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AKTION/1386: Urgent Action - Indien, Umittelbar drohende Hinrichtungen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-041/2013, AI-Index: ASA 20/007/2013, Datum: 18. Februar 2013 - we

Indien
Umittelbar drohende Hinrichtungen



MEESEKAR MADAIAH, 66 Jahre
GNANPRAKASHAM, 56 Jahre
SIMON, 46 Jahre
BILAVENDRAN, 62 Jahre

Vier Männern in Indien droht unmittelbar die Hinrichtung, nachdem der indische Staatspräsident ihre Gnadengesuche abgelehnt hat. Sie waren 2004 wegen ihrer Beteiligung an einer Landminenexplosion, bei der 22 Personen ums Leben kamen, zum Tode verurteilt worden.

Der indische Staatspräsident hat die Gnadengesuche von Meesekar Madaiah, Gnanprakasham, Simon und Bilavendran abgelehnt. Die vier Männer, deren Nachnamen nicht bekannt sind, könnten somit jederzeit hingerichtet werden. Sie befinden sich derzeit im Hindalga-Gefängnis in der Stadt Belgaum im südwestindischen Bundesstaat Karnataka.

Meesekar Madaiah, Gnanprakasham, Simon und Bilavendran waren schuldig befunden worden, im April 1993 an einem Anschlag mit einer Landmine in Palar im Bundesstaat Karnataka beteiligt gewesen zu sein, bei dem 22 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt wurden. Dabei waren Fahrzeuge in die Luft gesprengt worden, in denen sich PolizeibeamtInnen und InformantInnen befanden. Sie waren auf dem Weg zur Festnahme eines als Veerappan bekannten Sandelholz-Schmugglers und seiner KomplizInnen. Die vier Männer waren ursprünglich von einem Sondergericht in Karnataka zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Dieses Gericht war unter dem Gesetz über terroristische und umstürzlerische Umtriebe (Terrorist and Disruptive Activities (Prevention) Act - TADA) für die Verhandlung von Straftaten gemäß des TADA, des indischen Strafgesetzbuches (Indian Penal Code), des indischen Waffengesetztes (Indian Arms Act) und des Gesetzes über explosive Stoffe (Explosive Substances Act) gegründet worden. Gerichtsverfahren, die unter dem 1995 aufgehobenen TADA durchgeführt wurden, haben den internationalen Standards für faire Verfahren nicht entsprochen. Der Oberste Gerichtshof wandelte die Haftstrafen der vier Männer dann 2004 in Todesurteile um. Nun hat der indische Staatspräsident ihre Gnadengesuche abgelehnt. Seit der Übernahme seines Amtes Ende 2012 hat Präsident Pranab Mukherjee bereits mindestens drei weitere Gnadengesuche abgelehnt. Zwei Männer sind daraufhin hingerichtet worden. Diese Hinrichtungen fanden im Geheimen statt, die Öffentlichkeit wurde erst nach der Vollstreckung informiert.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der Oberste Gerichtshof Indiens lehnte es am 16. Februar ab, das Gesuch der vier Männer um einen Hinrichtungsaufschub anzuhören. Er begründete dies damit, dass noch kein Datum für die Hinrichtungen festgelegt worden war. Die Rechtsbeistände der Männer reichten am 18. Februar einen Antrag beim Hohen Gerichtshof in Karnataka und beim Obersten Gerichtshof ein. Letzterer hat nun eine Aussetzung der Hinrichtungen bis zum 20. Februar verordnet. 1989 räumte der Oberste Gerichtshof Gefangenen das Recht ein, gerichtlich gegen Entscheidungen bezüglich ihrer Gnadengesuche vorzugehen, wenn über diese mit übermäßiger Verzögerung entschieden wurde. Der Oberste Gerichtshof befand, dass "übermäßig lange Verzögerungen bei der Vollstreckung von Todesurteilen die verurteilte Person dazu berechtigen, sich gemäß Artikel 32 an dieses Gericht zu wenden". Weiterhin entschied der Oberste Gerichtshof, dass er "lediglich die Art der Verzögerung und die auf die Bestätigung der Urteile im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens folgenden Umstände überprüfen wird. Er jedoch nicht für die Überprüfung der gerichtlichen Schlussfolgerungen zuständig ist, die zu der endgültigen Bestätigung der Todesurteile geführt haben. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch die Möglichkeit, die Gründe für die übermäßige Verzögerung in Anbetracht aller Umstände des zu entscheidenden Falls zu betrachten, um darüber zu entscheiden, ob die Urteile vollstreckt oder in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt werden sollten. Ein generell festgelegter Verzögerungszeitraum, der die Vollstreckung eines Todesurteils unmöglich macht, kann nicht festgelegt werden". Mindestens fünf Männer, deren Gnadengesuche in den vergangenen Jahren abgelehnt wurden, haben sich auf dieser Grundlage an den Obersten Gerichtshof gewandt. Ihre Hinrichtungen sind daraufhin ausgesetzt worden.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte in keiner Weise die Landminenexplosion im April 1993 und das dadurch hervorgerufene Leid verharmlosen. Dennoch bitte ich Sie eindringlich, Meesekar Madaiah, Gnanprakasham, Simon und Bilavendran nicht hinzurichten. Es besorgt mich sehr, dass das TADA-Gericht, vor dem die Fälle der vier Männer verhandelt wurden, nicht die internationalen Standards für faire Verfahren erfüllt hat.
  • Bitte wandeln Sie alle bereits verhängten Todesurteile in Haftstrafen um.
  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass die UN-Generalversammlung bereits mehrfach dazu aufgerufen hat, ein Hinrichtungsmoratorium zu erlassen, mit dem Ziel die Todesstrafe ganz abzuschaffen. Die Wiederaufnahme von Hinrichtungen in Indien läuft globalen Entwicklungen zur Abschaffung der Todesstrafe zuwider.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
President Pranab Mukherjee
Rashtrapati Bhavan
New Delhi 110 004, INDIEN
(Anrede: Dear President Mukherjee / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 91) 11 230 172 90 oder (00 91) 11 230 178 24
E-Mail: (über Formular) http://helpline.rb.nic.in/

MINISTERPRÄSIDENT VON KARNATAKA
Jagadish Shivappa Shettar
Vidhana Soudha, Dr. Ambedkar Veedhi
Bangalore 560 001, INDIEN
(Dear Chief Minister / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 91) 80 222 810 21
E-Mail: chiefminister@karnataka.gov.in


KOPIEN AN

INNENMINISTER
Sushilkumar Shinde
104, North Block
Central Secretariat
New Delhi 110001, INDIEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 91) 11 230 942 21
E-Mail: hm@nic.in

BOTSCHAFT DER REPUBLIK INDIEN
I. E. Frau Sujatha Singh
Tiergartenstr. 17, 10785 Berlin
Fax: 030-2579 5102
E-Mail: dcm@indianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hindi, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 1. April 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the authorities to stop plans to execute Saibanna Ningapappa Natikar, or any other execution.
  • Urging them to commute all death sentences to terms of imprisonment.
  • Reminding them that the UN General Assembly has called repeatedly for a moratorium on executions, with a view to abolishing the death penalty, and pointing out that India's decision to resume executions has set it against the global trend towards abolition.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Bei den von Präsident Pranab Mukherjee seit der Übernahme seines Amtes Ende 2012 bereits mindestens drei weiteren abgelehnten Gnadengesuchen handelt es sich um die von Ajmal Kasab, Saibanna und Afzal Guru. Das Todesurteil von Atbir hat der Staatspräsident umgewandelt. Ajmal Kasab wurde am 21. November 2012 und Afzal Guru am 9. Februar 2013 hingerichtet. Davor war zuletzt Dhananjoy Chatterjee im August 2004 hingerichtet worden. Diese Wiederaufnahme von Hinrichtungen nach einer achtjährigen Unterbrechung läuft regionalen und globalen Entwicklungen zur Abschaffung der Todesstrafe zuwider. In der Vergangenheit haben die indischen Behörden die Öffentlichkeit stets über das Ablehnen von Gnadengesuchen und geplante Hinrichtungstermine in Kenntnis gesetzt. In der vom UN-Menschenrechtsausschuss verabschiedeten Resolution 2005/59 werden Staaten, die noch die Todesstrafe verhängen, aufgefordert, "die Öffentlichkeit über die Verhängung der Todesstrafe und alle festgelegten Hinrichtungstermine zu informieren". Die Familie von Afzal Guru wurde erst einen Tag nach der Hinrichtung über diese informiert. Der Leichnam des Mannes ist der Familie nicht zur Bestattung überstellt worden.

Insgesamt haben sich 140 Staaten in Gesetz oder Praxis gegen die Todesstrafe entschieden. Im Jahr 2011 wurden in nur 21 Staaten Hinrichtungen vollzogen, d.h. in weniger als 10 Prozent der Welt. Von 41 Staaten im asiatisch-pazifischen Raum haben 17 die Todesstrafe vollständig abgeschafft, weitere zehn führen sie in der Praxis nicht mehr durch und Fidschi wendet sie nur noch bei außerordentlichen militärischen Verbrechen an. In den letzten zehn Jahren haben vier asiatisch-pazifische Staaten die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft: Bhutan und Samoa im Jahr 2004, die Philippinen 2006 und die Cook Inseln 2007. UN-Institutionen und -Mechanismen haben Mitgliedstaaten wiederholt dazu aufgerufen, ein Hinrichtungsmoratorium zu verhängen mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen. Unter anderem wurde dies in der Verabschiedung von drei Resolutionen der UN-Generalversammlung zur Todesstrafe im Dezember 2007, 2008, 2010 und 2012 deutlich. Indien hat gegen alle vier Resolutionen gestimmt. In einer allgemeinen Bemerkung des UN-Menschenrechtsausschusses zu Artikel 6 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat Indien ist, heißt es, dass Artikel 6 sich "allgemein auf die Abschaffung [der Todesstrafe] in einer Weise bezieht, die sehr nahe legt, dass die Abschaffung wünschenswert ist" und dass "alle Maßnahmen zur Abschaffung der Todesstrafe als Fortschritt im Hinblick auf die Wahrung des Rechts auf Leben betrachtet werden sollten". Amnesty International wendet sich in allen Fällen und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderer Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt und das Recht auf Leben verletzt.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-041/2013, AI-Index: ASA 20/007/2013, Datum: 18. Februar 2013 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2013