ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-079/2013, AI-Index: EUR 70/006/2013, Datum: 28. März 2013 - mr
Kosovo
Menschenrechtsverteidigerin tätlich angegriffen
Frau NAZLIE BALA
Die kosovarische Menschenrechtsaktivistin Nazlie Bala ist am 27. März vor ihrer Wohnung tätlich angegriffen worden. Sie erhielt kürzlich bereits Morddrohungen, nachdem sie öffentlich ein Gesetz unterstützt hatte, das den Überlebenden des Kriegsverbrechens der sexuellen Gewalt Entschädigung und Widergutmachung zugestehen soll. Amnesty International fordert die kosovarischen Behörden auf, die Sicherheit von Nazlie Bala zu gewährleisten.
Am 27. März wurde Nazlie Bala tätlich angegriffen, als sie auf dem Heimweg von der Arbeit das Wohnhaus, in dem sich ihre Wohnung befindet, betrat. Mindestens zwei unbekannte Angreifer schlugen brutal auf sie ein. Sie wurde in die Notaufnahme des Krankenhauses in Pristina gebracht, da sie unter Schock stand und Verletzungen, darunter am Kinn, davongetragen hatte. Am 20. März hatte sie in ihrer Wohnung einen anonymen Brief vorgefunden, der unter der Tür hindurch geschoben worden war. Darin stand, dass sie den Schutz der "Schande" unterlassen solle, sonst werde man sie töten.
Die Polizei des Kosovo hat am 28. März eine Untersuchung des Angriffs eingeleitet. Zuvor hatte sie Ermittlungen zur vorherigen Morddrohung aufgenommen und Maßnahmen eingeleitet, um eine Risikoeinschätzung vorzunehmen. Die Polizei teilte mit, dass seit dem Drohbrief in der Gegend von Nazlie Balas Wohnung verstärkt PolizistInnen patrouillieren.
Nazlie Bala ist im Kosovo eine angesehene Menschenrechtsverteidigerin, die sich beständig für die Rechte der Frauen im Kosovo einsetzt. Sie hat zudem dazu beigetragen, dass es für Menschen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, institutionelle Unterstützung gibt. Sie macht sich für eine Gesetzesänderung stark, die die Rechte von Frauen sicherstellen soll, die während des bewaffneten Konflikts im Kosovo Opfer des Kriegsverbrechens der sexuellen Gewalt wurden. Die erste Lesung dieses Änderungsentwurfs fand am 14. März im kosovarischen Parlament statt. Am 18. März war Nazlie Bala in einer Fernsehdebatte des Senders RTK öffentlich für die Gesetzesänderung eingetreten. Die Reform des Gesetzes zu Status und Rechten von Märtyrern, Invaliden, Veteranen, Angehörigen der Befreiungsarmee des Kosovo, zivilen Opfern und ihren Familien würde Menschen, die Opfer sexueller Gewalt wurden, rechtliche Erfassung, Achtung und öffentliche Anerkennung zuteil werden lassen. Die Änderungen zielen darauf ab, den Betroffenen Widergutmachung in Form von finanzieller Unterstützung, Rehabilitation und anderen Arten der Entschädigung bereitzustellen.
Bislang sind erst sehr wenige Untersuchungen zu Vorwürfen über das Kriegsverbrechen der sexuellen Gewalt im Kosovo eingeleitet worden. Zurzeit wird nur eine einzige Vergewaltigung von der EU-geführten Mission im Kosovo, die für alle Untersuchungen und Strafverfolgungsmaßnahmen nach dem Völkerrecht zuständig ist, als Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgt.
Vergewaltigung und andere sexuelle Gewaltverbrechen, die im Zuge des bewaffneten Konflikts im Kosovo verübt wurden, stellen Kriegsverbrechen dar. Gegen all diejenigen, die in diesem Zusammenhang einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit verdächtigt werden, sollte ermittelt werden, und falls genügend zulässiges Beweismaterial vorliegt, sollten sie vor Gericht gestellt werden. Am 22. März 2013 rief Amnesty International den Staatspräsidenten Atifete Jahjaga auf, öffentlich die Rechte der Frauen, die das Kriegsverbrechen der sexuellen Gewalt überlebt haben, zu unterstützen und forderte den Ministerpräsidenten und andere Mitglieder der Regierung des Kosovo auf, die Drohungen gegen Nazlie Bala zu verurteilen. Sowohl der Ministerpräsident als auch der Staatspräsident sind dieser Aufforderung nachgekommen. Die Organisation forderte die Polizei des Kosovo und den Staatsanwalt zudem auf, umgehend eine unabhängige, umfassende und unparteiliche Untersuchung der Drohungen gegen Nazlie Bala und andere Menschenrechtlerinnen, die in dieser Weise bedroht werden, einzuleiten. Die Organisation rief die Behörden ebenfalls auf, Nazlie Bala und andere in dieser Weise bedrohte Menschenrechtsverteidigerinnen angemessen zu schützen.
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Ismet Kabashi
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10 000 Prishtinë, KOSOVO
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Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Albanisch, Serbisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. Mai 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.
Amnesty International drängte die Regierung des Kosovo außerdem, die Grundprinzipien der UN-Erklärung zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen, die einen Rahmen zum Schutz und zur Unterstützung von MenschenrechtsverteidigerInnen bereitstellen, im Gesetz und in der Praxis umzusetzen. Die Organisation ruft außerdem die Botschaften der EU-Mitgliedsstaaten auf, MenschenrechtsverteidigerInnen im Kosovo zu schützen und zu unterstützen.
Amnesty International forderte darüber hinaus alle Personen mit Entscheidungsträger im Kosovo auf, davon abzusehen, auf Sitten oder Traditionen oder Überzeugungen zurückzugreifen, um sich von ihrer Verpflichtung zu entbinden, Entschädigung für sexuelle Gewaltverbrechen gegen Frauen zu leisten, und bei jeder Gelegenheit öffentlich ihre Absicht zu erklären, alle Formen der Gewalt gegen Frauen zu verhüten, zu untersuchen, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen.
Die Regierungen sollten die Rechte von MenschenrechtsverteidigerInnen gemäß der UN-Erklärung zum Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen gewährleisten und ihnen Schutz bereitstellen.
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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2013