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AKTION/1667: Urgent Action - Bulgarien, Flüchtlinge weiter in Notlage


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-337/2013-1, AI-Index: EUR 15/002/2014, Datum: 6. Januar 2014 - sm

Bulgarien
Flüchtlinge weiter in Notlage



FLÜCHTLINGE UND MIGRANTiNNEN IN BULGARIEN

Seit der heftigen Kritik an den bulgarischen Behörden, auf die Notlage der Flüchtlinge und MigrantInnen, die über die bulgarisch-türkische Grenze ins Land kommen, nur unzureichend zu reagieren, haben die Lebensbedingungen dieser Menschen sich leicht verbessert. Dennoch leiden Flüchtlinge und MigrantInnen in Bulgarien, von denen viele vor dem syrischen Bürgerkrieg fliehen, noch immer unter schlechten Aufnahmebedingungen und Mängeln in den Asylverfahren. Im Dezember 2013 brachte Amnesty International die gänzlich unzureichenden Bedingungen ans Tageslicht, die in einem "Notzentrum" für Asylsuchende in der bulgarischen Stadt Harmanli herrschen. Dort untergebrachte Menschen mussten in Zelten, baufälligen Gebäuden und Schiffscontainern schlafen. Sanitäre Einrichtungen waren kaum vorhanden. Den Menschen wurden nur wenige, abgenutzte Klappbetten zur Verfügung gestellt, und viele schliefen auf dünnen Matratzen auf dem Boden. Nach heftiger Kritik der internationalen Gemeinschaft und verschiedener Organisationen, darunter Amnesty International, verbesserten die bulgarischen Behörden die Lebensumstände in Harmanli und siedelten alle Flüchtlinge von Zelten in Gebäude um, die über Heizung und einfache sanitäre Einrichtungen verfügen. Allerdings sind die Waschmöglichkeiten noch immer begrenzt; so stehen im Januar 2014 nur sechs Duschen für 929 Personen zur Verfügung. Da die Regierung sich nicht um die Versorgung der Flüchtlinge mit Lebensmitteln kümmert und keine Kochmöglichkeiten vorhanden sind, hat der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) eine Nothilfe gestartet, so dass die EinwohnerInnen von Harmanli eine tägliche Mahlzeit erhalten. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat zudem ein Gesundheitszentrum eingerichtet.

Es fehlt nach wie vor an systemischen Maßnahmen von Seiten der bulgarischen Behörden, um der Zahl der Flüchtlinge und MigrantInnen gerecht zu werden. Bis Ende 2013 waren mehr als 11.600 Menschen über inoffizielle Wege nach Bulgarien gekommen, von denen viele Schutz benötigen. Diese Menschen leben noch immer unter unzumutbaren Bedingungen: überfüllte Einrichtungen, fehlende sanitäre Grundausstattung, unzureichende Lebensmittelversorgung, ungenügender Zugang zu medizinischer und psychologischer Betreuung. Besonders negativ wirken sich diese Umstände auf Flüchtlinge aus, die im bewaffneten Konflikt in Syrien Verletzungen erlitten haben, sowie auf schwangere Frauen, Säuglinge und Kinder.

Zudem schafft es das bulgarische Asylsystem nicht, den Asylsuchenden raschen und ungehinderten Zugang zu einem Asylverfahren zu ermöglichen. Flüchtlinge werden als illegale Einwanderer behandelt und eingesperrt, Asylanträge nicht wirksam erfasst und geprüft.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Seit Juli 2013 berichten die bulgarischen Medien über den stark wachsenden Zustrom an Flüchtlingen und MigrantInnen, die über die türkische Grenze kamen, um in Bulgarien Schutz zu suchen. Waren es im Jahr 2012 rund 1.700 Flüchtlinge, sind 2013 10.200 Personen nach Bulgarien geflohen. Die Lage spitzte sich zu, als im Oktober 3.600 Flüchtlinge und MigrantInnen nach Bulgarien kamen. Überwiegend waren es Menschen, die Schutz vor dem bewaffneten Konflikt in Syrien suchten. Die zweitgrößte Gruppe stammte aus Afghanistan.

Den bulgarischen Behörden ist es nicht gelungen, geeignete Maßnahmen für die Unterbringung der vielen Flüchtlinge und MigrantInnen zu treffen. Hunderte schutzbedürftige Menschen wohnen seit Monaten unter prekären Bedingungen. Nach seinem Besuch in Bulgarien im Dezember 2013 rief der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, die Mitgliedstaaten der EU dazu auf, Rückführungen von Asylsuchenden nach Bulgarien auszusetzen. Dieser Aufruf wurde vom UNHCR
(http://refworld.org/docid/52c598354.html) am 3. Januar 2014 wiederholt, als die UN-Organisation die EU-Mitgliedstaaten, die die Dublin-II-Verordnung anwenden, ebenfalls dazu aufforderte, Rückführungen von Asylsuchenden nach Bulgarien vorübergehend auszusetzen.

Laut der Dublin-II-Verordnung können Asylsuchende von einem Mitgliedstaat in das erste Land, das sie bei Ankunft in der EU betreten haben, zurückgewiesen werden. Die Verordnung gründet auf der Annahme, dass die Standards für den Schutz Asylsuchender innerhalb der EU gleich sind. Der UNHCR hat jedoch "den Schluss gezogen, dass für Asylsuchende in Bulgarien aufgrund der dortigen Systemmängel bei den Aufnahmebedingungen und Asylverfahren die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung besteht". Der UNHCR drückte beispielsweise die Sorge darüber aus, dass Menschen, die möglicherweise Schutz benötigen, an der Einreise nach Bulgarien gehindert werden bzw. in Bulgarien als illegale EinwanderInnen behandelt (und eingesperrt) werden und ihr Asylantrag nicht wirksam aufgenommen und bearbeitet wird.

Die von UNHCR und Europarat zum Ausdruck gebrachten Befürchtungen finden sich auch in Untersuchungen von Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International, wieder. Darin wird nachgewiesen, dass Flüchtlinge und MigrantInnen in Bulgarien keinen ausreichenden Zugang zu grundlegenden Leistungen wie Essen, medizinische Versorgung und sanitäre Einrichtungen haben. Der UNHCR betonte zudem, dass es bei Asylanträgen in Bulgarien zu langen Verzögerungen kommt, was folglich die Grundrechte der AntragsstellerInnen verletzt und diese dem Risiko aussetzt, willkürlich inhaftiert zu werden.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich darum, unverzüglich sicherzustellen, dass die Lebensbedingungen der Flüchtlinge und MigrantInnen in Bulgarien den internationalen Menschenrechtsstandards entsprechen.
  • Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass sowohl der Menschenrechtskommissar des Europarats als auch der UNHCR die Mitgliedsstaaten der EU auffordern, die Rückführung von Asylsuchenden nach Bulgarien zeitweilig auszusetzen.

APPELLE AN

INNENMINISTER
Tsvetlin Yovchev
Ministry of Interior
29 Shesti Septemvri Str.
Sofia 1000
BULGARIEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 359) 2 982 2780
E-Mail: tyovchev@mvr.bg

LEITER DER STAATLICHEN AGENTUR FÜR FLÜCHTLINGE
Nikolay Chirpanliev
1233 Sofia, Serdika District, 114-B Maria Luiza Blvd
BULGARIEN
(Anrede: Dear President / Sehr geehrter Herr Chirpanliev)
Fax: (00 359) 2 955 9476
E-Mail: sar@saref.government.bg


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK BULGARIEN
S.E. Herrn Radi Naidenov
Mauerstr. 11
10117 Berlin
Fax: 030-208 68 38
E-Mail: info@botschaft-bulgarien.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Bulgarisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 17. Februar 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Bulgarian authorities to ensure that the living conditions of refugees and migrants in Bulgaria meet the international human rights standards;
  • Calling on the EU Member States to temporarily suspend transfers of asylum-seekers back to Bulgaria.

Weitere Informationen zu UA-337/2013 (EUR 15/003/2013, 16. Dezember 2013)


HINTERGRUNDINFORMATIONEN FORTSETZUNG

Im Dezember 2013 veröffentlichte Amnesty International ein Briefing, in welchem mangelhafte Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Bulgarien beschrieben werden. Ebenso wird der Sorge darüber Ausdruck verliehen, dass die bulgarischen Behörden keinen raschen und ungehinderten Zugang zu Asylverfahren ermöglichen
(http://amnesty.org/en/library/asset/EUR15/002/2013/en/722a9655-1caa-4c95-b387-e238f1bd56ec/eur150022012en.pdf)

Obwohl die bulgarischen Behörden damit begonnen haben, die Einrichtungen in den "Notlagern" zu verbessern, leben die Flüchtlinge und MigrantInnen weiterhin unter mangelhaften Bedingungen, welche ihre Gesundheit gefährden. Die bulgarischen Behörden müssen unverzüglich handeln, um den Flüchtlingen angemessene Aufnahmebedingungen zu garantieren.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-337/2013-1, AI-Index: EUR 15/002/2014, Datum: 6. Januar 2014 - sm
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2014