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AKTION/450: Reaktionen und Erfolge, April/Mai 2009


amnesty journal 04/05/2009 - Das Magazin für die Menschenrechte

Reaktionen und Erfolge - April/Mai 2009

- Ausgewählte Ereignisse vom 24. Februar bis 24. März 2009
- Kuba/Berlin - 12.600 Unterschriften für politische Gefangene
- USA/Kanada - US-Soldat verweigert Kriegsdienst
- Türkei: Erfolg vor Gericht
- Myanmar, Iran, Simbabwe - Aus der Haft entlassen


Ausgewählte Ereignisse

Zeitraum: 24. Februar bis 24. März 2009

USA

Etwa 600 Gefangene sind auf dem US-Stützpunkt Bagram in Afghanistan ohne Urteil und Rechtsbeistand eingesperrt, manche schon seit Jahren. Zuletzt hat ein Richter die US-Regierung aufgefordert, detaillierte Informationen über das Militärgefängnis vorzulegen. Doch auch die neue US-Regierung hat die genaue Zahl der Gefangenen und ihre Nationalität nicht veröffentlicht. Amnesty fordert die US-Regierung auf, ihre Geheimhaltungspolitik zu beenden. Die Gefangenen müssen entweder vor einem ordentlichen Gericht angeklagt oder freigelassen werden.


DEUTSCHLAND

Es war ein langer Weg - nicht nur geografisch, sondern auch bis die politische Entscheidung endlich gefällt war. Doch schließlich trafen die ersten von 2500 irakischen Flüchtlingen Mitte März in Deutschland ein. Die Bundesregierung hatte ihre Aufnahme im vergangenen Jahr zugesagt. Amnesty International, Pro Asyl und das Diakonische Werk der EKD begrüßten diese Maßnahme, die aber nur ein erster Schritt sein kann. Die Organisationen fordern, dass Deutschland im Rahmen von Neuansiedlungsprogrammen ein jährliches Kontingent von irakischen Flüchtlingen dauerhaft aufnimmt und integriert.


BELARUS

Das von Alexander Lukaschenko autoritär regierte Belarus ist das einzige Land Europas, das noch die Todesstrafe anwendet. Amnesty schätzt, dass seit 1991 mindestens 400 Menschen hingerichtet wurden. Weder der Verurteilte noch seine Angehörigen_ werden vorher über das Datum der Hinrichtung informiert. Der Leichnam wird nicht der Familie übergeben, die auch nicht erfährt, wo er beigesetzt wird. Amnesty fordert die Behörden auf, sofort ein Moratorium für Todesstrafen zu verhängen mit der Aussicht, diese ganz abzuschaffen.


VENEZUELA

In dem Land gibt es lediglich zwei staatliche Frauenhäuser - bei einer Gesamtbevölkerung von zehn Millionen. Dabei leiden viele Frauen unter häuslicher und sexueller Gewalt. Die Behörden erließen zwar neue Gesetze, die die Rechte der Frauen stärken. Doch noch immer gibt es zu wenige Stellen, bei denen Frauen Schutz suchen können. Oft nehmen Polizisten ihre Berichte nicht ernst, weshalb die Täter häufig straffrei davon kommen. Amnesty begrüßt die Verbesserungen auf Gesetzesebene, mahnt aber eine bessere Umsetzung an.


KENIA

Amnesty International kritisiert das Übergabeabkommen der EU mit Kenia für Piraten, die von EU-Einheiten am Horn von Afrika gefasst werden. In Kenia würden Rechtsstandards oft nicht eingehalten. Die EU müsse sicherstellen, dass die Menschenrechte der gefangenen mutmaßlichen Piraten gewahrt werden. Die deutsche Marine übergab Anfang März neun festgenommene somalische Piraten an die kenianischen Behörden. Sie wurden von der Fregatte "Rheinland-Pfalz" in Gewahrsam genommen, als sie im Golf von Aden einen deutschen Frachter angriffen.


PHILIPPINEN

Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Umweltaktivisten zahlen auf den Philippinen oft einen hohen Preis für ihre Arbeit. Erst Anfang März gab es auf dem Inselstaat wieder drei politisch motivierte Morde. Die Täter wurden bisher nicht ermittelt. Seit Januar 2008 untersuchte eine Kommission 141 politische Morde, doch in den wenigsten Fällen kam es zu Verurteilungen. Amnesty fordert die philippinische Regierung auf, gefährdeten Menschenrechtlern und Reportern Personenschutz zu geben und die Strafverfolgung zu verbessern.


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Erfolge und Reaktionen

Kuba/Berlin: 12.600 Unterschriften für politische Gefangene

"Ob die Jalousien wohl zu unseren Ehren runtergelassen wurden?" Was von den Amnesty-Mitgliedern vor der kubanischen Botschaft in Berlin eigentlich als Scherz gemeint war, wurde von den anwesenden Wachpolizisten tatsächlich bejaht. Die Republik Kuba scheint sich wohl weltoffener und freundlicher zu geben, wenn nicht gerade Mitglieder von Amnesty International zu Besuch kommen, um Petitionslisten für die Freilassung politischer Gefangener abzugeben.

Im März 2003 hatte die kubanische Polizei in einer groß angelegten Aktion zahlreiche Regimekritiker verhaftet, 75 wurden später in unfairen Verfahren zu bis zu 28 Jahren Haft verurteilt. Einer der Dissidenten ist Juan Adolfo Fernández Saínz, der von der deutschen Amnesty-Sektion im Rahmen der EinSatz-Kampagne betreut wird. Der Journalist erhielt 2003 wegen seiner regierungskritischen Texte eine 15-jährige Haftstrafe. Sein Gesundheitszustand ist wegen der miserablen Haftbedingungen sehr schlecht, seine Angehörigen werden drangsaliert und eingeschüchtert. So wie Saínz und seiner Familie ergeht es vielen unbequemen Kubanern. Seit 50 Jahren missachtet die Regierung die bürgerlichen und politischen Freiheiten. Künstler, Intellektuelle und Kritiker werden unterdrückt und inhaftiert. Für Saínz' Freilassung hatten Amnesty-Gruppen 11.000 Unterschriften gesammelt. Bei der Übergabe kamen noch einmal 1.600 Unterschriften hinzu, die eine Aachener Amnesty-Gruppe für vier ebenfalls 2003 inhaftierte Bibliothekare gesammelt hatte. "Raúl Castro muss die politischen Gefangenen auf Kuba endlich bedingungslos freilassen und tiefgreifende Reformen umsetzen, die den Schutz der Menschenrechte gewährleisten", forderte Maja Liebing, Kuba-Expertin von Amnesty. "Auch wenn das in den letzten 50 Jahren nicht gelungen ist - er sollte sich heute ans Herz fassen und sagen: 'Sí se puede! - Ja, wir können.'" Weitere Informationen unter www.amnesty-kuba.de


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USA/Kanada: US-Soldat verweigert Kriegsdienst

Dean William Walcott lehnte den Irak-Krieg aus Gewissensgründen ab, und dennoch musste der US-amerikanische Marine-Infanterist Reservisten ausbilden, die in diesen Krieg geschickt wurden. Schon vor seiner ersten Stationierung im Irak im März 2003 hatte Walcott die Gründe für den US-Einmarsch in Frage gestellt. Im Dezember 2006 floh er schließlich nach Kanada, wo er als Kriegsdienstverweigerer Asyl beantragte. Doch dieser Antrag blieb ebenso erfolglos wie seine Versuche, in Kanada zumindest ein Bleiberecht zu erhalten. Amnesty International startete eine Urgent Action für ihn, da ihm bei einer Rückkehr in die USA ein Militärprozess und eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren Haft drohen. Eigentlich hätte Walcott spätestens am 30. Januar 2009 wieder in die USA ausreisen müssen. Doch wenige Tage vor Ablauf der Frist gab das kanadische Bundesgericht seinen Einsprüchen statt. Er darf nun in dem Land bleiben, so lange sein Fall noch einmal überprüft wird.

In Kanada sprach sich Dean Walcott wiederholt öffentlich gegen den Krieg im Irak aus. Er wurde Mitglied der kanadischen Organisation "War Resisters Support Campaign", die sich dafür einsetzt, dass die kanadische Regierung Angehörigen der US-Armee Zuflucht gewährt, die wegen ihrer Ablehnung des Irak-Feldzuges den Kriegsdienst verweigern. Walcott will ihnen und sich selbst das Schicksal ersparen, das einige Kriegsdienstverweigerer erleiden mussten, die wieder zu ihrer Einheit zurückkehrten: Mobbing und körperliche Misshandlung.


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Türkei: Erfolg vor Gericht

Wer in der Türkei als Homosexueller seine sexuelle Identität frei ausleben möchte, lebt gefährlich. Sexuelle Minderheiten werden nicht nur gesetzlich diskriminiert - oft werden_ sie auch Opfer von Gewalt. Nicht selten kommen die Täter aus der eigenen Familie. Jahrelang setzte sich der Verein Lambda erfolgreich für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen ein - bis er im Mai 2008 von einem Istanbuler Gericht verboten wurde. Die Begründung: seine Arbeit sei "unmoralisch" und "untürkisch" (siehe Amnesty Journal, 10-11/2008). Anfang dieses Jahres hob ein Berufungsgericht das Verbot jedoch wieder auf. Die Richter erklärten, dass die Arbeit und Ziele von Lambda keineswegs im Gegensatz zu türkischen Werten stünden. Außerdem betonten sie, dass auch Angehörige sexueller Minderheiten das Recht hätten, Verbände und Vereine zu gründen. Die Aktivisten von Lambda haben sich durch das Verbot nicht einschüchtern lassen. Das Verfahren hatte sogar eine positive Seite: Verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen solidarisierten sich mit ihnen, und zur Gay-Pride-Parade 2008 in Istanbul kamen mehr Teilnehmer als jemals zuvor.


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Aus der Haft entlassen

Myanmar - Die Militärregierung kündigte am 21. Februar die Freilassung von 6.313 Gefangenen an. Unter den Freigelassenen waren 24 politische Häftlinge, u.a. auch Ma Khin Khin Leh, für die sich Amnesty seit 1999 einsetzt. Die Lehrerin wurde damals festgenommen und wegen "Anstiftung zur Unruhe" zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Ihr Ehemann war Mitglied einer Studentenvereinigung und wurde gesucht, weil er eine friedliche Demonstration plante. Da die Behörden ihn selbst nicht ausfindig machen konnten, nahmen sie kurzerhand seine Frau fest. Amnesty begrüßt die Entlassung der 24, fordert aber auch die Freilassung aller anderen politischen Gefangenen. Noch immer befinden sich in Myanmar mehr als 2.100 politische Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen hinter Gittern.

Iran - Nach 16 Monaten Haft wurde die kurdische Studentin und Frauenrechtlerin Hana Abdi am 26. Februar in die Freiheit entlassen. Sie wurde beschuldigt, der "Partei für ein Freies Leben in Kurdistan" (PJAK), einer bewaffneten kurdischen Widerstandsgruppe, anzugehören sowie an Angriffen in der Stadt Sanandaj teilgenommen zu haben. Hana Abdi ist Mitglied der "Kampagne für Gleichberechtigung" und der Nichtregierungsorganisation "Azar Mehr Women's Organization Sanandaj", die sich für ein Ende der gesetzlich verankerten Diskriminierung von Frauen einsetzen. Amnesty International sah ihre Inhaftierung als politisch motiviert an. Möglicherweise sollte durch die strafrechtliche Verfolgung Hana Abdis auch die "Kampagne für Gleichberechtigung" in Misskredit gebracht werden.

Simbabwe - Die Menschenrechtler Jestina Mukoko und Broderick Takawira vom "Zimbabwe Peace Project" wurden am 28. Februar auf Kaution und unter Auflagen freigelassen. Beide waren drei Monate zuvor von bewaffneten Sicherheitskräften entführt und seitdem illegal im Hochsicherheitsgefängnis Chikurubi in Harare inhaftiert und gefoltert worden. Amnesty International hatte mit Urgent Actions ihre Freilassung gefordert.


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Quelle:
amnesty journal, April/Mai 2009, S. 6-8
Herausgeber: amnesty international
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Telefon: 0228/98 37 30, E-Mail: info@amnesty.de
Redaktionanschrift: Amnesty International, Redaktion amnesty journal,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2009