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AKTION/1074: Urgent Action - Russische Föderation - Anwalt durch Polizeibeamten mit dem Tod bedroht


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-161/2012, AI-Index: EUR 46/021/2012, Datum: 6. Juni 2012 - ar

Russische Föderation
Anwalt durch Polizeibeamten mit dem Tod bedroht



RUSTAM MATSEV, Anwalt

Am 31. Mai wurde Rustam Matsev von einem hochrangigen Polizeibeamten mit dem Tod bedroht. Rustam Matsev ist in der Stadt Nalchik in Kabardino-Balkarien im Nordkaukasus als Anwalt tätig. Der Beamte, der ihn bedrohte, verlangte von ihm, einen seiner Mandanten dazu zu bewegen, seine Beschwerde wegen Entführung und Misshandlung durch die Sicherheitskräfte zurückzuziehen.

Rustam Matsev gehört der Anwaltskammer von Karatschai-Tscherkessien an, arbeitet jedoch auch in der Nachbarrepublik Kabardino-Balkarien, wo er häufig Personen vertritt, die von Angehörigen der staatlichen Sicherheitskräfte gefoltert oder deren Menschenrechte auf andere Weise verletzt worden sein sollen. Einige seiner MandantInnen werden beschuldigt, bewaffneten Gruppen anzugehören. Am 31. Mai sollte in einem Untersuchungsgefängnis in Nalchik eine persönliche Gegenüberstellung einer seiner Mandanten mit einem hochrangigen Polizeibeamten stattfinden. Kurz zuvor wandte sich laut Angaben von Rustam Matsev eben dieser Polizeibeamte an ihn und forderte ihn auf, "seinen Klienten nicht länger zum Lügen zu bewegen". Damit bezog sich der Beamte auf die Aussagen des Mandanten, er sei von der Polizei entführt und misshandelt worden, und man habe ihn danach fingierter Straftaten beschuldigt. Der Polizeibeamte verlangte von Rustam Matsev, seinen Mandanten dazu zu bringen, die Beschwerde zurückzuziehen und einem sogenannten "Sonderverfahren" zuzustimmen - einem Gerichtsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit, in dem sich der Angeklagte schuldig bekennt, auf eine umfassende Anhörung verzichtet und sein Recht auf Einlegen eines Rechtsbehelfs abgibt. Als Rustam Matsev sich weigerte, dieser Forderung Folge zu leisten, soll der Polizeibeamte ihn mit den Worten bedroht haben, dass bei polizeilichen Sicherheitseinsätzen zur "Liquidierung" von Angehörigen bewaffneter Gruppen auch AnwältInnen auf dieselbe Art "gestoppt" werden könnten. Der Beamte sagte außerdem zu Rustam Matsev, dass er ab jetzt immer vorsichtig sein solle, da die Polizei genau wisse, was er tut und wo er sich aufhält. Rustam Matsev empfand die Aussagen des Polizeibeamten als ernstzunehmende Morddrohung und hält sie für einen Hinweis darauf, dass man ihm eine fingierte Straftat anhängen könnte.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Kabardino-Balkarien wird genau wie andere Republiken des Nordkaukasus regelmäßig von Gewalttaten bewaffneter Gruppen erschüttert, die sich gegen Sicherheitskräfte und andere Staatsbedienstete, aber auch gegen Zivilpersonen richten. Im Oktober 2005 verübten zahlreiche Mitglieder einer bewaffneten Gruppierung einen Anschlag auf die Hauptstadt Nalchik, im Zuge dessen sehr viele PolizeibeamtInnen und andere Sicherheitskräfte sowie auch Zivilpersonen zu Tode kamen. Menschenrechtsorganisationen haben bereits wiederholt die Reaktion der Sicherheitskräfte auf diese Bedrohungen kritisiert, da sie offenbar mit zahlreichen Menschenrechtsverletzungen einhergeht. So sollen sich Angehörige der Polizei und der Ermittlungsbehörden des Verschwindenlassens sowie der Folter und Misshandlung von Personen schuldig gemacht haben. Die Gerichtsverfahren mutmaßlicher Mitglieder bewaffneter Gruppen verletzen nicht selten das Recht der Angeklagten auf ein faires Gerichtsverfahren.

AnwältInnen, die in Kabardino-Balkarien und anderen Teilen des Nordkaukasus Personen vertreten, die Angehörigen der Sicherheitskräfte Menschenrechtsverletzungen vorwerfen, werden regelmäßig von SicherheitsbeamtInnen drangsaliert, unter Druck gesetzt und sogar tätlich angegriffen. (Ein Beispiel ist der Fall von Sapiyat Magomedova in dem englischen Bericht Beaten up for speaking out: Attacks on human rights defenders in the Russian Federation, online unter
http://www.amnesty.org/en/library/asset/EUR46/038/2011/en/9d8b29c1-a18f-4d86-8f75-5a885c75a3c0/eur460382011en.pdf.)


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie nachdrücklich auf, die Vorwürfe, Rustam Matsev sei von einem Polizeibeamten bedroht worden, umgehend und wirksam zu untersuchen.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass AnwältInnen in Russland ihre Arbeit ohne Furcht vor Einschüchterung, Behinderung, Schikanierung oder ungebührlicher Einflussnahme verrichten können, in Übereinstimmung mit den UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte.
  • Ergreifen Sie bitte in Übereinstimmung mit den UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle der Rechtsanwälte angemessene Schutzmaßnahmen für AnwältInnen, die sich wegen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben bedroht sehen.
  • Stellen Sie bitte diejenigen SicherheitsbeamtInnen, die nachweislich für Menschenrechtsverletzungen, Einschüchterungsversuche und Schikanierungen von AnwältInnen, Angeklagten oder anderen Beteiligten an strafrechtlichen Prozessen verantwortlich sind, vor Gericht.

APPELLE AN

STAATSANWALT DER REPUBLIK KABARDINO-BALKARIEN
Oleg Olegovich Zharikov
Office of the Prosecutor of KBR
Pr. Kulieva, 16, Nalchik 360030
Kabardino-Balkaria
RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Prosecutor / Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)
E-Mail: mail@prokkbr.ru oder
prokuratura-kbr@mail.ru

LEITER DER UNTERSUCHUNGSABTEILUNG
Gen.-Lt. V. H. Ustov
Investigative Committee
Pr. Lenina, 36, Nalchik 360051
Kabardino-Balkaria Republic
RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Head of Investigative Directorate / Sehr geehrter Herr Ustov)
Fax: (00 7) 8662 77 11 49 (wenn jemand abnimmt, sagen Sie bitte "Fax")
E-Mail: press-skp-kbr@mail.ru


KOPIEN AN

STELLVERTRETENDER GENERALSTAATSANWALT
Ivan I. Sydoruk
Prosecutor's Office for SKFO
ul. Kozlova, d. 52/14
Piatigorsk
Stavropol krai, 357500
RUSSISCHE FÖDERATION
(korrekte Anrede: Dear Deputy Prosecutor General / Sehr geehrter Herr stellvertretender Staatsanwalt)
Fax: (00 7) 8793 97 36 94
(wenn jemand abnimmt, sagen Sie bitte "Fax")
E-Mail: ugpskfo@rambler.ru

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 18. Juli 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Russian authorities to investigate, promptly and effectively, the above allegations.
  • Asking them to ensure that lawyers in Russia are able to perform their professional duties without intimidation, hindrance, harassment or improper interference in accordance with the UN Basic Principles on the Role of Lawyers.
  • Urge them, where the security of lawyers is threatened as a result of discharging their functions, to adequately safeguard them in accordance with the UN Basic Principles on the Role of Lawyers.
  • Ask them to bring to justice any law enforcement official found guilty of human rights violations, intimidation and harassment of lawyers, defendants and other participants in the criminal justice process.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Am 20. Januar wurden der Anwalt Omar Saidmagomedov aus Machatschkala in Dagestan und sein Mandant vor dem Haus des Mandanten von Sicherheitskräften erschossen. Berichten zufolge behaupteten BehördenvertreterInnen, Omar Saidmagomedov und sein Mandant seien Mitglieder einer bewaffneten Gruppe gewesen, die sich mit Waffengewalt gegen die Sicherheitskräfte gewehrt hätten. KollegInnen von Omar Saidmagomedov gaben jedoch an, dass diese Behauptungen haltlos seien und die Behörden lediglich die Tötungen hätten rechtfertigen wollen. Ihren Aussagen zufolge hat Omar Saidmagomedov in seinem Leben nichts verheimlicht und war aktiv als Anwalt tätig gewesen. Seine KollegInnen sind der Meinung, dass er lediglich aufgrund seiner Arbeit als Anwalt zur Zielscheibe geworden war.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-161/2012, AI-Index: EUR 46/021/2012, Datum: 6. Juni 2012 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2012