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AKTION/1167: Urgent Action - Iran, Blogger und Aktivist befinden sich erneut in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-254/2012, AI-Index: MDE 13/060/2012, Datum: 30. August 2012 - ar

Iran Blogger und Aktivist befinden sich erneut in Haft



HOSSEIN RONAGHI MALEKI, Blogger

NAVID KHANJANI, Menschenrechtsverteidiger

Hossein Ronaghi Maleki und Navid Khanjani wurden am 22. August erneut festgenommen, als iranische Sicherheitskräfte ein Nothilfelager für Erdbebenopfer in der Provinz Ost-Aserbaidschan gewaltsam auflösten. Beide Männer werden an einem unbekannten Ort festgehalten. Am 22. August sollen PolizeibeamtInnen und Sicherheitskräfte in Zivil in ein Nothilfelager für Erdbebenopfer eingedrungen sein. Dabei nahmen sie den Blogger Hossein Ronaghi Maleki und den Menschenrechtler Navid Khanjani sowie zahlreiche weitere ehrenamtliche HelferInnen und AktivistInnen fest und lösten anschließend das Lager auf. Berichten zufolge fanden die Festnahmen um 23.00 Uhr statt. Die BeamtInnen legten den Festgenommenen Augenbinden an und brachten sie zur Vernehmung in eine Einrichtung des Geheimdienstministeriums in Täbris.

Am 24. August wurde Hossein Ronaghi Maleki aus der Einrichtung des Geheimdienstministeriums in Trakt 1 des Gefängnisses von Täbris verlegt. Ihm wird vorgeworfen, "unsaubere und unhygienische Güter verteilt" zu haben. Er soll während des Verhörs gefoltert und so heftig in den Nierenbereich geschlagen worden sein, dass die Wunde seiner kürzlich erfolgten Nierenoperation offenbar aufriss und heftig zu bluten begann. Trotz dieses Vorfalls ist ihm bisher keine medizinische Versorgung gewährt worden. Auch die Einnahme seiner Medikamente wird ihm bislang verweigert. Es besteht große Sorge, dass sich der Gesundheitszustand von Hossein Ronaghi Maleki nun rapide verschlechtern wird.

Navid Khanjani war 2011 in einem unfairen Prozess zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Als er nun in dem Nothilfelager festgenommen wurde, stand eine Aufforderung zum Antreten seiner Strafe noch aus. Er wurde ebenfalls unter der Anklage, "unsaubere und unhygienische Güter verteilt" zu haben, in Trakt 1 des Gefängnisses von Täbris gebracht.

Die meisten der am 22. August im Nothilfelager Festgenommen sind mittlerweile wieder freigelassen worden. Allerdings befinden sich Hossein Ronaghi Maleki und Navid Khanjani sowie einige weitere Personen nach wie vor in Haft. Die beiden Männer befinden sich seit dem 25. August in einem "trockenen" Hungerstreik, d. h. sie verweigern nicht nur feste Nahrung, sondern nehmen auch keine Flüssigkeit zu sich. Mit dem Hungerstreik protestieren sie gegen gegen ihre Festnahme und Inhaftierung. Am Nachmittag des 25. August wurden Hossein Ronaghi Maleki und Navid Khanjani von Angehörigen des Geheimdienstministeriums aus dem Gefängnis von Täbris abgeholt und an einen unbekannten Ort gebracht. Seitdem fehlt von ihnen jede Spur.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die iranischen Behörden haben darauf hingewiesen, dass die Nothilfe für Erdbebenopfer in den betroffenen Gebieten der Provinz Ost-Aserbaidschan den zuständigen staatlichen Stellen überlassen werden muss. Dennoch haben viele freiwillige HelferInnen aus Teheran und anderen Städten eigene Hilfseinsätze für die Erdbebenopfer koordiniert, da aufgrund der Erfahrung früherer Hilfseinsätze das Vertrauen in die staatlichen Behörden nicht sehr groß ist. Nach ihrer Festnahme traten alle so Inhaftierten in einen "trockenen" Hungerstreik und schrieben einen offenen Brief an die Oberste Justizautorität Ayatollah Sadegh Larijani, in dem sie betonten, dass sie sich allein deshalb in der Provinz Ost-Aserbaidschan aufhielten, um die Erdbebenopfer mit Hilfsgütern zu versorgen.

Vor seiner jüngsten Festnahme am 22. August war Hossein Ronaghi Maleki am 2. Juli gegen Zahlung einer Kautionssumme von 10 Mrd. Rial (umgerechnet knapp 650.000 Euro) aus der Haft entlassen worden. Er war 2010 in einem unfairen Prozess zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Ihm war unter anderem "Mitgliedschaft in der [illegalen] Internet-Gruppe 'Iran Proxy'", "Verbreitung von systemfeindlicher Propaganda" und "Beleidigung des Religionsführers und des Präsidenten" zur Last gelegt worden. Die Vorwürfe stehen offenbar in Verbindung mit Artikeln, die er auf seinem Blog "14 Tir" veröffentlicht hat. Am 5. Juli verfasste er einen weiteren Blogeintrag. Darin äußerte er sich mit den Worten: "Nachdem ich 32 Monate nichts in meinem Blog geschrieben habe, möchte ich mich - den Stift in der Hand - wieder zurückmelden. Mir geht es gut, weil meine Mutter nicht mehr weint und ihr Gesicht [vor Glück] wieder aufgeblüht ist."


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE LUFTPOSTBRIEFE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie höflich auf, Hossein Ronaghi Maleki und Navid Khanjani umgehend und bedingungslos freizulassen, da sie allein aufgrund ihrer menschenrechtlichen und humanitären Arbeit festgehalten werden.
  • Ich bitte Sie außerdem eindringlich, den Verbleib der beiden Männer bekannt zu machen, sie vor Folter und anderen Misshandlungen zu schützen und ihnen den Kontakt zu ihren Familien und Rechtsbeiständen ihrer Wahl zu gestatten.
  • Stellen Sie bitte zudem sicher, dass Hossein Ronaghi Maleki angemessen medizinisch behandelt wird.

APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid
Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Twitter: @khamenei_ir #freemaleki #freekhanjani
E-Mail: info_leader@leader.ir

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[c/o] Public Relations Office, Number 4
2 Azizi Street intersection
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info@dadiran.ir


KOPIEN AN

LEITER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
Mohammad Javad Larijani
High Council for Human Rights
[c/o] Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave
south of Serah-e Jomhouri
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Dear Sir / Sehr geehrter Herr Larijani)
(Betreff: FAO Mohammad Javad Larijani)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de oder info@iranbotschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 11. Oktober 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling for the immediate and unconditional release of Hossein Ronaghi Maleki and Navid Khanjani as they are being held solely for their activism and humanitarian work.
  • Calling on the Iranian authorities to reveal their whereabouts, to ensure they are protected from torture and other ill treatment, and that they are allowed access to their families and lawyers of their choosing.
  • Calling on the authorities to ensure that Hossein Ronaghi Maleki receives all adequate medical attention.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Navid Khanjani befand sich vor seiner Festnahme am 22. August auf freiem Fuß und wartete auf eine Aufforderung zum Antreten einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe. Er ist Mitglied der iranischen Menschenrechtsorganisation "Committee of Human Rights Reporters" (CHRR) und war am 31. Januar 2011 zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil wurde am 10. August 2011 durch die 54. Kammer des Revolutionsgerichts in Teheran bestätigt. Sein Rechtsbeistand wurde erst 14 Tage später über die Bestätigung des Urteils informiert. Die damalige Festnahme von Navid Khanjani erfolgte am 2. März 2010 in Esfahan. Am 20. Dezember 2010 fand vor der 26. Kammer des Revolutionsgerichts in Teheran ein unfairer Prozess gegen den Menschenrechtsverteidiger statt. Dem Vernehmen nach verurteilte das Gericht Navid Khanjani wegen seines Engagements für die Vereinigung gegen Diskriminierung im Bildungswesen (Association to Oppose Discrimination in Education - AODE) zu zehn Jahren und wegen seiner Mitarbeit bei der CHRR zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Darüber hinaus sollen wegen "Schürens von Unruhe im öffentlichen Bewusstsein" und "Propaganda gegen das System" weitere drei Jahre Haft gegen Navid Khanjani verhängt worden sein. Nachdem das Gericht angeblich "islamische Gnade" hatte walten lassen, setzte es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren fest.

Folter und andere Misshandlungen sind im Iran an der Tagesordnung, insbesondere während der Vernehmungsphase, wenn Gefangenen in der Regel der Zugang zu einem Rechtsbeistand und der Kontakt zur Außenwelt verweigert wird.

Weitere Informationen finden Sie in den Berichten: Vom Protest ins Gefängnis. Iran ein Jahr nach der Wahl. Juni 2010. Online unter:
http://www.amnesty.org/en/library/asset/MDE13/062/2010/en/44e7707d-dfda-4f99-8aa5-5c7f8ef225ff/mde130622010de.pdf
und Iran: Election Contested, Repression Compounded. Dezember 2009. Online unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE13/123/2009/en.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2012