Sondergesetzen einzuschränken; diese waren jedoch kosmetischer Natur und haben in der Praxis nicht viel verändert. Diese Sondergesetze machen den Weg frei für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen wie geheime Haft, Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren. Sie sind außerdem ein bequemer Weg, RegierungskritikerInnen und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen. Selbst Personen, die nur ganz gewöhnlicher Vergehen verdächtigt wurden, fanden sich bereits in dem "schwarzen Loch" der Verwaltungshaft wieder. Verwaltungshaft wird außerdem häufig dazu verwendet, das reguläre Strafjustizsystem zu umgehen und Verdächtige für lange Zeit ohne Anklage und Gerichtsverfahren festzuhalten.

Mohamed Abu Essaoud Ismail hat dank der Sondergesetze bereits an die 20 Jahre ohne Anklage und Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft verbracht, trotz zahlreicher gerichtlicher Anordnungen für seine Freilassung. Er wurde am 26. Juni 1991 wegen Mitgliedschaft in der Gruppe Al-Gama'a al-Islamiya ('Islamische Gruppe'), damals eine bewaffnete islamistische Gruppe, festgenommen. Nachdem die Gruppe im Jahr 1997 der Gewalt abschwor, wurden tausende Mitglieder freigelassen. Mohamed Abu Essaoud Ismail wurde jedoch weiterhin unter schlechten Haftbedingungen im Gefängnis Wadi Natroon II festgehalten, obwohl er den Gewaltverzicht der Gruppe befürwortete. Berichten zufolge leidet er unter schweren Gesundheitsproblemen. Angemessene medizinische Versorgung sowie Besuch von seiner Familie sollen ihm nicht gestattet worden sein.

Mohamed al-Fateh Basyouni wird seit September 2009 im Gefängnis Fayoum ohne Anklage und Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft festgehalten. Er wurde festgenommen, als er aus dem Jemen - wo er wohnt - nach Ägypten kam, um seine Familie zu besuchen. Seitdem befindet er sich in Verwaltungshaft, obwohl seine Freilassung mehrfach gerichtlich angeordnet wurde. Seine Familie ist der Ansicht, dass er festgenommen wurde, weil sein Vater Ahmed Basyouni seit langem in Ägypten gesucht wurde. Der Vater war zuvor in Abwesenheit vor ein Militärgericht gestellt worden. Es ging hierbei um Vergehen, die die Sicherheit betreffen, in einem Fall des Jahres 1999, der als "Rückkehrer aus Albanien" ("Returnees from Albania") bekannt wurde.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie eindringlich auf, die Sicherheit von Mohamed Abu Essaoud Ismail und Mohamed al-Fateh Basyouni sowie aller anderen betroffenen Häftlinge zu garantieren. Geben Sie bitte die jeweiligen Aufenthaltsorte von Mohamed Abu Essaoud Ismail und Mohamed al-Fateh Basyouni an ihre Familien weiter und gestatten Sie den Männern Zugang zu medizinischer Versorgung und ihren Familienangehörigen.

- Ich appelliere an Sie, der gerichtlichen Anordnung zur Entlassung der beiden Männer aus der Verwaltungshaft Folge zu leisten.

- Ich fordere Sie höflich auf, unverzüglich eine umfassende, unparteiische und unabhängige Untersuchung der Gefängnisrevolten einzuleiten und alle für Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.


APPELLE AN

INNENMINISTER
Mahmoud Wagdy
25 El Sheikh Rihan Street
Bab al-Louk, Cairo, ÄGYPTEN
(korrekte Anrede: Dear Minister)
Fax: (00 20) 22 796 0682
E-Mail: moi@idsc.gov.eg
GENERALSTAATSANWALT
Abd El-Megeed Mahmoud
Dar al-Qadha al-'Ali
Ramses Street, Cairo, ÄGYPTEN
(korrekte Anrede: Dear Counsellor)
Fax: (00 20) 22 577 4716


KOPIEN AN

LEITERIN DER BEHÖRDE FÜR MENSCHENRECHTE IM AUßENMINISTERIUM
Laila Bahaa Eldin
Human Rights and International Humanitarian and Social Affairs , Ministry of Foreign Affairs
Corniche al-Nil, Cairo, ÄGYPTEN
Fax: (00 20) 22 574 9713

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN
S.E. Herrn Ramzy Ezz Eldin Ramzy
Stauffenbergstraße 6 - 7, 10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort.
Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 15. März 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the Egyptian authorities to guarantee the safety of Mohamed Abu Essaoud Ismail and Mohamed Abdel Fattah Basyouni and other detainees who might be at risk, disclose their whereabouts to their families and allow them access to a medical doctor and relatives.

- Urging them to implement the court decision ordering the release of both men from administrative detention.

- Calling on the Egyptian authorities to immediately open a thorough, impartial and independent investigation into the prison riots and hold anyone responsible for abuses to account.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-017/2011, AI-Index: MDE 12/006/2011, Datum: 1. Februar 2011 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2011