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AKTION/1014: Urgent Action - Palästinensische Autonomiegebiete - Sorge um Mann in der Todeszelle


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-103/2012-1, AI-Index: MDE 21/002/2012, Datum: 10. April 2012 - mr

Palästinensische Autonomiegebiete
Viertes Todesurteil könnte jederzeit vollstreckt werden


Hingerichtet:
Herr MOHAMMED BARAKA
Herr W. K. J., 27 Jahre
Herr M. J. A.
In der Todeszelle:
Herr J. Z. J., 38 Jahre

Am 7. April hat die Hamas-de-facto-Regierung im Gazastreifen drei Männer hängen lassen. Ein vierter Mann mit den Initialen J. Z. J. befindet sich ebenfalls in der Todeszelle. Auch er könnte jederzeit durch Erschießen hingerichtet werden.

Am 7. April ist Mohammed Baraka aus Dair al-Balah im Gazastreifen hingerichtet worden. Ein Berufungsgericht hatte im Februar seine Rechtsmittel gegen das Todesurteil wegen Mordes abgewiesen, das ein Strafgericht in Dair al-Balah zuvor gegen ihn verhängt hatte. Der 27-jährige W. K. J. aus dem Flüchtlingslager al-Bureij wurde nach der Bestätigung des Todesurteils durch das Hohe Militärgericht im Februar ebenfalls am 7. April hingerichtet. Er war im März 2011 vor dem ständigen Militärgericht wegen Verrats und Beihilfe zum Mord zum Tode verurteilt worden. M. J. A. wurde am 24. Oktober 2010 vor dem Gericht erster Instanz in Khan Younis (Chan Younis) wegen Entführung und Mordes zum Tode verurteilt und nach der Bestätigung des Urteils durch das Berufungsgericht im Februar nun auch hingerichtet.

Amnesty International ist sehr besorgt, dass auch der 38-jährige J. Z. J. jederzeit hingerichtet werden könnte. J. Z. J. wurde am 6. Dezember 2010 wegen Entführung und Mordes vor dem ständigen Militärgericht zum Tode verurteilt. Am 14. Februar 2012 wies das Hohe Militärgericht seine Rechtsmittel gegen das Todesurteil ab. Nach Angaben des Palästinensischen Zentrums für Menschenrechte (Palestinian Center for Human Rights - PCHR) soll er durch Erschießen hingerichtet werden.

Die drei Hinrichtungen sind die ersten von der Hamas-de-facto-Regierung in diesem Jahr vollstreckten Todesurteile im Gazastreifen. 2011‍ ‍verurteilten Militär- und Zivilgerichte im Gazastreifen mindestens acht Menschen zum Tode und drei Männer wurden nach unfairen Gerichtsverfahren hingerichtet. Die Verfahren vor Militär- und Zivilgerichten im Gazastreifen sind dafür bekannt, dass sie den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren nicht entsprechen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die palästinensische Autonomiebehörde besitzt die Gerichtsbarkeit in Gaza und den Teilen des Westjordanlandes, welche die besetzten palästinensischen Gebiete umfassen und unter israelischer Besatzung stehen. Doch Gewalt und Spannungen zwischen den beiden größten palästinensischen politischen Parteien Fatah und Hamas, welche die Parlamentswahlen 2006 gewann, haben zu einer Situation geführt, in der das Westjordanland seit Juni 2007 von der von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas eingesetzten Verwaltungsregierung der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) regiert wird und Gaza von der Hamas-de-facto-Regierung unter der Führung von Isma'il Haniyeh.

Seitdem hat PA-Präsident Abbas Operationen der PA-Sicherheitskräfte und Rechtsinstitutionen in Gaza ausgesetzt und damit einen institutions- und rechtsfreien Raum geschaffen. Die Hamas reagierte darauf, indem sie einen eigenen Polizei- und Justizapparat einsetzte. Diesem fehlt es jedoch an angemessen ausgebildetem Personal, Rechenschaftsmechanismen und Schutzklauseln.

Nach palästinensischem Recht muss Palästinenserpräsident Abbas alle Todesurteile ratifizieren, ehe sie vollstreckt werden können. Doch die Hamas-de-facto-Regierung hat in der Vergangenheit bereits Hinrichtungen ohne die Bewilligung des Präsidenten vollzogen. Darüber hinaus werden Personen häufig - gemäß des revolutionären Strafgesetzbuchs der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) von 1979 - durch Militärgerichte zum Tode verurteilt, was den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren nicht gerecht wird.

Von 2006 bis 2009 kam es in Gaza zu keinen Hinrichtungen. Die Vollstreckung von Todesurteilen wurde 2010 wieder aufgenommen, als die Hamas-de-facto-Regierung fünf Männer hinrichtete - zwei von ihnen waren der Zusammenarbeit mit Israel und drei von ihnen des Mordes für schuldig befunden worden. Auch 2011 erfolgten mindestens drei Hinrichtungen: Am 4. Mai 2011 wurde ein Mann durch ein Erschießungskommando getötet und am 26. Juli wurden zwei Männer, Vater und Sohn, durch den Strang hingerichtet. Alle diese Todesurteile wurden in unfairen Gerichtsverfahren verhängt. Seit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas im Jahr 2005 im Westjordanland an die Regierung kam, wurden dort keine Hinrichtungen mehr vollzogen.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bin schockiert über die Hinrichtung von Mohammed Baraka, W. K. J. und M. J. A, da die Todesstrafe die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste Strafe überhaupt darstellt.

- Sorgen Sie bitte dafür, dass das Todesurteil gegen J. Z. J nicht vollstreckt wird. Wandeln sie dieses und alle anderen Todesurteile in Haftstrafen um.

- Ich fordere Sie höflich auf, die Todesstrafe abzuschaffen. Ich erkenne das Recht und die Pflicht der Hamas-de-facto-Regierung an, Straftatverdächtige vor Gericht zu stellen, möchte jedoch darauf hinweisen, dass bis dato keine überzeugenden Beweise dafür vorliegen, dass die Todesstrafe eine abschreckendere Wirkung hätte als andere Strafen.


APPELLE AN

JUSTIZMINISTER
Muhammad Faraj al-Ghoul
Hamas de-Facto Administration in Gaza
(korrekte Anrede: Dear Mr al-Ghoul / Sehr geehrter Herr al-Ghoul)
Fax: (00 970) 8 288 0103

INNENMINISTER
Mr Fathi Ahmad Muhammad Hammad
Hamas de-Facto Administration in Gaza
(korrekte Anrede: Dear Mr Fathi Hammad / Sehr geehrter Herr Hammad)
Fax: (00 972) 8 288 1994
E-Mail: info@moi.gov.ps oder ihab@moi.gov.ps


KOPIEN AN

MINISTERPRÄSIDENT
Isma'il Abd al Salam Ahmad Haniyeh
Hamas de-Facto Administration in Gaza
(korrekte Anrede: Dear Mr Haniyeh / Sehr geehrter Herr Haniyeh)
Fax: (00 972) 8 288 4815

PALÄSTINENSISCHE DIPLOMATISCHE MISSION
Herrn Salah Abdel Shafi
Ostpreußendamm 170
12207‍ ‍Berlin
Fax: 030-20 61 77 10
E-Mail: info@palaestina.org


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. Mai 2012 keine Appelle mehr zu verschicken. Weitere Informationen zu UA-103/2012 (MDE 21/001/2012, 5. April 2012)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Condemning the execution of Mohammed Baraka, W. K. J. and M. J. A as the ultimate form of cruel, inhuman and degrading treatment.

- Urging the Hamas de facto administration to ensure that the death sentence for the J. Z. J. is not implemented, and that his and all other death sentences are commuted.

- Urging the Hamas de facto administration in Gaza to abolish the death penalty, and highlighting that while the authorities have the right and responsibility to bring to justice those suspected of criminal offences, no convincing evidence has ever been produced proving that the death penalty is an effective deterrent punishment.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Amnesty International erkennt das Recht und die Pflicht der Hamas-de-facto-Regierung an, Straftatverdächtige vor Gericht zu stellen, weist jedoch darauf hin, dass es keine überzeugenden Beweise dafür gibt, dass die Todesstrafe ein abschreckendere Wirkung hätte als andere Strafen.

Amnesty International wendet sich ungeachtet der Schwere eines Verbrechens vorbehaltlos gegen die Todesstrafe, da sie zwei grundlegende Menschenrechte verletzt, die in den Artikeln 3 und 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben sind: das Recht auf Leben und das Recht, nicht der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden. Amnesty International betrachtet die Todesstrafe als die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-103/2012-1, AI-Index: MDE 21/002/2012, Datum: 10. April 2012 - mr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2012