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AKTION/486: Reaktionen und Erfolge, Dezember 2010/Januar 2011


amnesty journal 01/2011 - Das Magazin für die Menschenrechte

Reaktionen und Erfolge

USA, Großbritannien, Türkei, Paraguay, Demokratische Republik Kongo, Vietnam: Ausgewählte Ereignisse vom 2. September bis 10. November 2010
Nigeria: Transparenz statt Zwangsräumung
Mexiko: Auszeichnung für mutigen Journalisten
Äthiopien: Oppositionsführerin wieder frei
Republik Moldau: Erfolg für das internationale Recht
Togo: Aus der Haft entlassen
Syrien: Aus der Haft entlassen
Indien: Erfolg für indigene Gemeinschaft
Bangladesch: Textilarbeiterinnen sind wieder frei
Iran: Ende der Einzelhaft
Guatemala: Präsident gegen Todesstrafe


Ausgewählte Ereignisse vom 2. September bis 10. November 2010

USA
Als Omar Khadr im Juli 2002 von US-Soldaten in Afghanistan festgenommen wurde, war er 15 Jahre alt. Danach verbrachte er mehr als acht Jahre hinter den Gefängnismauern von Guantánamo. Im Oktober 2010 gestand Khadr, als 15-Jähriger einen US-Soldaten getötet zu haben. Amnesty International kritisierte die US-Behörden dafür, internationale Regeln im Umgang mit Kindern und Jugendlichen missachtet zu haben. Khadr ist in Kanada geboren. Den Rest seiner Strafe, vermutlich weitere sieben Jahre, wird er dort verbüßen müssen.

GROSSBRITANNIEN
Misshandlung und Folter. Das sind die Vergehen, die britische Einheiten im Rahmen ihrer Auslandseinsätze im Anti-Terror-Kampf begangen haben sollen. Bereits im Juli hat Premierminister David Cameron eine Untersuchung der Vorfälle angekündigt. Jetzt haben Amnesty International und acht weitere NGOs in einem Brief an den Leiter der Untersuchung, Sir Peter Gibson, die vollständige und transparente Aufklärung der Vorwürfe gefordert. Wann die Untersuchung beginnen soll, ist noch unklar.

TÜRKEI
Die türkische Regierung trägt eine Teilverantwortung am Mord des Journalisten Hrant Dink. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden und die Türkei zu Schadenersatzzahlungen in Höhe von 105.000 Euro verurteilt. Nach Meinung der Richter hätten die türkischen Behörden nicht eingegriffen, obwohl sie von einer Gefährdung des Journalisten wussten. Amnesty International begrüßte das Urteil und forderte die türkischen Behörden gleichzeitig auf, alle Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.

PARAGUAY
Die Mitglieder der Xákmok Kásek, einer indigenen Bevölkerungsgruppe in Paraguay, haben das Recht, in ihr urspüngliches Siedlungsgebiet zurückzukehren. Das hat der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in Costa Rica entschieden. Seit über 20 Jahren verwehren die Behörden den Familien den rechtmäßigen Zugang zu ihrem Land. Amnesty International forderte die Regierung auf, die Rechte der indigenen Bevölkerung nicht länger zu ignorieren. Bereits zweimal wurde Paraguay wegen ähnlicher Fälle verurteilt.

DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO
Die UNO hat den bisher umfangreichsten Bericht zu Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen Republik Kongo veröffentlicht. Der Report, der den Zeitraum von 1993 bis 2003 abdeckt, verweist außerdem auf die mangelnde Funktionsfähigkeit des kongolesischen Justizsystems. Die Veröffentlichung sei ein wichtiger Schritt zur Aufklärung, sagte Salil Shetty, Generalsekretär von Amnesty International. Nun müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

VIETNAM
Weil drei Vietnamesen ihrer Arbeit als Gewerkschafter nachgingen, müssen sie sieben- bis neunjährige Haftstrafen verbüßen. Mit der Begründung, die "Sicherheit zu gefährden", wurden sie in einem gerichtlichen Schnellverfahren verurteilt. Die Gewerkschafter hatten in einer Fabrik Flugblätter verteilt und sich für die Rechte der Arbeiter eingesetzt. Amnesty International verurteilte die Inhaftierung und forderte die sofortige Freilassung.


Einsatz mit Erfolg

Weltweit beteiligen sich Tausende Menschen mit Appellschreiben an den "Urgent Actions", den "Briefen gegen das Vergessen" und an Unterschriftenaktionen von Amnesty International. Dass dieser Einsatz drohende Menschenrechtsverletzungen verhindert und Menschen in Not hilft, zeigen diese Beispiele.


Transparenz statt Zwangsräumung

Nigeria - Etappensieg für die Bewohner von Port Harcourt. Die Baubehörden der nigerianischen Hafenstadt haben versichert, die Pläne für die Umgestaltung des Hafengebiets zu veröffentlichen und in einer einfachen Kurzfassung für Bewohner und zivilgesellschaftliche Gruppen zugänglich zu machen.

Auf dem betreffenden Gelände im Hafengebiet soll ein Geschäfts- und Freizeitzentrum errichtet werden. Nach Informationen von Amnesty International müssen mehr als 200.000 Einwohner befürchten, ihre Wohnung zu verlieren und Opfer von Zwangsräumungen zu werden. Die Zugeständnisse der Baubehörde sind auch eine Reaktion auf den Ende Oktober veröffentlichten Amnesty-Bericht "Just move them. Forced Evictions in Port Harcourt, Nigeria". Darin kritisiert Amnesty eine Zwangsräumung von Bewohnern der Siedlung Njemanze im nördlichen Hafengebiet im August 2009.

Eine bereits für den vergangenen September von den nigerianischen Behörden angekündigte Zwangsräumung konnte zunächst verhindert werden. Amnesty und andere zivilgesellschaftliche Gruppen hatten vehement dagegen protestiert und in einer Eilaktion fast 30.000 Unterschriften gesammelt. Die große internationale Aufmerksamkeit konnte bislang verhindern, dass diese Bewohner ihre Häuser verlassen müssen.


Auszeichnung für mutigen Journalisten

Mexiko - Sein unermüdlicher Einsatz hat sich gelohnt: Am 5. Dezember 2010 wird der mexikanische Journalist Pedro Matías Arrazola den Johann-Philipp-Palm-Preis für Presse- und Meinungsfreiheit in Empfang nehmen.

"Der Preis ist sehr wichtig für mich", sagte der 46-Jährige, als er die Nachricht erhielt, "aber noch wichtiger ist er für den unabhängigen Journalismus in Mexiko." Arrazola kommt aus dem Bundesstaat Oaxaca, wo es immer wieder zu schweren Menschenrechtsverletzungen kommt. Der Journalist berichtet über brisante Themen wie soziale Missstände oder das organisierte Verbrechen. Seit 1986 macht er diese Arbeit, zum Beispiel für das unabhängige Magazin "Proceso". Welcher Gefahr man sich als Journalist in Mexiko aussetzt, erfuhr er im Oktober 2008, als er entführt und gefoltert wurde. "Ich sollte eingeschüchtert werden", sagt Arrazola heute. Nach seiner Freilassung ging er ins Exil - auch nach Deutschland, wo er für den Preis der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte nominiert war. Wenn Arrazola den Preis entgegennimmt, wird er gemeinsam mit der Iranerin Mahboubeh Abbasgholizadeh auf der Bühne stehen. Auch sie hat sich um die Meinungsfreiheit verdient gemacht. Bei der Suche nach Kandidaten wird die Palm-Stiftung, die den Preis auslobt, von Amnesty unterstützt.


Oppositionsführerin wieder frei

Äthiopien - Birtukan Mideksa, Vorsitzende der größten äthiopischen Oppositionspartei "Union für Demokratie und Gerechtigkeit" (UDJ), ist nach 22 Monaten Gefängnis Anfang Oktober freigelassen worden. Sie hatte im November 2005, nach dem offensichtlichen Wahlbetrug der Regierungspartei, Demonstrationen mit angeführt, die niedergeschlagen wurden und knapp 200 Menschen das Leben kosteten. Tausende Regimegegner wurden damals verhaftet, darunter auch Mideksa, die kurz darauf zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Gemeinsam mit anderen Oppositionspolitikern wurde sie 2007 begnadigt, saß aber bereits ein Jahr später erneut im Gefängnis. "Mideksa wurde inhaftiert, nur weil sie friedlich ihr Recht auf Meinungsäußerung in Anspruch nahm", erklärte ein Amnesty-Sprecher. Die Parlamentswahlen im Frühjahr 2010 gewann die Regierungspartei von Premierminister Meles Zenawi mit 99,6 Prozent. Die Opposition ist noch mit einem Sitz im Parlament vertreten.


Erfolg für das internationale Recht

Republik Moldau - Als 114. Staat hat die Republik Moldau im Oktober das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofes unterzeichnet. Der Unterzeichnung gingen zehn Jahre voraus, in denen Amnesty International in dem osteuropäischen Land zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen für Zustimmung geworben hatte. "Langsam, aber sicher unterzeichnen immer mehr Staaten das Statut", erklärte Amnesty-Sprecher Christopher Keith Hall. Er zeigte sich zugleich besorgt darüber, dass viele dieser Staaten ihr jeweiliges Rechtssystem noch nicht den Statuten angepasst haben. "So ist auch in Moldau die Reform des nationalen Rechts Voraussetzung dafür, dass das Land in vollem Umfang mit dem Strafgerichtshof kooperieren kann", sagte Hall. Nur so könnten die nationalen Gerichte ihre Verpflichtungen erfüllen und Fälle von Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit untersuchen und verfolgen.


Aus der Haft entlassen

Togo - Vier Männer, die im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im März festgenommen worden waren, kamen im September wieder frei. Die Mitglieder der politischen Bewegung "Mouvement Citoyen pour l'Alternance" (Bürgerbewegung für den Wechsel) mussten insgesamt sechs Monate in Haft verbringen. Sie wurden wegen des "Versuchs der Untergrabung der Staatssicherheit" unter Anklage gestellt, die bislang auch nicht fallengelassen wurde. Zwölf weitere Aktivisten, die zur gleichen Zeit festgenommen worden waren, kamen bereits nach einem Monat in Haft wieder frei.


Aus der Haft entlassen

Syrien - Der syrische Kurde 'Abd al Karim Hussein wurde am 2. September ohne Anklageerhebung aus der Haft entlassen. Hussein war im Februar 2006 nach Norwegen gereist und hatte dort Asyl beantragt, was jedoch abgelehnt wurde. Zwischenzeitlich fungierte Hussein als stellvertretender Direktor des Vereins syrischer Kurden in Norwegen. Im vergangenen August wurde er schließlich in Oslo festgenommen und in Begleitung von zwei Polizisten in ein Flugzeug nach Damaskus gesetzt. Dort wurde er sofort verhaftet und vom syrischen Geheimdienst in Gewahrsam genommen. Während seiner Haft hatte er keinen Kontakt zur Außenwelt. Amnesty hatte energisch gegen die Abschiebung protestiert.


Erfolg für indigene Gemeinschaft

Indien - Amnesty International hat eine Entscheidung der indischen Behörden begrüßt, die dem britischen Unternehmen Vedanta Resources verbietet, seine Bergbauaktivitäten im indischen Bundesstaat Orissa auszuweiten. Sterlite Industries India, ein Tochterunternehmen von Vedanta Resources, hatte angekündigt, seine Aluminium-Raffinerie im Gebiet Lanjigarh stark auszubauen. Das indische Umweltministerium wies das Vorhaben als rechtswidrig zurück.

"Das Verbot ist für die indigene Bevölkerung ein Meilenstein in ihrem jahrelangen Kampf gegen die Pläne des Bergbauunternehmens", sagte Madhu Malhotra, Asien-Pazifik-Experte von Amnesty International. Schon seit acht Jahren wehren sich die Betroffenen gegen die Aktivitäten der Bergbauindustrie. Einem anderen Vorhaben, dem Abbau von Aluminiumerzen am heiligen Niyamgiri-Berg, wurde im August 2010 eine Absage erteilt. Das Ministerium stärkte damit gleichzeitig die Rechte indigener Gemeinschaften, für die sich auch Amnesty International mehrfach eingesetzt hat.

Das Grundproblem des Rohstoffabbaus ist die Umweltverschmutzung, die damit einhergeht. Sie gefährdet die Gesundheit und Lebensgrundlage der Menschen. Der Sprecher der indigenen Gemeinschaft, Kumti Majhi, freute sich über die jüngste Entscheidung, fügte jedoch hinzu: "Wir leiden nach wie vor unter den gesundheitlichen Folgen der Wasser- und Luftverschmutzung. Solange diese Probleme nicht gelöst sind, werden wir uns weiter zur Wehr setzen."


Textilarbeiterinnen sind wieder frei

Bangladesch - Sechs Textilarbeiterinnen und der Gewerkschaftsanwalt Montu Ghose wurden Mitte Oktober gegen Kaution freigelassen. Sie waren Ende Juli im Zusammenhang mit Straßenprotesten in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs, festgenommen worden. Einige der Festgenommenen, darunter eine schwangere Frau, sollen im Polizeigewahrsam geschlagen worden sein. Die Proteste hatten Ende Juni zur zeitweiligen Schließung von etwa 700 Textilfabriken in dem Land geführt. Die Bewegung für mehr Arbeitsrechte hatte eine Erhöhung des monatlichen Mindestlohns auf 5.000 Taka (etwa 55 Euro) gefordert, um die Lebenshaltungskosten decken zu können. Die Textilindustrie macht fast 80 Prozent der Exporteinnahmen von Bangladesch aus und beschäftigt bis zu 40 Prozent aller Arbeitnehmer des Landes, darunter zahlreiche Frauen.


Ende der Einzelhaft

Iran - Die iranische Journalistin und Menschenrechtsverteidigerin Shiva Nazar Ahari wurde am 13. September gegen Kaution freigelassen. Sie ist Mitglied der iranischen Menschenrechtsorganisation "Committee of Human Rights Reporters" (CHRR) und hat die meiste Zeit ihrer Gefangenschaft im Teheraner Evin-Gefängnis in Einzelhaft verbracht. Ihr Prozess fand vor der Abteilung 26 des Revolutionsgerichts in Teheran statt. Die Anklagen lauteten auf "Versammlungen und Konspiration mit dem Ziel, ein Verbrechen zu begehen", "Propaganda gegen die Regierung", "Feindschaft mit Gott" und "Störung der öffentlichen Ordnung". Sie wies alle Vorwürfe zurück und wartet gegenwärtig auf das Gerichtsurteil. Im Fall eines Schuldspruchs droht ihr eine langjährige Haftstrafe. Durch den Verkauf von drei Grundstücken konnte die Familie der Menschenrechtsverteidigerin die Kaution in Höhe von fünf Milliarden Rials (rund 385.000 Euro) aufbringen. Ihre Familie bedankte sich bei Amnesty International für die Unterstützung während der Gefangenschaft.

Shiva Nazar Ahari wurde am 20. Dezember 2009 zusammen mit weiteren Mitgliedern der CHRR im Zentrum von Teheran festgenommen. Sie befanden sich in einem Bus auf dem Weg zur Beisetzung des Regierungskritikers und Großayatollahs Montazeri. Weitere Mitglieder der CHRR wurden später festgenommen, gegen Kaution aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Einige von ihnen haben danach das Land verlassen. Guatemala: Präsident gegen Todesstrafe

Präsident Álvaro Colom hat sein Veto gegen die am 5. Oktober vom Kongress angenommene Gesetzesinitiative, welche die Wiederanwendung der Todesstrafe in Guatemala ermöglichen würde, angekündigt. Colom sagte, er sei der Ansicht, dass der Präsident nicht das Recht habe, über Leben und Tod anderer Staatsbürger zu entscheiden. Amnesty International begrüßt dieses Bekenntnis des Präsidenten zur Ablehnung der Todesstrafe.

Artikel 18 der guatemaltekischen Verfassung erlaubt die Todesstrafe grundsätzlich. Jedoch wird sie seit dem Jahr 2002 nicht mehr angewendet. Damals war auf Initiative der Regierung Alfonso Portillo das Recht des Präsidenten, über Gnadengesuche zu entscheiden, ausgesetzt und die Todesstrafe aufgrund der entstandenen Gesetzeslücke faktisch abgeschafft worden. Am 5. Oktober hatte der Kongress mit einer Zweidrittelmehrheit ein Gesetz verabschiedet, das durch die Einführung eines Begnadigungsverfahrens diese Gesetzeslücke schließen und damit die Wiederanwendung der Todesstrafe ermöglichen sollte. Im Jahr 2008 hatte Colom schon einmal eine ähnliche Gesetzesinitiative zur Wiederanwendung der Todesstrafe durch sein Veto verhindert.


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Quelle:
amnesty journal, Dezember 2010/Januar 2011, S. 6-9
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2010