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AKTION/1717: Urgent Action - Saudi-Arabien, Menschenrechtler im Hungerstreik


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-257/2012-2, AI-Index: MDE 23/004/2014, Datum: 7. März 2013 - ar

Saudi-Arabien
Menschenrechtler im Hungerstreik



DR. ABDULLAH BIN HAMID BIN ALI AL-HAMID, etwa 66 Jahre alt,
Mitbegründer der Organisation ACPRA
DR. MOHAMMAD BIN FAHAD BIN MUFLIH AL-QAHTANI, etwa 47 Jahre alt,
Mitbegründer der Organisation ACPRA

Zwei bekannte saudische Menschenrechtler sind seit dem 3. März wegen ihrer schlechten Haftbedingungen im Hungerstreik. Amnesty International betrachtet die Männer als gewaltlose politische Gefangene und fürchtet angesichts der schlechten Haftbedingungen und ihrer angegriffenen Gesundheit um ihr Leben.

Dr. Abdullah bin Hamid bin Ali al-Hamid und Dr. Mohammad bin Fahad bin Muflih al-Qahtani wurden am 9. März 2013 wegen ihrer Menschenrechtsarbeit zu je elf und zehn Jahren Haft verurteilt. Beide Männer sind Gründungsmitglieder der saudi-arabischen Organisation für bürgerliche und politische Rechte (ACPRA). Die Urteilssprüche wurden im Januar 2014 im Berufungsverfahren bestätigt. Die beiden Männer sind derzeit im al-Ha'ir-Gefängnis in der saudischen Hauptstadt Riad inhaftiert. Ihnen könnten Folter und andere Misshandlungen drohen. Dr. Abdullah bin Hamid bin Ali al-Hamid wurde am 3. März in einen Trakt des Gefängnisses verlegt, in dem die Hygienestandards unzulänglich sind und das Rauchen überall erlaubt ist. Am selben Tag trat er aus Protest gegen seine Verlegung in den Hungerstreik. Er musste sich in der Vergangenheit bereits einmal im Krankenhaus behandeln lassen. Daher wird befürchtet, dass sich sein bereits angeschlagener Gesundheitszustand durch diese Verlegung weiter verschlechtert.

Dr. Mohammad bin Fahad bin Muflih al-Qahtani wurde in Einzelhaft verlegt, nachdem er aus Protest gegen die zunehmend schlechten Haftbedingungen in den Hungerstreik getreten war. Seit Antritt seiner Gefängnisstrafe wurde er immer wieder in verschiedene Trakte verlegt, die für Gewaltverbrecher bestimmt sind, was eine Bedrohung für sein Leben darstellte. In der Vergangenheit haben die Behörden alle persönlichen Habseligkeiten und Bücher der Männer willkürlich beschlagnahmt. Am 5. März versuchten die Rechtsbeistände von Dr. Abdullah bin Hamid bin Ali al-Hamid und Dr. Mohammad bin Fahad bin Muflih al-Qahtani, die beiden Männer zu besuchen, doch die Gefängnisbediensteten teilten ihnen mit, dass dies nicht gestattet sei.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Dr. Abdullah al-Hamid und Dr. Mohammad al-Qahtani wurden auf der Grundlage zahlreicher Anklagepunkte verurteilt, darunter die "Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Herrscher", der "Ungehorsam gegenüber dem Staatsoberhaupt", das "Infragestellen der Integrität von Staatsbediensteten", die "beabsichtigte Gefährdung der nationalen Sicherheit und Unruhestiftung durch Aufrufen der Bevölkerung zu Protesten", die "Verbreitung falscher Informationen an ausländische Gruppierungen", der "Verstoß gegen Paragraf 6 des Gesetzes zur Informationstechnologie" und die "Gründung einer nicht genehmigten Organisation", der ACPRA. Das Gericht ordnete außerdem die Auflösung der ACPRA, die Beschlagnahmung des Eigentums der Organisation und die Löschung ihrer Benutzerkonten in sozialen Medien an. Beide Männer legten am 28. Mai 2013 Rechtsmittel ein, doch im Januar 2014 bestätigte das Berufungsgericht die Urteile gegen sie. Die Männer wurden im Laufe einer intensiven Kampagne der saudischen Behörden gegen MenschenrechtlerInnen festgenommen, im Zuge derer viele MenschenrechtsverteidigerInnen strafrechtlich verfolgt werden, ohne dass die Verantwortlichen mit irgendwelchen rechtlichen Folgen rechnen müssen. Mitglieder der ACPRA werden von den saudischen Behörden besonders stark ins Visier genommen. ACPRA, die im Oktober 2009 gegründet wurde, berichtet über Menschenrechtsverletzungen und unterstützt Familien von Personen, die ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert sind, dabei, mit Beschwerden gegen das Innenministerium vor das Beschwerdegericht zu ziehen - ein Verwaltungsgericht, das für Beschwerden gegen den Staat und öffentliche Dienste zuständig ist.

Fowzan al-Harbi, ein weiteres Gründungsmitglied der ACPRA, wurde am 26. Dezember 2013 im Anschluss an seine zweite Anhörung vor dem Strafgericht in Riad festgenommen. Der Richter ordnete seine Festnahme ohne Angabe von Gründen an, obwohl der Rechtsbeistand von Fowzan al-Harbi wiederholt beantragte, die Gründe zu erfahren. Fowzan al-Harbi steht seit dem 4. Dezember wegen ähnlicher Vorwürfe bezüglich seiner Menschenrechtsarbeit vor Gericht. Weitere Informationen zu seinem Fall finden Sie in der UA-015/2014 vom Januar dieses Jahres
(http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-015-2014/menschenrechtler-haft).
Alle ACPRA-Mitglieder, die bisher festgenommen wurden, haben sich über schlechte Haftbedingungen beschwert.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie höflich auf, Dr. Abdullah bin Hamid bin Ali al-Hamid und Dr. Mohammad bin Fahad bin Muflih al-Qahtani unverzüglich und bedingungslos freizulassen, da es sich bei ihnen um gewaltlose politische Gefangene handelt, die sich allein aufgrund der Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in Haft befinden.
  • Bitte bestrafen Sie die beiden Männer nicht für ihren Hungerstreik, sondern stellen Sie vielmehr sicher, dass sie jede nötige medizinische Versorgung erhalten und regelmäßigen Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen haben.
  • Ich bitte Sie zudem eindringlich, Dr. Abdullah bin Hamid bin Ali al-Hamid und Dr. Mohammad bin Fahad bin Muflih al-Qahtani vor Folter und anderweitiger Misshandlung zu schützen, wie es die internationalen Menschenrechtsnormen zum Schutz aller Personen, die sich in Haft oder Strafgefangenschaft befinden, vorsehen.

APPELLE AN

KÖNIG
King Abdullah bin Abdul Aziz Al Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 966) 11 403 3125 (über das Innenministerium)

INNENMINISTER
His Royal Highness
Prince Mohammed bin Naif bin Abdul Aziz Al Saud
Ministry of the Interior, P.O. Box 2933
Airport Road, Riyadh 11134, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 966) 11 403 3125


KOPIEN AN

JUSTIZMINISTER
His Excellency
Shaykh Dr Mohammed bin Abdulkareem Al-Issa
Ministry of Justice, University Street
Riyadh 11137, SAUDI-ARABIEN
Fax: (00 966) 11 401 1741 oder
(00 966) 11 402 0311

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S. E. Herrn
Prof. Dr. med Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179 oder 030-8892 5176


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 18. April 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Weitere Informationen zu UA-257/2012 (MDE 23/018/2012, 5. September 2012 und MDE 23/010/2013, 11. März 2013).


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the authorities to release Dr Abdullah bin Hamid bin Ali al-Hamid and Dr Mohammad bin Fahad bin Muflih al-Qahtani immediately and unconditionally as they are prisoners of conscience detained solely for exercising their rights to freedom of expression, association and assembly.
  • Urging them to refrain from punishing the men for their hunger strikes and to ensure that both men receive any medical attention they may require, and are given immediate and regular access to their families and legal representatives.
  • Calling on them to ensure that both men are protected from torture and other ill-treatment, in accordance with international human rights standards on the protection of persons subject to detention and imprisonment.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Zwei weitere ACPRA-Mitglieder, Issa al-Hamid und Abdulaziz al-Shubaily, sind bereits mehrmals vom Amt für Ermittlung und strafrechtliche Verfolgung zu ihren friedlichen Aktivitäten verhört worden. Gegen Issa al-Hamid, den Bruder von Dr. Abdullah bin Hamid bin Ali al-Hamid, wird momentan ermittelt, weil er "die öffentliche Meinung aufgewiegelt" sowie "eine nicht genehmigte Organisation gegründet und ihren Vorsitz übernommen" haben soll. Gegen Abdulaziz al-Shubaily, der ebenfalls zu den Gründern der ACPRA gehört und gegenwärtig ihr stellvertretender Vorsitzender ist, wird seit dem 11. Mai 2013 ermittelt. Ihm drohen ähnliche Anklagen wie seinen Mitarbeitern. Es muss befürchtet werden, dass beide Männer bald vor Gericht gestellt und inhaftiert werden.

Viele weitere unabhängige Menschenrechtsgruppen und AktivistInnen sind von den saudischen Behörden ebenfalls drangsaliert worden. Am 6. Februar 2014 bestätigte das Berufungsgericht in Mekka die dreimonatige Haftstrafe von Waleed Abu al-Khair, einem bekannten Menschenrechtsverteidiger und Vorsitzenden der Saudi-Arabischen Menschenrechtswacht. Er war der "Verunglimpfung des saudi-arabischen Justizsystems" für schuldig befunden worden. Es wird erwartet, dass er diese Haftstrafe bald antreten muss. Ihm droht im Zusammenhang mit seinen friedlichen Aktivitäten noch ein weiterer Prozess vor dem Sonderstrafgericht. Sechs bekannte Reformer, darunter Dr. Suliaman al-Rashhudi und Dr. Saud al-Hashimi, verbüßen seit Ende 2012 langjährige Haftstrafen, nachdem sie eine Petition in Umlauf gebracht hatten, in der politische Reformen gefordert wurden, und die Überlegung diskutiert hatten, in Saudi-Arabien eine unabhängige Menschenrechtsorganisation ins Leben zu rufen (siehe UA-107/2013:
https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-107-2013/keine-freilassung-unter-auflagen).

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-257/2012-2, AI-Index: MDE 23/004/2014, Datum: 7. März 2013 - ar
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2014