Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/1081: Urgent Action - Russische Föderation - Mutmaßliche feministische Sängerinnen bald vor Gericht


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-122/2012-1, AI-Index: EUR 46/022/2012, Datum: 11. Juni 2012 - cr

Russische Föderation Mutmaßliche feministische Sängerinnen bald vor Gericht



NADEZHDA TOLOKONNIKOVA
MARIA ALEKHINA
EKATARINA SAMUTSEVICH

Die Ermittlungen gegen drei junge Frauen, die Mitglieder der feministischen Punkband "Pussy Riot" sein sollen, wurden abgeschlossen. Die Gruppe war mit einem Protestsong in einer Kathedrale aufgetreten. Den drei Frauen steht möglicherweise ein Gerichtsverfahren wegen "Rowdytums" bevor.

In der Amnesty International vorliegenden Anklageschrift wird den Frauen Rowdytum im Zusammenhang mit von einer Gruppe von Personen geplantem und zum Ausdruck gebrachten Hass (Artikel 213 des russischen Strafgesetzbuches) zur Last gelegt. Sollten sie für schuldig befunden werden, könnten Nadezhda Tolokonnikova, Maria Alekhina und Ekaterina Samutsevich bis zu sieben Jahre Haft bevorstehen.

Ihnen wird die offene Demonstration mangelnden Respekts gegenüber der orthodoxen Kirche, Verletzung von Gefühlen der Gläubigen sowie die Verunglimpfung der "spirituellen Grundlage des Staates" zur Last gelegt. In der Anklageschrift wird mehrfach betont, dass die Aktion zum Ziel hatte, Gläubige und den Großteil der [russischen] Nation zu beleidigen. Weiter heißt es, der Aktion fehle jede moralische wie ethische Grundlage und sie richte sich gegen die "gesamte orthodoxe Welt". Die Argumentation der Anklageschrift geht mit Formulierungen wie "die spirituelle Grundlage des Staates" über die Bestimmungen des russischen Rechts und die Regeln der orthodoxen Kirche hinaus. Die drei Frauen geben an, mit dem Protest in der Kathedrale nichts zu tun zu haben. Zudem zweifeln sie die Behauptung an, dass der Auftritt zum Hass anstiften sollte. Drei voneinander unabhängige Gutachten wurden eingeholt. Zwei von ihnen stimmten zu, dass die Aktion manchen Menschen gegenüber anstößig gewesen sein könne. Sie fanden jedoch keine Beweise dafür, dass die Frauen das Schüren von Hass beabsichtigt hatten. In dem dritten Gutachten heißt es, die Frauen hätten sehr wohl Hass geschürt. Die Verteidigung der drei Frauen gibt an, dem dritten Gutachten habe es an Sorgfalt gefehlt, und weigert sich deshalb, es anzuerkennen.

Seit der Festnahme der Frauen haben einige Angehörige ihrer Familien sowie einer der Anwälte Drohungen erhalten. Es scheint keine Ermittlungen in diesen Fällen zu geben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Seit ihrer Gründung im Jahr 2011 tritt die feministische Punkband "Pussy Riot" an öffentlichen Orten wie der Moskauer U-Bahn, dem Roten Platz in Moskau und auf Busdächern auf. In Interviews haben die Gruppenmitglieder den Medien gegenüber erklärt, dass sich ihr Protest unter anderem gegen die Einschränkung der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit in Russland richtet sowie gegen unfaire politische Verfahrensabläufe und die Konstruktion von Straftatbeständen gegen Oppositionelle.

Die Aufführung des Protestsongs der "Pussy Riot" in der Christ-Erlöser-Kathedrale zog eine weitreichende Diskussion in Blogs, sozialen Netzwerken und den Medien nach sich und führte sowohl zu unterstützenden als auch zu kritischen Reaktionen. Es gab auch diverse Äußerungen von VertreterInnen der russischen Regierung und der russisch-orthodoxen Kirche zu dem Auftritt. Anfangs forderte ein Vertreter der russich-orthodoxen Kirche Gnade für die Protestierenden. Doch später verlangten die KirchenvertreterInnen eine harte Bestrafung für die Frauen und ihre Strafverfolgung wegen des Schürens von Hass aufgrund der Religion.

Am 28. Mai wurden zwei Unterstützer der inhaftierten Frauen, Vasilii Bogatov und Arkadii Oleinikov, zu kurzzeitiger Verwaltungshaft verurteilt, weil sie vor dem Moskauer Stadtgericht gegen die Strafverfolgung der jungen Frauen protestiert hatten. Im Juni verurteilte ein Gericht in Novosibirsk den Künstler Artem Loskutow zu einer Geldstrafe, weil er an Plakatwänden in Novosibirsk zur Solidarität mit den drei jungen Frauen aufrufende Plakate aufgehängt hatte.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie nachdrücklich auf, die Anklagen wegen Rowdytums fallenzulassen und Nadezhda Tolokonnikova, Maria Alekhina und Ekaterina Samutsevich umgehend und bedingungslos freizulassen.
  • Bitte führen Sie sofort eine unparteiische Untersuchung der Drohungen gegen Familienangehörige und einen Rechtsbeistand der inhaftierten Frauen durch und stellen Sie sicher, dass Schutzmaßnahmen für die betreffenden Personen ergriffen werden, sollte dies nötig sein.

APPELLE AN

STAATSANWALT DES ZENTRALBEZIRKS MOSKAU
Denis Gennadievich Popov
Prosecutor's Office of the Central Administrative District
ul. L.Tolstogo, 8, str.1
Moscow 119021,
RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Prosecutor / Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)
Fax: (007) 499 245 77 56
E-Mail: prokcao@mosproc.ru

GENERALSTAATSANWALT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Yurii Yakovlevich Chaika
Prosecutor General's Office of the Russian Federation
Bolshaia Dmitrovka, 15 A
Moscow, GSP-3, 107048
RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 7) 495 692 1725 (Wenn jemand abhebt, bitte deutlich "FAX" sagen)
E-Mail: prgenproc@gov.ru


KOPIEN AN

LEITER DER UNTERSUCHUNGSABTEILUNG DES AMTS FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN
ZENTRALBEZIRK MOSKAU
Head of the Investigative Department
Igor Victorovich Litvinov
Investigative Department of the Directorate of the Internal Affairs (YVD) for Central Administrative District
Ul.Sredniaia Kalitnikovskaia, 31
Moscow 109029
RUSSISCHE FÖDERATION
Fax: (007) 495 675 39 80 (Wenn jemand abhebt, bitte deutlich "FAX" sagen)

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65, 10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 23. Juli 2012 keine Appelle mehr zu verschicken. Weitere Informationen zu UA-122/2012 (EUR 46/017/2012, 30. April 2012)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Russian authorities to drop the charges of hooliganism and immediately and unconditionally release Maria Alekhina, Ekaterina Samutsevich and Nadezhda Tolokonnikova.
  • Urging the Russian authorities to immediately and impartially investigate threats received by the family members and lawyers of the three women and, if necessary, ensure their protection.

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-122/2012-1, AI-Index: EUR 46/022/2012, Datum: 11. Juni 2012 - cr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach - 53108 Bonn
Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2012