Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/1080: Urgent Action - Israel / besetzte palästinensische Gebiete - Mahmoud al-Sarsak sterbenskrank


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-119/2012-3, AI-Index: MDE 15/032/2012, Datum: 11. Juni 2012 - gs

Israel / besetzte palästinensische Gebiete
Palästinenser sterbenskrank im Gefängnishospital

Weitere Informationen zu UA-119/2012 (MDE 15/023/2012, 27. April 2012, MDE 15/025/2012, 4. Mai 2012 und MDE 15/028/2012, 18. Mai 2012))



Herr MAHMOUD AL-SARSAK
Herr THA'ER HALAHLEH (freigelassen)

Die israelischen Behörden lehnen die Verlegung des im Hungerstreik befindlichen palästinensischen Fußballspielers Mahmoud al-Sarsak in ein Krankenhaus ab, das in der Lage wäre, ihm die notwendige Versorgung zukommen zu lassen. Der Verwaltungshäftling Tha'er Halahleh ist dagegen am 5. Juni freigelassen worden.

Am 6. Juni wurde es einem unabhängigen Arzt der Organisation Physicians for Human Rights (PHR) erstmals gestattet, den seit dem 19. März im Hungerstreik befindlichen Mahmoud al-Sarsak im Gefängniskrankenhaus in Ramleh aufzusuchen. Der Arzt äußerte nach einer Untersuchung von Mahmoud al-Sarsak und eines weiteren dort inhaftierten hungerstreikenden Palästinensers die Sorge, dass das Leben beider Männer in Gefahr sei. Er riet eindringlich dazu, beide Gefangene unverzüglich in ein ziviles Krankenhaus zu verlegen, damit sie dort die dringend benötigte fachärztliche Behandlung erhalten. Mahmoud al-Sarsak ist seit dem 6. Juni jeweils nach Ohnmachtsanfällen drei Mal in zivile Kliniken eingeliefert worden, anschließend jedoch wieder ins Gefängniskrankenhaus zurückgebracht worden.

Der Arzt der PHR gab an, die Krankenhausverwaltung in Ramleh habe ihm keinen Einblick in die Krankenakte von Mahmoud al-Sarsak gestattet. Bei der Untersuchung des Gefangenen und im Gespräch mit ihm habe er jedoch festgestellt, dass Mahmoud al-Sarsak ein Drittel seines Gewichts verloren hat, unter häufigen Ohnmachtsanfällen leidet und Gedächtnislücken aufweist. Außerdem seien bei ihm lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen aufgetreten. Mahmoud al-Sarsak darf nach wie vor keinen direkten Kontakt zu seiner Familie aufnehmen. Seit seiner Verlegung kann er lediglich über Delegierte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und RechtsanwältInnen mit seiner Familie Informationen austauschen.

Tha'er Halahleh ist am 5. Juni bei Ablauf seiner Verwaltungshaftordnung freigelassen worden, nachdem er fast zwei Jahre ohne Anklage und ohne Prozess inhaftiert gewesen war. Vom 26. Juni 2010 an hatte er aus Protest gegen die Fortdauer seiner Haft ohne Gerichtsverfahren für 77 Tage die Nahrungsaufnahme verweigert. Am 14. Mai sicherten die Behörden Tha'er Halahleh zu, die gegen ihn ergangene Verwaltungshaftanordnung werde kein weiteres Mal verlängert, sofern er seinen Hungerstreik beendet. Unmittelbar nach seiner Freilassung wurde Tha'er Halahleh in ein Krankenhaus in Hebron eingeliefert.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Mahmoud al-Sarsak, Mitglied der palästinensischen Fußballnationalmannschaft, befindet sich seit dem 22. Juli 2009 ohne Anklage in Haft. Am 19. März 2012 trat er aus Protest gegen die am 1. März 2012 angeordnete Fortdauer seiner Haft ohne Anklageerhebung in den Hungerstreik. Während andere hungerstreikende Verwaltungsgefangene am 14. Mai mit den israelischen Behörden zu einer Einigung gelangten, verweigerte Mahmoud al-Sarsak weiterhin die Nahrungsaufnahme und forderte, umgehend freigelassen zu werden. Die rechtliche Grundlage für seine Haft bildet das Gesetz über die Internierung ungesetzlicher Kombattanten, auf das sich die israelischen Behörden derzeit berufen, um BewohnerInnen des Gazastreifens zeitlich unbefristet die Freiheit zu entziehen. Bilal Diab, dessen Festnahme am 17. August 2011 stattgefunden hatte, trat Ende Februar 2012 in den Hungerstreik. In der Folgezeit wurde er mit angelegten Fesseln mehrmals zur Notversorgung in die Assaf-Harofeh-Klinik gebracht, nach mehreren Stunden aber wieder in den Krankentrakt des Gefängnisses von Ramleh zurückverlegt. Am 7. Mai wies der Oberste Gerichtshof Israels eine Klage gegen die andauernde Verwaltungshaft von Bilal Diab ab. In den Abendstunden des 14. Mai beendete der Gefangene seinen Hungerstreik, nachdem die israelischen Behörden für den 18. August seine Freilassung in Aussicht gestellt hatten, sofern keine "wesentlich neuen Geheimdienstinformationen" auftauchen. Ein Arzt der PHR, der ihn am 6. Juni im Gefängniskrankenhaus besucht hat, erklärte anschließend, es ei nicht die notwendige Sorgfalt darauf verwandt worden, den Häftling bei der Wiederaufnahme von Nahrung zu begleiten und zu unterstützen. Der am 29. Juni 2011 festgenommene Hassan Safadi begann seinen Hungerstreik am oder um den 2. März 2012 herum. Am 7. Mai besuchte ihn ein der PHR nahestehender Arzt, der anschließend angab, dem Gefangenen werde seit Anfang Mai gegen seinen Willen eine Salz, Glukose und andere Mineralien enthaltende Flüssigkeit injiziert. Bei einem weiteren Besuch am 6. Juni stellte ein Mediziner der PHR fest, dass sich der Gesundheitszustand von Hassan Safadi verbessere, die medizinische Begleitung seiner Heranführung an eine reguläre Nahrungsaufnahme jedoch zu wünschen übrig lasse. Berichten zufolge ist Hassan Safadi in das Hadarim-Gefängnis in Nordisrael verlegt worden, dessen medizinische Ausstattung nur aus dem Notwendigsten besteht.

Omar Abu Shalal, der sich seit dem 15. August 2011 in Haft befindet, begann seinen Hungerstreik am 4. März. Seit dem 14. Mai nimmt er wieder Nahrung zu sich. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist das Gefängniskrankenhaus in Ramleh. Der am 21. März 2012 festgenommene Ja'afar Izz al-Din trat noch im selben Monat in den Hungerstreik. Am 6. Mai wies das Militärische Berufungsgericht den Einspruch des Gefangenen gegen seine Verwaltungshaft zurück. Auch Ja'afar Izz al-Din beendete seinen Hungerstreik am 14. Mai und wurde daraufhin in das im Süden Israels gelegene Ketziot-Gefängnis verlegt. Die gegen ihn erlassene Verwaltungshaftanordnung läuft am 2. Juli aus.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, dafür Sorge zu tragen, dass Mahmoud al-Sarsak und alle übrigen im Hungerstreik befindlichen Gefangenen unverzüglich zur stationären Behandlung in ein ziviles Krankenhaus verlegt werden, da nur dort die notwendige medizinische Hilfe geboten werden kann.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass die genannten Männer wie auch alle übrigen Gefangenen vor grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung geschützt sind. Zu einer solchen Behandlung zählt auch die Ankettung von hungerstreikenden Gefangenen.
  • Ich appelliere an Sie, alle Verwaltungshäftlinge, unter ihnen Mahmoud al-Sarsak und die übrigen vier Männer, umgehend freizulassen, es sei denn, sie werden einer erkennbar strafbaren Handlung angeklagt und in Verfahren vor Gericht gestellt, die internationalen Standards der Fairness entsprechen.
APPELLE AN

STELLVERTRETENDER MINISTERPRÄSIDENT UND VERTEIDIGUNGSMINISTER
Ehud Barak, Ministry of Defence, 37 Kaplan Street, Hakirya
Tel Aviv 61909, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Minister /Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 3 69 16940 oder (00 972) 3 69 62757

LEITER DER GEFÄNGNISVERWALTUNG
Lieutenant-General Aharon Franco
Israel Prison Service
P.O.Box 81, Ramleh 72100, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Lieutenant-General / Sehr geehrter Herr Generalleutnant)
Fax: (00 972) 8 919 3800


KOPIEN AN

GENERALANWALT
Brigadier General Danny Efroni
6 David Elazar Street
Hakirya, Tel Aviv, ISRAEL
(korrekte Anrede: Dear Judge Advocate General/ Sehr geehrter Herr Generalanwalt)
Fax: (00 972) 3 569 4526
E-Mail: avimn@idf.gov.il

OTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Jaakov Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76, 14193 Berlin
Fax: (030) 8904 5555
E-Mail: botschaft@israel.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 23. Juli 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urge the authorities to ensure that Mahmoud al-Sarsak, and any other prisoners on prolonged hunger strikes, are immediately admitted to hospital for urgent specialized medical care which is only available in a civilian hospital.
  • Urge them not to submit these men or any other detainee or prisoner to cruel, inhuman and degrading treatment, such as shackling detainees or prisoners who are or were on hunger strike.
  • Call on them to release immediately all administrative detainees, including Mahmoud al-Sarsak and the other four men, unless they are promptly charged with internationally recognizable criminal offences and brought to trial in proceedings that meet international fair trial standards.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Aus Protest gegen ihre Haftbedingungen, ihre Abschottung von der Außenwelt, die Verweigerung von Familienbesuchen und ihre Inhaftierung ohne Anklage und Gerichtsverfahren traten am 17. April Schätzungen zufolge rund 2000 palästinensische Gefangene in den Hungerstreik. Am 14. Mai kam es unter ägyptischer Vermittlung zu einer Vereinbarung. Israel sicherte unter anderem zu, die gegen 19 Gefangene seit bis zu zehn Jahren andauernde Isolationshaft zu beenden und das gegen aus dem Gaza-Streifen stammende Gefangene verhängte Verbot von Familienbesuchen aufzuheben. Bislang scheinen jedoch noch keine Familienbesuche stattgefunden zu haben. Zudem soll sich mindestens ein Gefangener weiterhin in Einzelhaft befinden. Berichte in den Medien lassen vermuten, dass die israelischen Behörden derzeit anhängige Verwaltungshaftordnungen nicht erneuern wollen, sofern nicht der Geheimdienst neue und belastende Erkenntnisse vorweist. Seit Zustandekommen der Vereinbarung sind nach Kenntnis von Amnesty International mehr als 30 Verwaltungshaftanordnungen verlängert und mindestens drei neue Anordnungen ausgestellt worden.

Nach IPS-Statistiken befanden sich Ende April 2012 insgesamt 308 PalästinerInnen in Verwaltungshaft. Bei einigen von ihnen handelt es sich um gewaltlose politische Gefangene, die allein deshalb festgenommen worden sind, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in friedlicher Weise wahrgenommen haben. Weitere Informationen finden sich in der am 6. Juni 2012 veröffentlichten Dokumentation Starved of Justice: Palestinians detained without trial by Israel (Index-Nr.: MDE 15/026/2012)

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-119/2012-3, AI-Index: MDE 15/032/2012, Datum: 11. Juni 2012 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach - 53108 Bonn
Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2012