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AKTION/1718: Urgent Action - Saudi-Arabien, Urteil aufgehoben aber Haft dauert an


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-167/2013-1, AI-Index: MDE 23/005/2014, Datum: 7. März 2014 - sm

Saudi-Arabien
Urteil aufgehoben, aber Haft dauert an



Herr ABDULKAREEM YOUSEF AL-KHODER, 48-jähriger Menschenrechtsverteidiger

Ein saudi-arabisches Berufungsgericht hat die achtjährige Haftstrafe, zu der Dr. Abdulkareem Yousef Al-Khoder im Juni 2013 verurteilt worden war, aufgehoben. Der Menschenrechtler befindet sich jedoch weiterhin in Haft.

Das Berufungsgericht der Provinz al-Qassim hob das gegen Abdulkareem Yousef Al-Khoder ergangene Urteil am 6. Januar 2014 auf und entschied, dass der Fall vor dem Strafgericht der Provinzhauptstadt Buraydah vor einem anderen Richter neu zu verhandeln sei. Das Berufungsgericht begründete die Entscheidung damit, dass das ursprüngliche Urteil von einem Richter gefällt worden war, der nicht unparteiisch war, da er einen persönlichen Konflikt mit Abdulkareem Yousef Al-Khoder hatte. Trotz der Entscheidung des Berufungsgerichts und obwohl der Rechtsbeistand von Abdulkareem Yousef Al-Khoder mehrmals darum bat, dass dieser bis zu Beginn des neuen Verfahrens freigelassen werde, befindet sich Abdulkareem Yousef Al-Khoder weiterhin in Haft.

Der Prozess gegen Abdulkareem Yousef Al-Khoder hatte im Januar 2013 begonnen. Am 10. April 2013 bat er darum, dass der Vorsitzende Richter ersetzt werde, mit der Begründung, dass dieser sich vor Prozessbeginn öffentlich negativ über ihn geäußert habe, was zeige, dass er nicht unparteiisch sei. Diese Anfrage wurde jedoch abgewiesen. Am 24. April, dem Tag seiner vierten Anhörung, weigerte sich Abdulkareem Yousef Al-Khoder, den Gerichtssaal zu betreten, nachdem der Richter Frauen willkürlich den Zugang verwehrt hatte, und wurde daraufhin inhaftiert. Am 24. Juni 2013 wurde Abdulkareem Yousef Al-Khoder des Ungehorsams gegenüber dem König, des Schürens von Unruhe durch den Aufruf zu Demonstrationen, der Schädigung des Ansehens Saudi-Arabiens durch das Verbreiten falscher Informationen an ausländische Gruppen und der Beteiligung an der Gründung einer nicht genehmigten Organisation für schuldig befunden. Das Gericht verurteilte ihn zu einer achtjährigen Haftstrafe mit einem anschließenden zehnjährigen Reiseverbot.

Dr. Abdulkareem Yousef Al-Khoder ist Gründungsmitglied der saudi-arabischen Organisation für bürgerliche und politische Rechte (ACPRA) und war bis zu seiner Entlassung im Oktober 2011 Professor für Vergleichende Rechtswissenschaften an der Fakultät für Islamische Rechtswissenschaften der Universität von al-Qassim. Er wurde allem Anschein nach aufgrund seiner Aktivitäten seiner Position enthoben. Bereits 2010 war ein Reiseverbot gegen ihn verhängt worden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die saudi-arabischen Behörden verfolgen nach wie vor MenschenrechtsverteidigerInnen, ohne mit irgendwelchen rechtlichen Folgen rechnen zu müssen, und gehen sowohl gerichtlich wie auch durch willkürliche außergerichtliche Maßnahmen wie die Verhängung von Reiseverboten gegen sie vor. Mitglieder der im Oktober 2009 gegründeten Menschenrechtsorganisation ACPRA erfahren dabei die Hauptlast der behördlichen Drangsalierungen. Die ACPRA berichtet über Menschenrechtsverletzungen und unterstützt Familien von Personen, die ohne Anklage inhaftiert sind, dabei, mit Klagen gegen das Innenministerium vor das Beschwerdegericht zu ziehen. Beim Beschwerdegericht handelt es sich um ein Verwaltungsgericht, das für Beschwerden gegen den Staat und öffentliche Dienste zuständig ist. Am 9. März 2013 wurden zwei ACPRA-Mitbegründer - Dr. Abdullah bin Hamid bin Ali Al-Hamid, 66, und Mohammad bin Fahad bin Muflih Al-Qahtani, 47 - zu zehn und elf Jahren Haft mit anschließendem Reiseverbot derselben Dauer verurteilt. Sie wurden in einer Reihe von Anklagepunkten für schuldig befunden, darunter der Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Herrscher, des Ungehorsams gegenüber dem Staatsoberhaupt, der Infragestellung der Integrität von Staatsbediensteten, der Absicht, die Sicherheit des Landes zu gefährden und die Bevölkerung zu Protesten anzustiften, der Verbreitung falscher Informationen an ausländische Gruppierungen, des Verstoßes gegen Paragraph 6 des Gesetzes zur Informationstechnologie und der Gründung einer nicht genehmigten Organisation, der ACPRA (siehe UA-257/2012). Das Gericht ordnete außerdem die Auflösung von ACPRA, die Konfiszierung des Eigentums der Organisation und die Löschung ihrer Benutzerkonten in sozialen Medien an.

Ein anderes ACPRA-Mitglied, der 22-jährige Omar al-Sa'id, wurde am 12. Dezember 2013 von einem Strafgericht in Burayda zu 300 Peitschenhieben, vier Jahren Gefängnis und einem anschließenden vierjährigen Reiseverbot verurteilt. Die gegen ihn erhobenen Anklagen ähnelten denen anderer ACPRA-Mitglieder (siehe Pressemitteilung auf Englisch, online unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE23/036/2013/en)

Fowzan al-Harbi, ein weiterer Mitbegründer von ACPRA, wurde am 26. Dezember 2011 im Anschluss an seine zweite Anhörung vor dem Strafgericht in der Hauptstadt Riad festgenommen. Der Richter nannte keinerlei Gründe für die Festnahme, obwohl Fowzan al-Harbis Rechtbeistand wiederholt darum bat. Fowzan al-Harbi muss sich seit 4. Dezember 2013 vor Gericht verantworten. Die Anklagepunkte hängen mit seinem menschenrechtlichen Engagement zusammen (siehe dazu UA-015/2014,
http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-015-2014/menschenrechtler-haft?).


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie höflich auf, Dr. Abdulkareem Yousef Al-Khoder umgehend und bedingungslos freizulassen, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich nur aufgrund der friedlichen Ausübung seiner Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit in Haft befindet.

APPELLE AN

KÖNIG
King Abdullah Bin Abdul Aziz Al Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 966) 1 403 3125 (über Innenministerium)

JUSTIZMINISTER
Sheikh Dr Mohammed bin Abdul Kareem Al-Issa
Ministry of Justice
University Street, Riyadh 11137
Kingdom of Saudi Arabia
Fax: (00 966) 1 401 1741 oder 1 402 0311


KOPIEN AN

INNENMINISTER
His Royal Highness Prince Mohammed
bin Naif bin Abdul Aziz Al Saud
Ministry of the Interior, P.O. Box 2933
Airport Road, Riyadh 11134, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Royal Highness / Königliche Hoheit)
Fax: (00 966) 1 403 3125

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S.E. Herrn
Prof. Dr. med Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179 oder 030-8892 5176
E-Mail: deemb@mofa.gov.sa

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 18. April 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Weitere Informationen zu UA-167/2013 (MDE 23/022/2013, 28. Juni 2013)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the authorities to release Dr Abdulkareem Yousef al-Khoder immediately and unconditionally as he is a prisoner of conscience held solely for the exercise of his rights to freedom of expression and assembly.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Zwei weitere ACPRA-Mitglieder, Issa al-Hamid und Abdulaziz al-Shubaily, sind bereits mehrmals vom Amt für Ermittlung und strafrechtliche Verfolgung zu ihren friedlichen Aktivitäten verhört worden. Gegen Issa al-Hamid, den Bruder von Dr. Abdullah al-Hamid, wird momentan ermittelt, weil er "die öffentliche Meinung aufgewiegelt" sowie "eine nicht genehmigte Organisation gegründet und ihren Vorsitz übernommen" haben soll. Gegen Abdulaziz al-Shubaily, der ebenfalls zu den Gründern der ACPRA gehört und gegenwärtig ihr stellvertretender Vorsitzender ist, wird seit dem 11. Mai 2013 ermittelt. Ihm drohen ähnliche Anklagen wie seinen Mitarbeitern. Es muss befürchtet werden, dass beide Männer bald vor Gericht gestellt und inhaftiert werden.

Eine Reihe weiterer unabhängiger Menschenrechtsgruppen und -aktivistInnen wurde ebenfalls von den saudi-arabischen Behörden schikaniert. Am 6. Februar 2014 wurde das Urteil gegen den bekannten Menschenrechtsverteidiger und Leiter der Organisation Saudi-arabischer Menschenrechtsmonitor (Saudi Arabian Monitor for Human Rights), Waleed Abu al-Khair, vom Berufungsgericht in Mekka bestätigt. Waleed Abu al-Khair war wegen "Verunglimpfung des saudi-arabischen Justizsystems" zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt worden, die er vermutlich bald antreten wird. Ihm droht im Zusammenhang mit seinen friedlichen Aktivitäten noch ein weiterer Prozess vor dem Sonderstrafgericht. Sechs bekannte Reformisten, unter ihnen Dr. Sulaiman al-Rashudi und Dr. Saud al-Hashimi, verbüßen seit Ende 2012 lange Freiheitsstrafen, nachdem sie eine Petition für politische Reformen in Umlauf brachten und einen Vorschlag diskutierten, eine unabhängige Menschenrechtsorganisation zu gründen (siehe UA-107/2013 vom 24. April 2013,
http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-107-2013/keine-freilassung-unter-auflagen?)

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-167/2013-1, AI-Index: MDE 23/005/2014, Datum: 7. März 2014 - sm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2014