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AKTION/1423: Urgent Action - Israel / besetzte palästinensische Gebiete, erneut im Hungerstreik


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-119/2012-12, AI-Index: MDE 15/007/2013, Datum: 22. März 2013 - we

Israel / besetzte palästinensische Gebiete
Erneut im Hungerstreik



Herr SAMER AL-BARQ, 38 Jahre alt

Der palästinensische Verwaltungshäftling Samer al-Barq ist am 27. Februar erneut in den Hungerstreik getreten. Er protestiert damit dagegen, dass seine Verwaltungshaft verlängert wurde, obwohl die israelischen Behörden zuvor seine Freilassung zugesichert hatten. Berichten zufolge wird er derzeit im Hadarim-Gefängnis in Einzelhaft festgehalten. Zwei seiner Familienangehörigen durften ihn am 12. März nicht besuchen, wahrscheinlich will man ihn so für seinen erneuten Hungerstreik bestrafen.

Der Bruder von Samer al-Barq berichtete Amnesty International, dass BeamtInnen des Hadarim-Gefängnisses ihm und seiner Schwester am 12. März untersagt haben, den Verwaltungshäftling zu besuchen, "weil er nicht essen will". Der Angehörige eines Mithäftlings sagte den Geschwistern später, dass sich Samer al-Barq in Einzelhaft befinde. Die Haftanordnung von Samer al-Barq wurde am 24. Februar 2013 um weitere drei Monate verlängert. Am 27. Februar ist sie dann ihm Rahmen einer richterlichen Überprüfung bestätigt worden, obwohl die israelischen Behörden seinem Rechtsbeistand zuvor zugesichert hatten, dass man ihn über Ägypten nach Pakistan überstellen würde, wo seine Frau lebt. Samer al-Barq wird von einem Rechtsbeistand der Vereinigung der palästinensischen Gefangenen (Palestinian Prisoner's Club - PPC) vertreten, einer Nichtregierungsorganisation, die palästinensische Häftlinge unabhängig von ihrer politischen Einstellung auf rechtlicher Ebenen und auch in anderen Bereichen unterstützt. Sein Rechtsbeistand hat erfahren, dass der israelische Sicherheitsdienst (Israel Security Agency - ISA) die Überstellung seines Mandanten an Ägypten abgelehnt hatte. Zuvor hatten der ISA versichert, eine solche Überstellung zu vereinfachen, sollte ein anderes Land zustimmen, Samer al-Barq aufzunehmen. Die PPC sagte Amnesty International, dass Samer al-Barq am 21. Februar von Angehörigen der US-amerikanischen Ermittlungsbehörde (Federal Bureau of Investigation - FBI) im Hadarim-Gefängnis verhört worden ist. Seit der Festnahme von Samer al-Barq durch die israelischen Behörden im Juli 2010 durften seine Angehörigen ihn nur dreimal besuchen. Während der gesamten Dauer seiner drei Hungerstreiks 2012 hat er keine seinem Zustand entsprechende unabhängige und fachärztliche Behandlung erhalten. Außerdem wurde er - vor allem während seines zweiten Hungerstreiks, der vom 22. Mai bis zum 23. September 2012 dauerte, - von Angehörigen des israelischen Gefängnisdiensts (Israel Prison Service) misshandelt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der 38-jährige Samer al-Barq wurde am 11. Juli 2010 von den jordanischen Behörden an die Militärbehörden in Israel überstellt und wird seitdem ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten. Zuvor war er bis 2008 viereinhalb Jahre lang ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Jordanien inhaftiert gewesen. Das erste Mal wurde er am 15. Juli 2003 in Pakistan festgenommen, wo er zu dieser Zeit studierte. Danach übergab man ihn den US-Behörden, die ihn für drei Monate in einem geheimen Gefängnis außerhalb von Pakistan festhielten. Am 26. Oktober wurde er dann in jordanischen Gewahrsam überstellt. Same al-Barq gab an, sowohl in US-amerikanischer als auch in jordanischer Haft gefoltert und anderweitig misshandelt worden zu sein.

2012 trat Samer al-Barq dreimal in den Hungerstreik, um gegen seine Verwaltungshaft zu protestieren. Nach 30 Tagen beendete er am 14. Mai 2012 seinen ersten Hungerstreik. Ab dem 22. Mai verweigerte er erneut die Nahrungsaufnahme, nachdem seine Haftanordnung um weitere drei Monate verlängert worden war. Die Haftordnung wurde am 22. August erneut verlängert. Während des zweiten Hungerstreiks war er zeitweise an das Krankenhausbett gekettet. AnwältInnen gegenüber gab er an, vom Gefängnispersonal geschlagen und beschimpft worden zu sein. Er beendete seinen Hungerstreik am 23. September, nachdem ihm zugesichert worden war, dass man ihn nach Ägypten überstellen würde. Nachdem die israelischen Behörden diesem Versprechen jedoch nicht nachgekommen waren, trat er am 14. Oktober erneut in den Hungerstreik. Seinen dritten Hungerstreik beendete er am 24. Oktober, nachdem ihm Rechtsbeistände der Vereinigung der palästinensischen Gefangenen (Palestinian Prisoner's Club) mitteilten, dass man ihn schon bald über Ägypten nach Pakistan bringen würde. Im Oktober 2012 sagte der Vorsitzende der Vereinigung, Qaddoura Fares, gegenüber Amnesty International, dass der palästinensischen Autonomiebehörde ein offizielles Schreiben des Außenministeriums von Pakistan vorläge, in dem dieses der Aufnahme von Samer al-Barq zustimme. Der 38-Jährige hat in der Vergangenheit in Pakistan studiert und ist mit einer pakistanischen Staatsbürgerin verheiratet.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, Samer al-Barq sowie allen weiteren Häftlingen, die sich im Hungerstreik befinden, regelmäßigen Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung zu gewähren. Dazu gehören auch von unabhängigen ÄrztInnen ihrer Wahl durchgeführte Untersuchungen und die Behandlung in Krankenhäusern, die über die entsprechende Ausstattung verfügen. Gewähren Sie den Betroffenen zudem bitte regelmäßigen Zugang zu ihren Familien und schützen Sie sie vor Folter und anderweitiger Misshandlung.
  • Lassen Sie Samer al-Barq und alle weiteren PalästinenserInnen, die sich in israelischer Verwaltungshaft befinden, unverzüglich frei, sofern sie keiner international als Straftat anerkannten Handlungen angeklagt werden und Gerichtsverfahren erhalten, die den internationalen Standards für ein faires Verfahren in vollem Umfang entsprechen.

APPELLE AN

LEITER DER GEFÄNGNISVERWALTUNG
Lieutenant-General Aharon Franco
Israel Prison Service,
P.O. Box 81, Ramleh 72100, ISRAEL
(Anrede: Dear Lieutenant-General / Sehr geehrter Herr Generalleutnant)
Fax: (00 972) 8 919 3800

MILITÄRISCHER GENERALANWALT
Brigadier General Danny Efroni
6 David Elazar Street
Hakirya, Tel Aviv, ISRAEL
(Anrede: Dear Judge Advocate General / Sehr geehrter Herr Generalanwalt)
Fax: (00 972) 3 569 4526
E-Mail: avimn@idf.gov.il


KOPIEN AN

AUSSENMINISTER DER USA
The Honorable John F. Kerry
Secretary of State
U.S. Department of State
2201 C Street, N.W.
Washington DC 20520, USA
Fax: (00 1) 202 647 2283

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S. E. Herrn Jaakov Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76
14193 Berlin
Fax: 030-8904 5555 oder 030-8904 5309
E-Mail: botschaft@israel.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. Mai 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.

Weitere Informationen zu UA-119/2012 (MDE 15/023/2012, 27. April 2012, MDE 15/025/2012, 4. Mai 2012, MDE 15/028/2012, 18. Mai 2012, MDE 15/032/2012, 11. Juni 2012, MDE 15/035/2012, 21. Juni 2012, MDE 15/038/2012, 12. Juli 2012, MDE 15/047/2012, 10. August 2012, MDE 15/049/2012, 31. August 2012, MDE 15/051/2012, 14. September 2012, MDE 15/052/2012, 25. September 2012, MDE 15/056/2012, 18. Oktober 2012 und MDE 15/060/2012, 30. Oktober 2012)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling for Samer al-Barq and all other detainees on hunger strike in Israeli custody to be given regular access to appropriate medical care, including in civilian hospitals with specialized facilities and by independent doctors of their choice; regular visits from family members; and for them not to be subjected to torture or other forms of ill-treatment;
  • Calling on the Israeli authorities to immediately release Samer al-Barq and other Palestinians held in administrative detention, unless they are promptly charged with internationally recognizable criminal offences and brought to trial in full conformity with international fair trial standards.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Qaddoura Fares sagte weiterhin, dass man Samer al-Barq mit dem Ziel einer Überstellung nach Pakistan nach dem islamischen Opferfest am 30. Oktober in einem ersten Schritt zunächst nach Ägypten bringen werde. Samer al-Barq ist jedoch nicht nach Pakistan überstellt worden und befindet sich noch immer im Hadarim-Gefängnis in Israel. Seine Haftanordnung wurde am 21. November 2012 um weitere drei Monate und dann am 24. Februar nochmals verlängert worden.

Amnesty International geht aufgrund der Angaben der AnwältInnen von Samer al-Barq, die an den Verhandlungen über seine Freilassung und mögliche Aufnahme in Ägypten beteiligt waren, davon aus, dass der Gefangene seine freiwillige Zustimmung zu diesen Verhandlungen gegeben hat. Amnesty International konnte jedoch nicht mit Samer al-Barq persönlich sprechen, um sich dies bestätigen zu lassen. Nachdem man ihm ein Jahr lang keine Besuche von Angehörigen erlaubt hatte, durfte seine Familie ihn im Oktober 2012 zum ersten Mal besuchen. Sie sagten Amnesty International, dass man Samer al-Barq in einem Rollstuhl zu ihnen gebracht wurde und nicht in der Lage war aufzustehen. Er sei zudem äußerst schwach und deprimiert gewesen und habe an inneren Blutungen und starken Bauchschmerzen gelitten. Samer al-Barq soll über starke Schmerzen in seinem rechten Bein geklagt haben, die scheinbar durch einen Metalleinsatz hervorgerufen werden, der sich seit einer Operation in seinem Bein befindet.

Verwaltungshaft ist die Inhaftierung von Personen ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren. Die Haftanordnung kann auf der Grundlage von Beweisen, die weder den Gefangenen selbst noch ihren Rechtsbeiständen mitgeteilt werden, basieren. Aus Protest gegen schlechte Haftbedingungen wie z. B. Einzelhaft, die Verweigerung von Familienbesuchen und Inhaftierung ohne Anklage traten am 17. April Schätzungen zufolge rund 2.000 palästinensische Gefangene in den Hungerstreik. Am 14. Mai kam es unter ägyptischer Vermittlung zu einer Vereinbarung, die den Hungerstreik beendete. Am 1. Januar 2013 befanden sich 159 Menschen in israelischer Verwaltungshaft, was mehr als 160 weniger sind als noch im März 2012. Neben Samer al-Barq befinden sich noch weitere Verwaltungshäftlinge im Hungerstreik. Einige Verwaltungshäftlinge sind freigekommen, nachdem sie zugesichert hatten, die Besetzten Palästinensischen Gebiete dauerhaft zu verlassen und ins Exil zu gehen. Die Vierte Genfer Konvention untersagt es Besatzungsmächten, Menschen gegen ihren Willen aus einem besetzten Gebiet auszuweisen. Weitere Informationen finden Sie in dem im Juni 2012 veröffentlichten englischen Bericht Starved of justice: Palestinians detained without trial by Israel, unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE15/026/2012/en

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-119/2012-12, AI-Index: MDE 15/007/2013, Datum: 22. März 2013 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2013