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AKTION/493: Urgent Action - Schweden - Drohende Abschiebungen in den Irak am 19.1.11


URGENT ACTION
UA-Nr: UA-006/2011, AI-Index: EUR 42/001/2011, Datum: 17. Januar 2011 - fp

Schweden: Drohende Abschiebungen in den Irak am 19.1.11


Amnesty International hat Berichte erhalten, dass die schwedischen Behörden für den 19. Januar die Abschiebung von mehreren Personen nach Bagdad vorbereiten, deren Asylanträge in Schweden abgelehnt worden sind. Das Leben dieser Menschen wäre im Irak in Gefahr. Aus verlässlichen Quellen verlautet, dass mehreren Asylsuchenden die Abschiebung in die irakische Hauptstadt Bagdad droht. Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge sollen sich unter den AsylbewerberInnen mindestens 14 Personen befinden, die aus besonders gefährlichen Provinzen wie Bagdad, Kirkuk und Ninewa (Mosul) stammen, Personen, die ethnischen oder religiösen Minderheiten angehören und daher besonders bedroht sind, oder Personen, denen aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer politischen Einstellung Verfolgung droht.

Die schwedischen Behörden halten an Abschiebungen von irakischen Staatsangehörigen fest, deren Asylanträge abgelehnt wurden, obwohl sich der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) in seinen Richtlinien deutlich dagegen ausspricht. In den Jahren 2009 und 2010 schoben die schwedischen Behörden eine Reihe von irakischen Staatsangehörigen, deren Asylanträge abgelehnt worden waren, in gemeinsam mit anderen europäischen Staaten organisierten Charterflügen ab. Zu diesen Staaten gehören Norwegen, die Niederlande und Großbritannien. Erst am 15. Dezember 2010 schob Schweden etwa 20 IrakerInnen nach Bagdad ab. Der UNHCR, der am 17. Dezember seine Einwände gegen solche Abschiebungen erneut bekräftigte, stellte fest, dass sich unter den abgeschobenen Personen fünf ChristInnen aus Bagdad befanden. Im Irak werden ChristInnen immer wieder entführt und umgebracht. Im Jahr 2010 wurden Dutzende christliche Gläubige getötet, insbesondere in Bagdad und Mosul, und Kirchen wurden bombardiert.

Amnesty International geht davon aus, dass es nicht sicher ist, Menschen in die irakischen Provinzen Ninewa (Mosul), Kirkuk, Diyala, Salah al-Din und Bagdad sowie andere besonders gefährliche Provinzen wie Al Anbar zurückzuschicken. Alle Personen, denen die Abschiebung in eine dieser Provinzen droht, sollten den Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutz erhalten, ungeachtet dessen, ob sie aus diesen Gegenden stammen oder nicht. In diesen Regionen des Irak bestehen stichhaltige Gründe für internationalen Schutz, da durch Gewalt oder andere Ereignisse, welche die öffentliche Ordnung in hohem Maße stören, für viele Menschen weiterhin willkürliche Gefahr für Leben, körperliche Integrität und Freiheit besteht.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Schweden ist nach nationalem und internationalem Recht, der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, dem Übereinkommen gegen Folter und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte verpflichtet, niemanden in ein Land abzuschieben, in dem ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, wie willkürliche Bedrohungen für Leben, körperliche Integrität und Freiheit.

Im April 2010 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht, der die Risiken für Menschen aufzeigt, die gegen ihren Willen in den Irak zurückkehren müssen und die besonders gefährdet sind, Opfer von Gewalt zu werden. (Iraq: Civilians under Fire, MDE 14/002/2010 auf www.amnesty.org)

Mindestens fünf europäische Länder - Norwegen, Schweden, Dänemark, Großbritannien und die Niederlande - haben hunderte irakische Staatsangehörige abgeschoben, deren Asylanträge seit 2009 abgelehnt worden waren. Allein im September 2010 wurden über 150 Personen von diesen Ländern in den Irak zurückgebracht. Die meisten dieser Abschiebungen wurden entgegen der Richtlinien des UNHCR vom April 2009 durchgeführt, obwohl die Richtlinien später mehrmals bekräftigt wurden, zuletzt im September 2010. Darin werden besonders gefährliche Regionen im Irak benannt, darunter die Provinzen Ninewa (Mosul), Kirkuk, Salah al-Din, Diyala und Bagdad. Niemand sollte den Richtlinien zufolge in eine dieser Provinzen abgeschoben werden. Der UNHCR empfahl außerdem, dass keine Abschiebungen in andere Regionen des Irak durchgeführt werden sollen, es sei denn, zuvor hat eine individuelle Prüfung stattgefunden, die darauf hinweist, dass eine Rückkehr der betroffenen Person sicher ist.

Immer noch werden im Irak jeden Monat hunderte Zivilpersonen getötet und verstümmelt, trotz der seit 2008 insgesamt zurückgehenden Zahl der Getöteten. Bewaffnete Gruppen, Milizen, Sicherheitskräfte und Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen begehen im Irak Menschenrechtsverletzungen. Die kürzlich von der Internet-Plattform Wikileaks veröffentlichten geheimen Dokumente des US-Militärs zur Situation im Irak zeigen erneut, dass Zivilpersonen die Hauptopfer der andauernden Gewalt im Land sind.

Tatsächlich sind die Zahlen irakischer Flüchtlinge, die in Europa Asyl suchen, im Vergleich zu den derzeitigen Flüchtlingszahlen in den Nachbarstaaten des Irak gering. Syrien nimmt mit Abstand die meisten Flüchtlinge aus dem Irak auf, darauf folgen Jordanien und andere Nahoststaaten. Amnesty International befürchtet, dass die zunehmenden Abschiebungen aus Schweden und anderen europäischen Staaten ein sehr schlechtes Vorbild für die Nahoststaaten sind, die durch den Zustrom von Flüchtlingen aus dem Irak an ihre Grenzen stoßen. Außerdem könnte dies zu einer weltweiten Verschlechterung des Schutzes von Flüchtlingen beitragen.

Detaillierte Informationen zu den von Amnesty International geäußerten Sorgen über Abschiebungen in den Irak finden Sie in der am 10. November 2010 veröffentlichten Stellungnahme (European states must stop forced returns to Iraq, EUR 01/028/2010, auf www.amnesty.org)


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bitte Sie eindringlich, keine Personen mehr in den Irak abzuschieben, insbesondere nicht in die Provinzen Ninewa (Mosul), Kirkuk, Diyala, Salah al-Din, Bagdad und andere besonders gefährliche Provinzen wie Al Anbar, da sie dort in großer Gefahr wären, verfolgt zu werden oder Schaden an Leib und Leben zu nehmen.

- Ich möchte Sie dringend auffordern, irakischen Asylsuchenden Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutz zu gewähren und auch diejenigen IrakerInnen, die einen solchen Schutz nicht erhalten, nicht abzuschieben, wenn sie dadurch in Gefahr geraten.

- Ich möchte Sie daran erinnern, dass Schweden durch die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention und das UN-Übereinkommen gegen Folter verpflichtet ist, niemanden abzuschieben oder in anderer Weise in ein Land oder Staatsgebiet zu bringen, in dem ihnen Verfolgung oder ernsthafter Schaden drohen, dazu gehören auch Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen wie die willkürliche Gefahr für ihr Leben, ihre körperliche Integrität oder ihre Freiheit aufgrund der alltäglich herrschenden Gewalt.


APPELLE AN

MINISTER FÜR MIGRATION UND ASYLPOLITIK
Tobias Billström
Minister for Migration and Asylum Policy
Ministry of Justice
Rosenbad 4, 103 33 - Stockholm
SCHWEDEN
(korrekte Anrede: Dear Minister)
Fax: (0046) 820 2734
E-Mail: registrator@justice.ministry.se

LEITER DER EINWANDERUNGSBEHÖRDE
Director-General Dan Eliasson
601 70 Norrköping, SCHWEDEN
(korrekte Anrede: Dear Mr Eliasson)
Fax: (0046) 1110 8155
E-Mail: dan.eliasson@migrationsverket.se

KOPIEN AN
BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SCHWEDEN
S.E. Herrn Staffan Carlsson
Rauchstr. 1, 10787 Berlin
Fax: 030-5050 67 89
E-Mail: ambassaden.berlin@foreign.ministry.se


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Schwedisch, Englisch oder auf Deutsch. Da die Abschiebung bereits am 19. Januar 2011 stattfinden soll, schreiben Sie ihre Appelle bitte sofort.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY:

- Urging the Swedish authorities not to proceed with forcible returns of individuals to Iraq, particularly to the provinces of Ninewa (Mosul), Kirkuk, Diyala, Salah al-Din and Baghdad, and other particularly dangerous areas such as parts of Al Anbar province, due to their facing a real risk of persecution or serious harm.

- Calling on the Swedish authorities to grant Iraqi asylum-seekers facing return to these provinces asylum or alternative protection, and where Iraqis do not qualify for such protection, nonetheless not to forcibly remove them if doing so would place them at real risk of persecution or serious harm.

- Reminding the Swedish authorities that Sweden is obliged, under the 1951 Refugee Convention, the European Convention on Human Rights and the Convention against Torture, not to return or otherwise remove anyone to any country or territory where they would face a real risk of persecution or serious harm, including grave human rights abuses such as indiscriminate threats to life, physical integrity or freedom arising from generalized violence.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION, UA-Nr: UA-006/2011, AI-Index: EUR 42/001/2011
Datum: 17. Januar 2011 - fp
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2011