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AKTION/1780: Urgent Action - Russische Föderation, Flüchtling von Polizei verschleppt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-107/2014, AI-Index: EUR 46/033/2014, Datum: 2. Mai 2014 - dw

Russische Föderation
Flüchtling von Polizei verschleppt



Herr UMID YAKUBOV

Umid Yakubov, ein Flüchtling aus Usbekistan, ist am 29. April in Moskau auf der Straße entführt worden. Es wird befürchtet, dass er nach Usbekistan gebracht worden ist, wo er Gefahr läuft, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

Der aus Usbekistan stammende Umid Yakubov, der von den UN offiziell als Flüchtling anerkannt ist, ist am Nachmittag des 29. April in Moskau auf der Straße verschleppt worden. Er befand sich auf dem Weg zu einem Gespräch im Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR), um seine Umsiedlung in ein sichereres Land zu besprechen, als ein Polizeibeamter das Auto, in dem er saß, anhielt. Während der Polizeibeamte die Dokumente des Fahrers überprüfte, näherten sich drei Männer, von denen einer eine Polizeiuniform trug, Umid Yakubov und zwangen ihn, in einen Kleintransporter einzusteigen. Seitdem hat niemand von Umid Yakubov gehört. Er ist nicht zu seinem Gespräch beim UNHCR erschienen und seine Partnerin hat ihn nicht auf seinem Mobiltelefon erreichen können. Menschenrechtsverteidiger_innen befürchten, dass die usbekischen Sicherheitsbehörden in die Entführung involviert waren, und dass er nun nach Usbekistan zwangsrückgeführt worden ist, da es am Abend des 29. April einen planmäßigen Direktflug von Moskau nach Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, gab. Im Februar 2010 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) es den russischen Behörden untersagt, Umid Yakubov nach Usbekistan auszuweisen, während der EGMR seinen Antrag gegen die Entscheidung, ihn in sein Herkunftsland abzuschieben, prüft. Im November 2011 fällte der EGMR das Urteil, dass Russland mit der Ausweisung Umid Yakubovs nach Usbekistan gegen Artikel 3 (Folterverbot) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen würde.

Umid Yakubov floh 2008 aus Usbekistan nach Belarus und zog im Mai 2009 nach Russland. Der UNHCR erkannte Umid Yakubov im September 2010 als Flüchtling an, der internationalen Schutzes bedarf. Umid Yakubov wurde erstmals 1999 in Taschkent verhaftet, nachdem ein Nachbar bei der Polizei Anzeige gegen ihn erstattet und ihn beschuldigt hatte, Mitglied der islamistischen und in Usbekistan verbotenen Partei Hizb-ut-Tahrir zu sein. Umid Yakubov hatte begonnen, den Islam zu studieren und regelmäßig in die örtliche Moschee zu gehen. Zwischen 1999 und seinem Verlassen des Landes im Jahr 2008 wurde er wiederholt von Ordnungskräften in Usbekistan festgenommen. Bei jeder Festnahme soll er heftigen Schlägen sowie Nahrungsmittel- und Wasserentzug ausgesetzt worden sein. Umid Yakubov hat angegeben, dass er aufgrund dieser Misshandlungen Verletzungen an der Wirbelsäule davontrug, ein Nierenleiden entwickelte und an wiederkehrenden Kopf- und Rückenschmerzen leidet.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Umid Yakubov wird in Usbekistan im Zusammenhang mit seiner mutmaßlichen Beteiligung an den Aktivitäten der Hizb-ut-Tahrir unter den Artikeln 223 ("illegale Einreise nach oder Ausreise aus Usbekistan") und 244-2 ("Gründung, Leitung oder Mitwirkung an einer religiös-extremistischen, separatistischen, fundamentalistischen oder anderen verbotenen Organisation") des Strafgesetzbuchs der Republik Usbekistan gesucht.

Seit der Unabhängigkeit Usbekistans von der UdSSR im Jahre 1991 verfolgt Amnesty International die Menschenrechtslage im Land genau. Tausende gläubiger Muslim_as sind in Usbekistan in unfairen Gerichtsverfahren wegen der mutmaßlichen Mitgliedschaft in verbotenen islamistischen Organisationen verurteilt worden. Vorwürfe über Folter und andere Misshandlungen in Haft sind sehr häufig. Viele Gefangene werden unter Bedingungen festgehalten, die grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gleichkommen. Die Organisation ist besorgt, dass die usbekischen Behörden sich im Namen der nationalen Sicherheit und des Kampfes gegen den Terrorismus aktiv darum bemühen, dass Nachbarstaaten Personen nach Usbekistan ausliefern, die im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft in islamischen Bewegungen oder verbotenen islamistischen Parteien wie der Hizb-ut-Tahrir oder der Tatsache, dass sie gläubige Muslim_as sind, des Extremismus verdächtigt werden. Recherchen von Amnesty International haben gezeigt, dass die meisten derjenigen, die zwangsweise nach Usbekistan zurückgeführt werden, in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt kommen, wodurch sich das Risiko, dass sie gefoltert oder auf andere Weise misshandelt werden, erhöht.

Amnesty International hat jüngst eine Reihe von Fällen dokumentiert, in denen die russischen Behörden offenbar mit zentralasiatischen Sicherheitsbehörden zusammengearbeitet haben, um die Verschleppung und Ausweisung von Personen zu ermöglichen, deren Auslieferung durch den Erlass einstweiliger Anordnungen von Seiten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestoppt wurde. Weitere Informationen finden Sie im englischsprachigen Bericht Return to Torture: Extraditions, forcible returns and removals to Central Asia (Index EUR 04/001/2013) unter
http://www.amnesty.org/en/library/info/EUR04/001/2013/en


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte leiten Sie umgehend eine unparteiische und zielgerichtete Untersuchung der Verschleppung von Umid Yakubov ein, ermitteln Sie seinen Aufenthaltsort und gewährleisten Sie seine Sicherheit.
  • Ich fordere Sie höflich auf, Ihren Verpflichtungen gemäß internationalen Menschenrechtsnormen nachzukommen, keine Person in ein Land auszuweisen, auszuliefern oder auf andere Weise dorthin zurückzuführen, in dem ihr Folter oder anderweitige Misshandlung droht.

APPELLE AN

GENERALSTAATSANWALT
Yurii Yakovlevich Chaika
Bolshaia Dmitrovka 15 A
125993 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 7) 495 692 17 25

VORSITZENDER DES UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSSES
Aleksandr I. Bastrykin
Investigation Committee of the Russian Federation
Tekhnicheskii pereulok, dom 2
105005 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Chairman of the Investigation Committee / Sehr geehrter Herr Vorsitzender des Untersuchungsausschusses)
Fax: (00 7) 499 265 9077 oder (00 7) 499 265 9775


KOPIEN AN

LEITER DER ABTEILUNG GRENZSCHUTZ DES FSB
Vladimir Egorovich Pronichev
Ul. Bolshaia Lubianka, dom 1/3
107031 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (00 7) 495 914 2632
E-Mail: fsb@fsb.ru

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@russische-Botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 13. Juni 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Russian authorities to investigate promptly, impartially and effectively the abduction of Umid Yakubov, establish his whereabouts and ensure his safety.
  • Calling on them to comply with their obligations under international human rights law not to deport, extradite or otherwise return any person to a country where they would be at risk of torture or other ill-treatment.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Bei Amnesty International gehen immer wieder glaubhafte Vorwürfe weitverbreiteter und routinemäßiger Folterungen und anderweitiger Misshandlungen in Usbekistan ein, die Personen während ihrer Festnahme, bei Überführungen, in Polizeigewahrsam, in Untersuchungshaft und während ihrer Haftstrafe durch Sicherheitskräfte und Gefängnispersonal erleiden. Zu den Methoden, die bei den Folterungen und anderweitigen Misshandlungen in Haft angewendet werden, zählen laut Berichten von ehemaligen Häftlingen, darunter auch Menschenrechtsverteidiger_innen, Schläge mit Knüppeln, Metallstöcken oder mit Wasser gefüllten Flaschen, während die Gefangenen an Heizkörper gefesselt oder an an der Decke angebrachten Haken aufgehängt sind, Erstickung durch Plastiktüten oder Gasmasken, die Einführung von Nadeln unter Finger- und Zehennägel, Elektroschocks, das Begießen mit eiskaltem Wasser und Vergewaltigung von Männern und Frauen. Amnesty International hat herausgefunden, dass die Behörden in den meisten Fällen den von Gefangenen erhobenen Vorwürfen von Folter und anderweitiger Misshandlung nicht wirksam nachgegangen sind.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat anerkannt, dass in Usbekistan gefoltert und anderweitig misshandelt wird. Im Falle von Rechtsmitteln, die gegen gerichtliche Entscheide eingelegt werden, wonach die betreffenden Personen von einem Mitgliedsstaat des Europarats nach Usbekistan auszuliefern seien, steht der Gerichtshof vor der Herausforderung, die Gefahr zu beurteilen, in Usbekistan Opfer von Folter oder anderweitiger schwerer Menschenrechtsverletzungen zu werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in den letzten vier Jahren mindesten 20 Urteile gesprochen, die die Zurückweisung der mutmaßlichen Straftäter_innen nach Usbekistan aufgrund der dort herrschenden Foltergefahr untersagten.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-107/2014, AI-Index: EUR 46/033/2014, Datum: 2. Mai 2014 - dw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2014