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AKTION/506: Urgent Action - Jemen - Drohungen gegen Menschenrechtsaktivist


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-014/2011, AI-Index: MDE 31/003/2011, Datum: 27. Januar 2011 - am

JEMEN
Drohungen gegen Menschenrechtsaktivist


Frau TAWAKKOL KARMAN

Die Menschenrechtsaktivistin Tawakkol Karman könnte in Gefahr sein. Berichten zufolge erhielt ein Familienmitglied am 26. Januar einen Anruf, bei dem man das Leben der Menschenrechtlerin bedrohte. Amnesty International ist überzeugt, dass Tawakkol Karman bedroht wird, weil sie sich engagiert und kürzlich im Jemen an Protesten und Sitzstreiks teilgenommen bzw. diese organisiert hat.

Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge erhielt Tawakkol Karmans Bruder am 26. Januar einen Anruf, bei dem er aufgefordert wurde, seine Schwester davon abzuhalten, ihr Haus zu verlassen. Andernfalls würden "diejenigen, die das Gehorsamsgebot schwächen, getötet". Tawakkol Karman, die Präsidentin der jemenitischen Nichtregierungsorganisation Women Journalists Without Chains, war am 23. Januar festgenommen worden, nachdem sie tags zuvor an einer Studentendemonstration teilgenommen hatte, die aus Solidarität mit den Demonstrierenden in Tunesien stattfand und bei der der Rücktritt des jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh gefordert wurde. Am 24. Januar ließ man Tawakkol Karman frei, zuvor klagte man sie jedoch wegen der Teilnahme an nicht genehmigten Protesten an. Bei den Demonstrationen am 23. Januar wurden neben Tawakkol Karman auch dutzende weitere AktivistInnen festgenommen. Die meisten hat man am Folgetag wieder freigelassen. Gegen sie wurde ebenfalls aufgrund der Teilnahme an nicht genehmigten Protesten Klage erhoben.

Tawakkol Karman hat gegenüber Amnesty International gesagt, dass sie solche Drohungen ernst nimmt, und glaubt, dass die Behörden dafür verantwortlich sind. In der Vergangenheit ist sie schon mehrmals von Menschen, die nach ihrer Einschätzung den Behörden nahe stehen, gewarnt worden, sie sei in Gefahr und solle vorsichtig sein. Die Menschenrechtsaktivistin will ihrer Arbeit trotz der Drohungen auch weiterhin nachgehen. "Ich werde weitermachen", sagte sie Amnesty International. "Ich habe mich für diesen Weg entschieden und letzten Endes muss man dann eben auch die Konsequenzen tragen. Die Menschen protestieren friedlich und werden deshalb unterdrückt."


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die jemenitische Regierung zeigt sich unabhängigen Medien und KritikerInnen gegenüber zunehmend unduldsam. JournalistInnen, HerausgeberInnen und VerlegerInnen werden festgenommen, in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gehalten, misshandelt und auf der Grundlage fadenscheiniger Anklagen in unfairen Gerichtsverfahren zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Angehörige der Sicherheitskräfte durchsuchen die Büros von Zeitungen und Fernsehsendern und schießen auf friedliche Demonstrierende, die gegen die Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung protestieren. Außerdem hat man einige Zeitungen geschlossen und Nachrichtenwebsites gesperrt.

In der jemenitischen Verfassung wird die Meinungsfreiheit garantiert. Nichtsdestotrotz wird dieses Recht durch Gesetze und Maßnahmen untergraben, insbesondere durch das Presse- und Publikationsgesetz von 1990 (Press and Publications Law) und das im Mai 2009 gegründete Gericht für Presse und Publikationen (Specialized Press and Publications Court). Das Gericht verfolgt offenbar das Ziel, abweichende Meinungen zu unterdrücken, indem RegierungskritikerInnen in Schnellverfahren verurteilt werden.

Im Mai 2007 hatte die Organisation Women Journalists Without Chains (Journalistinnen ohne Ketten) als Reaktion auf die zunehmende Schikane und Einschüchterung von MenschenrechtlerInnen und JournalistInnen im Jemen begonnen, Sitzstreiks zu organisierenm berichtete Tawakkol Karman Amnesty International im März 2010. Die Sitzstreiks fanden anfangs jeden Dienstag statt, weiteten sich jedoch mit der Zeit aus. Mittlerweile geht es bei den Sitzstreiks nicht mehr nur um die Einschränkungen der Pressefreiheit. Heute nutzen Menschen mit allen möglichen Menschenrechtsbelangen die Sitzstreiks, um mit anderen zu demonstrieren, Teil des Protests zu sein und ihren Belangen Ausdruck zu verleihen. "Die Sitzstreiks sind ein Zufluchtsort für die Unterdrückten geworden", sagte Tawakkoli Karman.

Delegierte von Amnesty International erfuhren am eigenen Leib, wie feindselig die Behörden auf den Versuch reagieren, über Demonstrationen für die Meinungsfreiheit zu berichten. Bei einer von Women Journalists Without Chains organisierten, friedlichen Demonstration im März 2010 in Sana'a drohten PolizistInnen einer Vertreterin von Amnesty International mit einer Kamera, sie zu verhaften und anzuklagen, wenn sie versuchen sollte, ein Foto der friedlichen Proteste zu machen. Die PolizistInnen behaupteten, dass die bloße Anwesenheit der Delegierten gegen das Gesetz verstoße, obwohl die Organisation ihre Demonstration friedlich und an einem öffentlichen Ort abhielt. Die Amnesty-Delegierten beobachteten außerdem, wie einer der Demonstrierenden, der eine Kamera mitführte, von der Polizei verhaftet wurde. Nachdem andere Demonstrierende dagegen protestiert hatten, wurde er wieder freigelassen, jedoch ohne seine Kamera. Während der Demonstration filmten und fotografierten Männer in Zivil, die allem Anschein nach Angehörige der Sicherheitskräfte waren, die DemonstrationsteilnehmerInnen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich appelliere an Sie, in Übereinstimmung mit den Wünschen von Tawakkol Karman Schutzmaßnahmen für sie zu ergreifen.

- Ich fordere Sie auf, umgehend eine umfassende und unparteiische Untersuchung der Drohungen gegen Tawakkol Karman einzuleiten und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

- Ich fordere Sie außerdem höflich auf, Demonstrierenden zu gestatten, ihre politische Meinung öffentlich zu äußern.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
His Excellency Ali Abdullah Saleh
Office of the President of the Republic of Yemen
Sana'a
JEMEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 967) 1 274 147

JUSTIZMINISTER
His Excellency Dr Ghazi Shaif al-Aghbari
Ministry of Justice
Sana'a
JEMEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Tel: (00 967) 1 256 933
Fax: (00 967) 1 222 015
E-Mail: moj@yemen.net.ye


KOPIEN AN

MENSCHENRECHTSMINISTERIN
Her Excellency Dr Huda Ali Abdullatef Alban
Ministry for Human Rights
Sana'a
JEMEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 967) 1 419 700 (bitte mehrmals versuchen)
E-Mail: mshr@y.net.ye

BOTSCHAFT DER REPUBLIK JEMEN
S.E. Herrn Prof. Dr. Mohammed L. Al-Eryani
Budapester Str. 37
10787 Berlin
Fax: 030-8973 0562
E-Mail: info@botschaft-jemen.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort.
Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 10. März 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the Yemeni authorities to ensure Tawakkol Karman's safety in accordance with her wishes;

- Calling on the Yemeni authorities to conduct an immediate, impartial and thorough investigation into the threats made against Tawakkol Karman, and hold those responsible to account;

- Calling on the Yemeni authorities to allow demonstrators to take to the streets and express their political opinions in a peaceful manner.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-014/2011, AI-Index: MDE 31/003/2011, Datum: 27. Januar 2011 - am
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2011