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AKTION/1222: Urgent Action - Argentinien, trotz Vergewaltigung keine Abtreibung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-308/2012, AI-Index: AMR 13/006/2012, Datum: 11. Oktober 2012 - ar

Argentinien
Trotz Vergewaltigung keine Abtreibung



32-JÄHRIGE SCHWANGERE FRAU

Eine Frau, die monatelang gegen ihren Willen in einem Bordell festgehalten und dort infolge einer Vergewaltigung schwanger wurde, hat laut eines Richterentscheids keinen Anspruch auf eine legale Abtreibung.

Am 9. Oktober sagte das Ramos-Mejia-Krankenhaus in Buenos Aires den geplanten Schwangerschaftsabbruch einer 32-jährigen Frau ab. Eine katholische Organisation war mit einer Verfassungsbeschwerde (recurso de amparo) gegen den Eingriff vorgegangen, woraufhin ein Gericht die Abtreibung untersagte. Die Beschwerde konnte nur deshalb eingelegt werden, weil der Bürgermeister von Buenos Aires, Mauricio Macri, unbefugt vertrauliche medizinische Unterlagen und Patienteninformationen öffentlich gemacht hatte. Am 3. Oktober hatte er das Datum und den Ort der geplanten Abtreibung sowie einige persönliche Informationen über die Frau veröffentlicht. Gegen den Gerichtsentscheid wurden Rechtsmittel eingelegt. In der Zwischenzeit ist der Frau der Zugang zu einem medizinisch sicheren Schwangerschaftsabbruch verwehrt.

Im März dieses Jahres entschied der Oberste Gerichtshof von Argentinien, dass Vergewaltigungsopfern auf deren Wunsch hin immer eine medizinisch sichere Abtreibung gewährt werden muss, und dass für die Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs keine richterliche Anordnung nötig ist. Die Entscheidung der zuständigen Richterin in diesem Fall läuft dem Urteil des Obersten Gerichtshofs zuwider und kommt Folter und grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gleich.

Die Frau ist derzeit in der neunten Woche schwanger. Presseberichten zufolge war sie als Opfer des Sexhandels gegen ihren Willen festgehalten worden, bevor sie fliehen und eine Abtreibung verlangen konnte. Seitdem soll sie von Mitgliedern der Banden (mafiosos), die sie festgehalten hatten, bedroht werden.

Vor zwei Wochen erließ das Parlament in Buenos Aires ein Gesetz, das legale Abtreibungen (abortos no punibles) für Vergewaltigungsopfer und in Fällen, in denen eine Austragung des Kindes die Gesundheit der Mutter gefährden würde, erlaubt. Der Bürgermeister von Buenos Aires hat jedoch angekündigt, sich gegen das Gesetz zu stellen, da es seiner Ansicht nach weit über das Urteil des Obersten Gerichtshofs hinausgehe.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Laut Paragraf 86 des argentinischen Strafgesetzbuchs haben Frauen und Mädchen das Recht auf eine legale Abtreibung, wenn die Schwangerschaft ein Risiko für ihre geistige oder körperliche Gesundheit darstellt oder die Folge einer Vergewaltigung ist. Obwohl dieser Paragraf seit 1921 in Kraft ist, wird er immer wieder anders gedeutet, was zur Folge hat, dass RichterInnen und ÄrztInnen die strafgesetzliche Regelung nach ihrem persönlichen Ermessen auslegen. Dies führte in der Vergangenheit wiederum dazu, dass Frauen und Mädchen nur eingeschränkt Zugang zu legaler Abtreibung gewährt wurde. Daher klärte der Oberste Gerichtshof mit seinem Urteil vom 13. März den Inhalt des Paragrafen 86 und legte fest, dass Vergewaltigungsopfern auf deren Wunsch hin immer eine sichere Abtreibung gewährt werden muss, und dass für die Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs keine richterliche Anordnung nötig ist. Mehrere Vertragsorgane - wie z. B. der Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, der Menschenrechtsausschuss und der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte - rufen Argentinien bereits seit einiger Zeit dazu auf, sein Abtreibungsgesetz zu prüfen und zu überarbeiten, um sicherzustellen, dass Frauen keine unsicheren Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und damit womöglich ihr Leben riskieren müssen.

Amnesty International betrachtet die Verweigerung einer medizinisch sicheren und legalen Abtreibung bei Schwangerschaften infolge einer Vergewaltigung als Menschenrechtsverletzung. Dadurch werden Frauen nach der Tat ein weiteres Mal zum Opfer. Das Einschalten der Justiz führt zu nicht vertretbaren Verzögerungen beim Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie dringend, der betroffenen Frau jegliche nötige und geforderte medizinische Versorgung, einschließlich eines Schwangerschaftsabbruchs und psychosozialer Betreuung, zu gewähren.
  • Es bereitet mir Sorge, dass die Frau bedroht worden ist, und ich möchte Sie daher eindringlich bitten, ihre Sicherheit zu garantieren. Leiten Sie darüber hinaus bitte alle nötigen Schritte ein, um den Frauenhandel in Argentinien zu unterbinden.
  • Ich erwarte, dass Frauen Zugang zu einer sicheren Abtreibungsmöglichkeit erhalten, und dass umgehend Vorgaben umgesetzt werden, die dem Gesundheitspersonal Richtlinien für legale Schwangerschaftsabbrüche an die Hand geben.
  • Es beunruhigt mich, dass der Bürgermeister von Buenos Aires unbefugt vertrauliche medizinische Unterlagen und Patienteninformationen öffentlich gemacht hat. Dies könnte die Frau zusätzlich in Gefahr bringen.

APPELLE AN

BÜRGERMEISTER VON BUENOS AIRES
Mauricio Macri
Jefe de Gobierno
Av. De Mayo 525 Piso 1º
Ciudad Autónoma de Buenos Aires, CP
ARGENTINIEN
(Anrede: Estimado Jefe de Gobierno / Sehr geehrter Herr Gouverneur / Dear Governor)
Fax: (00 595) 11 4343 4073
E-Mail: mmacri@buenosaires.gov.ar

GESUNDHEITSMINISTERIN VON BUENOS AIRES
Sra. Graciela Reybaud
Ministra de Salud de la Ciudad de Buenos Aires
Carlos Pellegrini 311
ARGENTINIEN
(Anrede: Estimada Ministra / Sehr geehrte Frau Ministerin / Dear Minister of Health)
E-Mail: greybaud@buenosaires.gob.ar

GESUNDHEITSMINISTER
Dr. Juan Luis Manzar
Ministro de Salud
Av. 9 de Julio 1925
Cdad. Aut. de Buenos Aires
C1073ABA
ARGENTINIEN
(Anrede: Estimado Ministro / Sehr geehrter Herr Minister / Dear Minister)
Fax: (00 54) 11 4381 6075
E-Mail: consultas@msal.gov.ar


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARGENTINISCHEN REPUBLIK
S.E. Herrn Victorio María José Taccetti
Kleiststraße 23-26
10787 Berlin
Fax: 030-229 14 00
E-Mail: info@embargent.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. November 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Buenos Aires authorities to provide all necessary health care, including abortion and psychosocial care, requested by the woman.
  • Expressing concerns about the threats against the woman and urging the authorities to guarantee her safety and take the necessary measures to stop women trafficking in the country.
  • Urging the authorities of Buenos Aires to ensure access to safe abortions and to implement without delay protocols that provide guidance to health workers on the provision of legal abortion.
  • Expressing concern about the unauthorised release of confidential medical and patient information by the Buenos Aires Governor, which may well contribute to endanger the safety of the woman.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-308/2012, AI-Index: AMR 13/006/2012, Datum: 11. Oktober 2012 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2012