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AKTION/1206: Urgent Action - Syrien, Schicksal zweier Männer unbekannt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-298/2012, AI-Index: MDE 24/080/2012, Datum: 4. Oktober 2012 - ar

Syrien
Schicksal zweier Männer unbekannt



KHALIL MA'TOUQ, 53-jähriger Menschenrechtsanwalt
MOHAMMED THATHA, 47 Jahre

Von dem syrischen Menschenrechtsanwalt Khalil Ma'touq und seinem Freund Mohammed Thatha fehlt seit dem 2. Oktober jede Spur. Es muss befürchtet werden, dass sie sich in Gewahrsam befinden und ihnen Folter und andere Misshandlungen drohen.

Der Menschenrechtsanwalt Khalil Ma'touq und ein Freund von ihm, Mohammed Thatha, verließen laut Aussagen ihrer Familienangehörigen und KollegInnen am 2. Oktober die Wohnung von Khalil Ma'touq in Sahnaya, kamen jedoch nie im Büro des Menschenrechtsanwalts in Damaskus an. Auf dem Weg, den Khalil Ma'touq normalerweise zur Arbeit nimmt, befinden sich mehrere Kontrollpunkte der Regierung. Beide Männer sind telefonisch nicht mehr zu erreichen. Die Familien von Khalil Ma'touq und Mohammed Thatha haben die Behörden wiederholt um Informationen bezüglich einer möglichen Festnahme der beiden Männer, ihres Wohlergehens und ihres Verbleibs gebeten, jedoch bisher keine Antwort erhalten.

Familienangehörige und KollegInnen der beiden Männer sind der Ansicht, dass Khalil Ma'touq und Mohammed Thatha wegen des menschenrechtlichen Engagements von Khalil Ma'touq inhaftiert worden sein könnten. Der Menschenrechtsanwalt sei zudem vor Kurzem für eine medizinische Behandlung nach Frankreich gereist, was ihn in den Augen der Behörden verdächtig gemacht haben könnte. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass Khalil Ma'touq an einer schweren Lungenerkrankung leidet. Aufgrund einer chronischen Entzündung ist seine Lungenfunktion einschränkt, was ihm starke Atembeschwerden verursacht. Er muss regelmäßig Medikamente einnehmen und laut seiner Familie ständig ärztlich überwacht werden. Khalil Ma'touq gehört der christlichen Minderheit in Syrien an und ist seit vielen Jahren als Menschenrechtswanwalt tätig. Er hat Hunderte von politischen Häftlingen und gewaltlosen politischen Gefangenen verteidigt. Zu seinen Mandanten gehörten auch solche, die sich vor dem Obersten Staatssicherheitsgericht (Supreme State Security Court) verantworten mussten, welches den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren bei Weitem nicht genügte und 2011 abgeschafft wurde. Khalil Ma'touq durfte wegen seiner Menschenrechtsaktivitäten von 2005 bis 2011 nicht ausreisen und wurde 2010 in einem unfairen Verfahren in Abwesenheit zu zwei Jahren Haft verurteilt, die er aber nie antreten musste.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Seit Ausbruch der Proteste im Februar 2011 sind tausende mutmaßliche GegnerInnen der syrischen Regierung festgenommen und viele, vermutlich sogar die Mehrzahl, gefoltert und anderweitig misshandelt worden. Amnesty International liegen die Namen von mehr als 570 Menschen vor, die Berichten zufolge in dieser Zeit in Haft gestorben sind. Die Organisation hat außerdem zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Häftlinge gefoltert oder anderweitig misshandelt wurden. Weitere Informationen hierzu finden Sie in dem englischen Bericht: "I wanted to die": Syria's torture survivors speak out, online unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/016/2012/en

Die Situation hat sich inzwischen fast im gesamten Land zu einem internen bewaffneten Konflikt entwickelt. Systematische und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mögliche Kriegsverbrechen sind mittlerweile in Syrien an der Tagesordnung, und die Zivilbevölkerung leidet am meisten darunter. Amnesty International hat zahlreiche solcher Fälle dokumentiert, so z. B. in den englischsprachigen Berichten Civilians bearing the brunt in the battle for Aleppo, online unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/073/2012/en) und Indiscriminate attacks terrorize and displace civilians, online unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/078/2012/en.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, die Familienangehörigen von Khalil Ma'touq und Mohammed Thatha über das Schicksal und den Verbleib der beiden Männer zu informieren. Sollten sich die Männer in staatlichem Gewahrsam befinden und nur wegen der Menschenrechtsaktivitäten von Khalil Ma'touq oder der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert sein, so müssen die beiden Männer unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden.
  • Sollten sich Khalil Ma'touq und Mohammed Thatha in staatlichem Gewahrsam befinden, so bitte ich Sie, sicherzustellen, dass sie weder gefoltert noch misshandelt werden und umgehend Zugang zu ihren Familienangehörigen und einem Rechtsbeistand ihrer Wahl erhalten.
  • Sollten sich die beiden Männer in staatlichem Gewahrsam befinden, möchte ich Sie außerdem dringend bitten, Khalil Ma'touq Zugang zu jeder benötigten medizinischen Versorgung zu gewähren, wenn nötig auch in zivilen Krankenhäusern mit entsprechender Ausstattung.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410 (Bitte sagen Sie "Fax") (Briefe werden derzeit nicht zugestellt. Bitte nur Faxe schicken!)

INNENMINISTER
Major General Mohamad Ibrahim al-Shaar
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 311 0554 (Bitte sagen Sie "Fax") (Briefe werden derzeit nicht zugestellt. Bitte nur Faxe schicken!)

AUSSENMINISTER Walid al-Mu'allim
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 214 6253 (Bitte sagen Sie "Fax") (Briefe werden derzeit nicht zugestellt. Bitte nur Faxe schicken!)


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
Frau Abir Jarf
Geschäftsträgerin a. i., Gesandte - Botschaftsrätin
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 15. November 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Syrian authorities to urgently inform Khalil Ma'touq and Mohammed Thatha's families of their fate and whereabouts. If they are in detention and are held solely on account of Khalil Ma'touq's human rights work or for the peaceful exercise of their rights to freedom of expression, association and assembly, they should be released immediately and unconditionally.
  • If they are detained, urging them to ensure that both men are protected from torture and other ill-treatment, and allowed immediate contact with their families and lawyers of their choice.
  • If they are detained, urging the authorities to grant Khalil Ma'touq access to all necessary medical care, in civilian hospitals with specialized facilities if required.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die Mehrzahl der von Amnesty International dokumentierten Menschenrechtsverletzungen wurde von den staatlichen Streitkräften und den Milizen der als Shabiha bekannten regierungstreuen Gruppierungen begangen. Doch auch bewaffnete Oppositionskräfte sollen sich Menschenrechtsverstößen schuldig gemacht haben. So sollen sie u. a. gefangengenommene Angehörige der Armee und der Shabiha und auch vermeintliche RegierungsanhängerInnen und mutmaßliche InformantInnen entführt oder getötet haben. Außerdem sollen sie Zivilpersonen als Geiseln genommen haben, um so einen Gefangenenaustausch herbeiführen zu können. Amnesty International verurteilt diese Menschenrechtsverstöße scharf und hat die Führungsebene sämtlicher in Syrien operierender bewaffneter Oppositionsgruppen dazu aufgerufen, derartige Handlungen in einer öffentlichen Bekanntmachung zu verbieten und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit oppositionelle Gruppen keine Menschenrechtsverstöße mehr begehen. Auch andere Organisationen haben Menschenrechtsverletzungen in Syrien recherchiert und dokumentiert, so beispielsweise die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der UN zur Situation in der Arabischen Republik Syrien. Die Kommission hat ihren aktuellen Bericht am 15. August 2012 veröffentlicht.

Amnesty International ruft vor diesem Hintergrund weiterhin dazu auf, die Situation in Syrien der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterbreiten; ein internationales Waffenembargo gegen das Land zu verhängen, um so zu verhindern, dass Waffen an die syrische Regierung geliefert werden; und die Vermögenswerte von Präsident al-Assad und seinen engsten Vertrauten einzufrieren. An Staaten, die Waffenlieferungen an die bewaffnete syrische Opposition erwägen, richtet Amnesty International den eindringlichen Appell, mit geeigneten Mechanismen sicherzustellen, dass mit den gelieferten Waffen keine Menschenrechtsverletzungen und/oder Kriegsverbrechen begangen werden. Amnesty International fordert darüber hinaus die syrische Regierung auf, dem internationalen unabhängigen Untersuchungsausschuss sowie internationalen Menschenrechtsorganisationen und humanitären Organisationen ungehinderten Zugang zu allen Teilen des Landes zu gewähren.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-298/2012, AI-Index: MDE 24/080/2012, Datum: 4. Oktober 2012 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2012