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AKTION/497: Urgent Action - Iran - Hossein Khezri hingerichtet, Zeynab Jalalian in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-088/2010-3, AI-Index: MDE 13/009/2011, Datum: 20. Januar 2011 - gs

UA-088/2010-3
Iran: Kurde (Hossein Khezri) hingerichtet
Ebenfalls in Haft ZEYNAB JALALIAN

Weitere Informationen zu UA-088/2010 (MDE 13/038/2010, 21. April 2010, MDE 13/104/2010, 19. November 2010, und MDE 13/006/2011 [UA-088/2010-2, wurde zentral gestoppt])


HOSSEIN KHEZRI, etwa 28-jähriger Kurde
ZEYNAB JALALIAN, etwa 28-jährige Kurdin

Hossein Khezri, ein Mitglied der kurdischen Minderheit im Iran, ist vermutlich am 15. Januar 2011 im Nordwesten des Landes hingerichtet worden. Er war aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK) der "Feindschaft zu Gott" schuldig gesprochen worden. Die iranischen Behörden haben verlauten lassen, dass am 15. Januar 2011 ein PJAK-Mitglied hingerichtet worden ist, den Namen der betreffenden Person haben sie jedoch nicht mitgeteilt. Am 5. Januar 2011 besuchten Familienangehörige Hossein Khezri im Zentralgefängnis von Oromieh. Sie erfuhren von ihm, dass die Behörden ihn unter Druck gesetzt hatten, vor laufender Kamera ein "Geständnis" abzulegen. Er sollte einräumen, an regierungsfeindlichen bewaffneten Aktivitäten beteiligt gewesen zu sein und mehrere Menschen getötet zu haben. Er habe aber kein "Geständnis" abgelegt, da er keinen Mord begangen habe.

Am 13. Januar 2011 teilten MitarbeiterInnen des Revolutionsgerichts von Oromieh dem Bruder von Hossein Khezri mit, der Hinrichtungsbefehl sei ihnen von der Staatsanwaltschaft zugestellt worden. Als die Familie ihn daraufhin in der Haftanstalt besuchen wollte, wurde sie nicht zu ihm vorgelassen. Man riet ihr, am 15. Januar erneut vorzusprechen. Doch auch an diesem Tag erhielt die Familie keine Besuchserlaubnis. Später erfuhr sie, dass eine der Justizbehörden der Provinz West-Aserbaidschan die Hinrichtung eines nicht namentlich genannten PJAK-Mitglieds bekannt gegeben hatte. Die Familie befürchtet, dass es sich um Hossein Khezri gehandelt haben könnte. Eine offizielle Bestätigung der Hinrichtung ihres Angehörigen haben sie nicht erhalten. Auch wurden ihnen weder die Leiche von Hossein Khezri noch persönliche Gegenstände des Gefangenen ausgehändigt. Hossein Khezri war 2008 in Kermanshah festgenommen worden. Er hatte eingeräumt, sich politisch engagiert zu haben, die Anwendung von Gewalt jedoch kategorisch bestritten. Das vom Revolutionsgericht in Oromieh gegen ihn verhängte Todesurteil wurde im August 2009 bestätigt. Im März 2010 wurde der Antrag von Hossein Khezri abgewiesen, die von ihm erhobenen Foltervorwürfe zu untersuchen. Zeynab Jalalian, einer etwa 28-jährigen Kurdin, droht ebenfalls die Hinrichtung. Sie war ähnlicher Anklagen wie Hossein Khezri schuldig gesprochen worden. Der Gesundheit der 28-Jährigen ist stark angegriffen, möglicherweise als Folge der in der Haft erlittenen Folterungen und anderweitigen Misshandlungen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen erklärte in einem Bericht aus dem Jahr 2006 über Transparenz und die Verhängung der Todesstrafe, dass "fehlende Transparenz das Recht auf einen fairen Prozess verletzt sowie eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe darstellt. Zum Tode verurteilte Personen, ihre Familien und Rechtsanwälte müssen zeitige und verlässliche Informationen über den Stand anhängiger Prozesse, Rechtsmittelverfahren, Begnadigungsanträge und Hinrichtungen erhalten".

Zeynab Jalalian wurde Anfang des Jahres 2009 vom Revolutionsgericht in Kermanshah zum Tode verurteilt. Zuvor hatte sie acht Monate lang in einer Hafteinrichtung des Geheimdienstministeriums zugebracht, wo sie eigenen Angaben zufolge gefoltert wurde. Ihre Familie blieb während all dieser Monate ohne jede Nachricht über das Befinden von Zeynab Jalalian und ihre Behandlung. Während ihres offenbar nur wenige Minuten dauernden Prozesses stand Zeynab Jalalian kein Rechtsbeistand zur Seite. Das gegen sie verhängte Todesurteil wurde am 26. November 2009 vom Obersten Gerichtshof bestätigt. Im Dezember 2010 berichtete ein Zeuge, der zusammen mit Zeynab Jalalian inhaftiert gewesen war, sie sei mit Schlägen auf die Fußsohlen gequält worden. Anschließend habe man ihr mit einer zerbrochenen Glasflasche auf den Kopf geschlagen und dadurch schwere Blutungen ausgelöst. Offenbar infolge der Folterungen und Misshandlungen ist Zaynab Jalalian in schlechter gesundheitlicher Verfassung.


EMPFOHLENE AKTIONEN:

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich appelliere an Sie, die Namen der Hingerichteten bekannt zu geben und für den Fall, dass Hossein Khezri noch lebt, das gegen sie verhängte Todesurteil nicht zu vollstrecken. Die Leiche und persönliche Gegenstände der hingerichteten Person sollten ihrer Familie übergeben werden, sofern dies gewünscht wird

- Bitte wandeln sie das gegen Zeynab Jalalian verhängte Todesurteil in eine Freiheitsstrafe um und gewähren Sie ihr ein faires Verfahren entsprechend internationalen Standards, in dem keine Beweise zugelassen werden, die durch Folter oder andere Misshandlungen erlangt wurden.

- Stellen Sie bitte sicher, dass die von Zeynab Jalalian erhobenen Foltervorwürfe unverzüglich und von unparteiischer Seite untersucht, die für Folter Verantwortlichen vor Gericht gebracht und Zeynab Jalalian in angemessener Weise medizinisch versorgt wird.


APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid Keshvar Doust Street Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: info_leader@leader.ir oder über die Website
http://www.leader.ir/langs/de/index.php?p=letter

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[Care of] Public Relations Office
Number 4, 2 Azizi Street
Vali Asr Ave., south of Pasteur Street intersection
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: bia.judi@yahoo.com (Betreff: FAO Ayatollah Sadegh Larijani)


KOPIEN AN

LEITER DER IRANISCHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
Mohammad Javad Larijani
High Council for Human Rights

[Care of] Office of the Head of the Judiciary Pasteur St, Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhuri, Tehran 1316814737 IRAN E-Mail: info@humanrights-iran.ir (Betreff: FAO Mohammad Javad Larijani)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de


BITTE SCHREIBEN SIE IHRE APPELLE MÖGLICHST SOFORT.
Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. März 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the Iranian authorities to make public the name of the executed individual and if Hossein Khezri is still alive, not to execute him. The body and personal effects of the executed person should be returned to his or her family if the family members wish it.

- Calling on the authorities to commute Zeynab Jalalian's death sentence and to retry her in fair proceedings in line with international law and to disregard any evidence obtained as a result of torture or other ill-treatment and without recourse to the death penalty.

- Urging them to ensure that Zeynab Jalalians's allegations of torture are immediately and impartially investigated, that anyone responsible for such abuse is brought to justice and that she is granted adequate medical care.


Fortsetzung
HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Über den Verbleib von Hossein Khezri herrschte nach dem Besuch seiner Familie am 5. Januar Ungewissheit. Nach Bekanntwerden von Berichten, dass er womöglich nach Teheran verlegt worden ist, um dort hingerichtet zu werden, teilte sein Rechtsanwalt der Menschenrechtsorganisation Committee of Human Rights Reporters (CHRR) mit, dass sein Mandant nach iranischem Recht in der Stadt hingerichtet werden kann, in der das Todesurteil verhängt wurde. Er müsse dafür nicht in eine andere Stadt gebracht werden. Er hoffe daher, die Verlegung von Hossein Khezri bedeute, dass der Fall nochmals geprüft werde. Außerdem, so der Anwalt, warte er noch auf Nachricht, ob der Oberste Gerichtshof seinem Antrag auf letztinstanzliche Überprüfung von Schuldspruch und Strafmaß stattgeben wird. In der Zwischenzeit könne nichts weiter unternommen werden, um die örtliche Justiz von der Hinrichtung seines Mandanten abzuhalten.

In einem Brief vom Oktober 2010, den er in Trakt 12 des Oromieh-Gefängnisses verfasst hatte, schilderte Hossein Khezri, wie er in Hafteinrichtungen der Revolutionsgarden in Karmanshah und Oromieh im Nordwesten des Landes sowie in einem Haftzentrum des Geheimdienstministeriums unter anderem mit Drohungen gegen seine Familie und seine eigene Person, Fußtritten in die Genitalien und gegen die Beine sowie schweren Schlägen mit Knüppeln am ganzen Körper gequält worden war. Er habe Prellungen und Entzündungen davongetragen. Hossein Khezri legte gegen seine Behandlung Beschwerde ein und wurde daraufhin im Februar 2010 für drei Tage in eine Einrichtung des Geheimdienstministeriums verlegt, wo man ihn zu seiner Beschwerde befragte. Als sein Vater erfuhr, dass Hossein Khezri verlegt worden war, erlitt er einen tödlichen Herzschlag. Offenbar war er davon ausgegangen, dass man seinen Sohn hingerichtet hatte. Hossein Khezri berichtete ferner, ihm sei mitgeteilt worden, dass man das Todesurteil in eine Haftstrafe umwandeln werde, falls er bereit sei, im Fernsehen ein "Geständnis" abzulegen. Dieses Ansinnen habe er zurückgewiesen. "Mir ist der Zeitpunkt meiner Hinrichtung nicht mitgeteilt worden", so Hossein Khezri. "Ich weiß nicht, ob es morgen passieren wird oder erst übermorgen, vielleicht sogar schon die kommende Nacht. Ich darf keine Besuche empfangen und nicht einmal irgendeiner Person auch nur mitteilen, dass ich noch am Leben bin." Die KurdInnen sind eine der zahlreichen ethnischen Minderheiten im Iran und leben vor allem im Westen und Nordwesten des Landes, in der Provinz Kordestan und in Nachbarprovinzen, die an kurdische Gebiete in der Türkei und im Irak grenzen. Sie sind religiöser, wirtschaftlicher und kultureller Diskriminierung ausgesetzt. Daher führten kurdische Organisationen wie die Demokratische Partei Kurdistan-Iran (KDPI) und die marxistische Gruppe Komala jahrelang einen bewaffneten Kampf gegen die Islamische Republik Iran. Die 2004 gegründete Partei für ein Freies Leben in Kurdistan (PJAK) setzt sich für einen demokratisch organisierten iranischen Staat ein, "in dem sich alle Bürger: Iraner, Kurden, Aserbaidschaner, Belutschen, Turkmenen, Araber und alle anderen ethnischen Gruppen im Rahmen des demokratischen Systems selbst verwalten können". Die Partei verübte anfänglich Anschläge gegen iranische Sicherheitskräfte, hat aber 2009 einen Waffenstillstand erklärt. Es kommt allerdings nach wie vor zu bewaffneten Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften, die die PJAK als "Selbstverteidigung" bezeichnet. Am 19. Oktober 2010 forderte die PJAK eine friedliche Lösung der "Kurdenfrage" im Iran. Am 16. Januar 2011 hat die PJAK eine Erklärung veröffentlicht, in der sie eine "angemessene Reaktion" auf die von ihr für sicher gehaltene Hinrichtung von Hossein Khezri am 15. Januar bewirbt und zu einer Woche des "Widerstands" gegen den Iran aufruft. Amnesty International verurteilt Anschläge auf die Zivilbevölkerung sowie willkürlich und unangemessene Angriffe, die gegen Grundsätze des humanitären Völkerrechts verstoßen.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-088/2010-3, AI-Index: MDE 13/009/2011, Datum: 20. Januar 2011 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2011