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AKTION/1253: Urgent Action - Brasilien, Drohende Zwangsräumung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-321/2012, AI-Index: AMR 19/016/2012, Datum: 26. Oktober 2012 - as

Brasilien
Drohende Zwangsräumung



170 ANGEHÖRIGE DER INDIGENEN GEMEINSCHAFT DER GUARANI-KAIOWÁ

Seit fast einem Jahr hält die Gemeinschaft der Guarani-Kaiowá von Pyelito Kue/Mbarakay zwei Hektar Waldgebiet am Ufer des Hovy-Flusses auf der Cambará-Farm in der Gemeinde Iguatemi im Bundesstaat Mato Grosso do Sul besetzt. Die Gemeinschaft hatte dieses kleine Stück ihres angestammten Landes im November 2011 wieder besetzt, nachdem ihr vorheriges Den 170 Angehörigen der indigenen Gemeinschaft der Guarani-Kaiowá von Pyelito Kue/Mbarakay, darunter 70 Kinder, droht die sofortige rechtswidrige Zwangsräumung von ihrem angestammten Land im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul. Wenn sie von dem Land vertrieben werden, müssten sie unter äußerst gefährlichen Bedingungen neben einer Straße leben.

Lager an einer Asphaltstraße von einer Wagenladung bewaffneter Männer angegriffen worden war, die ihre Hütten und Habe niederbrannten und mit Gummigeschossen auf sie zielten. Seit der Wiederbesetzung haben Bauern Zugangspunkte abgesperrt und der Gemeinschaft wurde der Zugang zu schulischen Einrichtungen, medizinischer Versorgung und der Versorgung mit Lebensmitteln verweigert.

Am 17. September bestätigte das zuständige Bundesgericht einen von den Bauern eingereichten Räumungsbefehl. Das Urteil wurde von BundesstaatsanwältInnen auf der Grundlage angefochten, das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem Land um angestammtes Land der Gemeinschaft handelt. Dies wurde im März 2012 in einem von der Regierungsbehörde für indigene Angelegenheiten (Fundação Nacional do ™ndio - FUNAI) veröffentlichten anthropologischen Fachbericht eindeutig festgestellt. In anderen Fällen haben Richter indigenen Gruppen erlaubt, während des oft sehr langwierigen Demarkationsverfahrens auf dem Land zu bleiben.

Die Gemeinschaft hat ihren Anspruch auf das angestammte Land nochmals betont und geschworen, Widerstand gegen jeglichen Versuch zu leisten, sie von dort zu entfernen. In einem offenen Brief an die brasilianische Regierung und die Justiz schrieb sie: "Wir wissen, dass wir von den Gerichten vom Ufer des Flusses vertrieben werden, aber wir haben beschlossen, nicht zu gehen. Wir als indigenes Urvolk haben beschlossen, uns hier zusammen töten zu lassen."


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der Bundesstaat Mato Grosso do Sul umfasst einige der kleinsten, ärmsten und am dichtest besiedelten indigenen Regionen Brasiliens: ländliche und verarmte Regionen, umgeben von großen Soja- und Zuckerrohrplantagen sowie Viehfarmen, auf denen das Leben von Krankheit und schlechten Lebensbedingungen gekennzeichnet ist. Rund 60 000 Guarani-Kaiowá leben in prekären Verhältnissen. Der Zusammenbruch des sozialen Systems hat Gewalt und hohe Selbstmordraten hervorgebracht und zu Unterernährung geführt. Die nur schleppend verlaufende Übergabe des Landes von den LandbesitzerInnen an die indigenen Gemeinschaften hat bei den Guarani-Kaiowá große Enttäuschung ausgelöst und sie dazu veranlasst, ihrerseits mit der Besetzung angestammten Landes zu beginnen. Daraufhin wurden sie eingeschüchtert und mit Gewalt von dem Land vertrieben, das sie besetzt hatten.

Im November 2007 unterzeichneten der Justizminister, der Generalbundesanwalt, FUNAI-VertreterInnen und 23 SprecherInnen indigener Gemeinschaften ein Abkommen (Termo de Adjustamento de Conduta - TAC). In dem Abkommen verpflichtet sich FUNAI, bis April 2010 insgesamt 36 Stücke Land der Guarani-Kaiowá, einschließlich des Gebiets von Pyelito Kue/Mbarakay, zu demarkieren und an die Gemeinschaft zurückzugeben. Mangelnde Ressourcen und anhängige Gerichtsverfahren haben dazu geführt, dass der Demarkierungsprozess nach wie vor nicht stattgefunden hat.

Da die Klärung von Landkonflikten immer wieder scheitert, müssen mittlerweile mehrere Gemeinschaften der Guarani-Kaiowá am Rand von Schnellstraßen leben. Sie werden von MitarbeiterInnen der Sicherheitsdienste bedroht, welche die Guarani-Kaiowá an der Wiederbesetzung von Ländereien hindern sollen. Außerdem leiden die Guarani-Kaiowá unter gesundheitlichen Problemen, die auf die schlechten Bedingungen in den Notunterkünften und auf mangelnde medizinische Versorgung zurückzuführen sind. Zahlreiche Guarani-Kaiowá sind außerdem bei Verkehrsunfällen verletzt oder sogar getötet worden.

Sowohl die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker, die Brasilien im Jahr 2007 unterzeichnet hat, als auch das von der brasilianischen Regierung ratifizierte Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation gewährleisten indigenen Völkern das Recht auf Land, das traditionell ihnen gehört. Außerdem werden darin die Staaten aufgefordert, Mechanismen zu entwickeln, mit deren Hilfe diese Rechte zugesprochen und anerkannt werden können. Nicht zuletzt bekräftigt die brasilianische Verfassung von 1988 die Rechte der indigenen Völker Brasiliens auf ihr Land. Die Verfassung verpflichtet den Staat, das Land der indigenen Bevölkerung zu demarkieren.


SCHREIBEN SIE BITTE

LUFTPOSTBRIEFE, FAXE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, den Räumungsbefehl sofort auszusetzen, bis die Frage der Ausdehnung des angestammten Landes von Pyleito Kue/Mbarakay durch die Veröffentlichung des endgültigen Berichts der FUNAI geklärt wurde.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass die Gemeinschaft angemessenen Zugang zu Grundversorgungsleistungen wie Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung hat, und gehen Sie Anschuldigungen über Drohungen gegen die Gemeinschaft nach.
  • Ich fordere Sie auf, ihrer Verpflichtung gemäß der Konvention Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation, der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker und der brasilianischen Verfassung nachzukommen, indem Sie alle ausstehenden Demarkierungen abschließen.

APPELLE AN

JUSTIZMINISTER
Exmo. Sr. José Eduardo Martins Cardozo
Esplanada dos Ministérios,
Bloco "T", 4º andar, 70712-902 - Brasília/DF
BRASILIEN (korrekte Anrede: Exmo. Sr. Ministro / Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (0055) 61 2025 7803

MINISTERIN FÜR MENSCHENRECHTE
Secretaria Especial de Direitos Humanos
Exma Sra. Ministra Maria do Rosário Nunes
Setor Comercial Sul-B, Quadra 9, Lote C
Edificio Parque Cidade Corporate, Torre "A", 10º andar,
70308-200 - Brasília/DF
BRASILIEN
(korrekte Anrede: Exmo. Sra. Ministra / Dear Secretary / Sehr geehrter Frau Ministerin)
Fax: (00 55) 61 3226 7980


KOPIEN AN

MENSCHENRECHTSORGANISATION
Conselho Indigenista Missionário (CIMI)
CIMI Regional Mato Grosso do Sul
Av. Afonso Pena
1557 Sala 208 Bl.B, 79002-070 Campo Grande/MS
BRASILIEN

BOTSCHAFT DER FÖDERATIVEN REPUBLIK BRASILIEN
S.E. Herrn Everton Vieira Vargas
Wallstraße 57
10179 Berlin
Fax: 030-7262 83-20
oder 030-7262 83-21
E-Mail: brasil@brasemberlim.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Portugiesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 7. Dezember 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling for the immediate suspension of the eviction order, pending a completion of the issuing of FUNAI's final report defining the extent of Pyleito Kue/Mbarakay ancestral lands.
  • Calling for the authorities to ensure the community has adequate access to basic services, including food, water and healthcare, and investigate any allegations of threats against them.
  • Urging them to fulfil their obligations under the International Labour Organization (ILO)'s Convention 169, the UN Declaration on the Rights of Indigenous Peoples and the Brazilian constitution by completing all outstanding land demarcations.

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-321/2012, AI-Index: AMR 19/016/2012, Datum: 26. Oktober 2012 - as
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2012