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REZENSION/546: Walter Wippersberg - Der Krieg gegen die Raucher (SB)


Walter Wippersberg


Der Krieg gegen die Raucher

Zur Kulturgeschichte der Rauchverbote



Die weltweit eskalierende Systemkrise kapitalistischer Verwertung kündigt mitnichten das Ende von Ausbeutung und Unterdrückung an. Ganz im Gegenteil leitet die perspektivische Herrschaftssicherung der Eliten zu innovativen Formen der Zugriffsgewalt über, die ein historisch beispielloses Regime von Zuteilung oder Vorenthalt überlebensnotwendiger Ressourcen errichtet. Über den Zwang, seine Arbeitskraft zu verkaufen, hinaus wird der Mensch bis in seine physische Substanz aller Restbestände selbstbestimmter Entscheidung über Leib und Leben beraubt, die nicht länger sein eigen sind. Wie mit ihnen zu verfahren sei, unterliegt einem Nutzenkalkül, das dem individuellen Existenzrecht diametral entgegengesetzt ist.

Zu einem Mängelwesen erklärt, spricht man dem einzelnen jede Kompetenz ab, zu wissen, was gut für ihn sei, und entzieht ihm die Verfügungsgewalt über den eigenen Körper. Das Diktat umfassender Ökonomisierung mündet somit in eine Vergesellschaftung, die den Menschen als Sozialdelinquenten denunziert, weil er einem Konsum huldigt, der nicht ausschließlich der Reproduktion seiner Arbeitskraft dient, sondern um seiner selbst willen genossen wird. Lebenssubstanz zu "verschwenden", indem sie der Verfügbarkeit entzogen wird, wird als verwerflich stigmatisiert, was jede Maßnahme rechtfertigt, das renitente Individuum gegen seinen Willen zur geforderten Optimierung seiner ausnahmslos zur Verwertung bestimmten Körperlichkeit zu zwingen.

Die daraus resultierende restriktive Gesundheitsdoktrin entspringt mitnichten der Sorge um das Wohl der Menschen, sie perfektioniert vielmehr ein System umfassender Bezichtigung, das allenthalben Fehlverhalten verortet und sanktioniert. Keine Krankheit, die nicht augenblicklich auf Konsumexzesse zurückgeführt würde. Keine Leistung, die der pauschal verdächtigte Patient unter Anwendung eines Solidarprinzips problemlos in Anspruch nehmen könnte. Keine Chance, sich dem Diktat reglementierter Vorsorge ungestraft zu entziehen. Was sinnverkehrend als Eigenverantwortung positiv konnotiert wird, erweist sich so als Instrumentalisierung des Lebenswandels, der um alle Abweichungen vom normgerechten Verhalten gestutzt in die Dauerpflicht zur Bereitstellung uneingeschränkter Verwertungstauglichkeit genommen wird.

In seinem zivilreligiösen Fundamentalismus verheißt das Gesundheitsdogma ein Paradies längerfristigen Überlebens und beförderten Allgemeinwohls, das auf nicht minder tönernen Füßen steht wie das in Aussicht gestellte glückliche Jenseits klassischer Glaubensüberzeugungen. Zwar werden die modernen Todsünden Körperfülle und Rauchen mit einem unablässig erweiterten Arsenal von Zwangsmaßnahmen gegeißelt, doch ist mit der erbrachten Anpassungsleistung so wenig ein gesicherter Zugewinn verbunden wie mit dem fortan tugendhaften Leben eines geläuterten Sünders. Die neoreligiöse Lesart, daß ein kranker Mensch etwas falsch gemacht haben müsse, ist ebenso doktrinär und fiktiv wie der Umkehrschluß, daß die Erfüllung der Gesundheitsnorm Krankheiten verhüte und die Lebensqualität verbessere.

Der Dämonisierung des Rauchens tritt Walter Wippersberg mit einem passionierten Bekenntnis zum Tabakgenuß, doch zugleich einem Plädoyer für Deeskalation und Entspannung des überhitzten Konflikts zwischen Rauchern und Nichtrauchern entgegen, der längst die Züge eines Glaubenskriegs angenommen hat. Daß sein Essay zur Kulturgeschichte der Rauchverbote polemisch geraten sei, räumt er unumwunden und kampflustig ein. Das macht seine Streitschrift unterhaltsam und verleiht ihr zugleich eine krampflösende Wirkung, da er bei aller Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung die Tür für eine Rückkehr zu einem gelassenen und kompromißbereiten alltäglichen Umgang der Fraktionen öffnet. Überdies stellt er keineswegs in Abrede, daß seine langjährige Neigung, sich dieses Anregungsmittels zu bedienen, negative Folgen haben könnte, wie dies jedoch für zahlreiche weitere Lebensumstände gilt. Im übrigen seien ihm militante Raucher nicht sympathischer als militante Nichtraucher, denn "atemberaubend und himmelschreiend dumme" Zeitgenossen gebe es schließlich in beiden Lagern.

Man muß weder eine reine Lehre vertreten, noch verbissen auf seinem Standpunkt beharren, um Argumente trittsicher und sachlich fundiert vorzutragen. Das unterstreicht der Autor mit seiner leichten Fußes voranschreitenden Abhandlung, die etliche heiße Eisen anfaßt, ohne dabei in Pedanterie oder Revanchegelüste zu verfallen. Zu eifern, zu hetzen und zu hassen, ist seine Sache nicht, obgleich nach früheren Veröffentlichungen zum Thema eine Flut mitunter wüster Beschimpfungen und Beleidigungen über ihn hereingebrochen ist. Statt dessen wirft er die Frage auf, wie es binnen weniger Jahre zu einer regelrechten Raucherverfolgung kommen konnte, die sich rationalen Argumenten zunehmend zu entziehen scheint und beiderseits der Front quasi-religiöse Bekenntnisse auf den Plan gerufen hat.

War Rauchen vordem ein ganz selbstverständlicher Teil der Alltagskultur, der zeitweise sogar als mondän galt, so hat in jüngerer Zeit ein rasanter kultureller Paradigmenwechsel stattgefunden. Raucher gelten heute als "unverantwortliches Gesindel", das nicht nur sich selbst, sondern auch die Gesundheit der Mitmenschen schädigt. Gesund zu leben, sei keine neue Idee, doch diesem Ziel alles unterzuordnen, wäre einem in früheren Zeiten "unsinnig oder gar frevlerisch" vorgekommen, schreibt der Autor. Das Phänomen des Tabakkonsums nur noch vom gesundheitlichen Standpunkt aus zu beurteilen, sei eine barbarische Sichtweise und so kulturlos, als interessiere beim Essen nur der Fettgehalt der verzehrten Speisen oder bei geistigen Getränken ausschließlich deren Alkoholgehalt. Tabak, so führt Wippersberg ins Feld, rege das Denken und die Phantasie an, wovon viele Künstler und Wissenschaftler Gebrauch gemacht hätten.

In den letzten Jahrzehnten war die Anti-Raucher-Kampagne unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Zuerst durfte in Flugzeugen nicht mehr geraucht werden, dann folgten Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden sowie Reglementierungen in Büros und an anderen Arbeitsplätzen. Die Raucher nahmen die Einschränkungen zähneknirschend hin, da die meisten von ihnen nichts gegen einen Nichtraucherschutz einzuwenden haben. Dann wurden jedoch administrative Maßnahmen wie die Warnhinweise auf Tabakprodukten verfügt, die immer weniger mit dem ursprünglich formulierten Anliegen zu tun hatten und geradewegs auf ein totales Rauchverbot zusteuern, wie es EU-Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou bis 2012 für ganz Europa anstrebt.

Im Zentrum der von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommenen Kontroverse steht vor allem das Rauchverbot in Gaststätten, den traditionellen Orten der Geselligkeit, an denen Genußmittel wie Alkohol, Tabak und Kaffee konsumiert werden. Daß man bestimmte Dinge am liebsten in Gesellschaft genießt, hat eine Kultur hervorgebracht, die nun in etlichen Ländern durch das Verdikt zerstört wird. Erstaunlicherweise haben Iren und Italiener diesem Rauchverbot keinen nennenswerten Widerstand entgegengesetzt, Spanier und Franzosen nur in Maßen die extremsten Vorstöße gebremst. Deutsche und Österreicher waren offenbar wesentlich skeptischer, zumal hier längst praktische Lösungen umgesetzt wurden, mit der Raucher und Nichtraucher durchaus leben könnten, sofern beiderseits ein Restbestand an Toleranz zu aktivieren wäre. Man hat es jedoch längst mit einem von administrativen Kräften vorangetriebenen Prozeß der Stigmatisierung zu tun, der sich von den in zwei Lager gespaltenen Bürgern, die sich erbittert um das Für und Wider des Tabakkonsums streiten, emanzipiert hat.

Versuche, das Rauchen zu verdammen und dessen Anhänger abzustrafen, haben den sukzessiven Siegeszug des Tabaks in Europa von Beginn an begleitet. Wippersberg zeichnet markante Etappen dieses ambivalenten Prozesses nach, in dem Könige, Fürsten und Kirchen je nach Neigung und Vorteilserwägung das Schnupfen, Pfeifenrauchen, Tabakkauen, Zigarrengenießen und schließlich Zigarettenpaffen kultivierten und bei ihren Untertanen duldeten oder als abstoßende Unsitte und Teufelswerk verdammten. Wie dieser aufschlußreiche historische Rückblick zeigt, war das Verbot des Tabakkonsums und die Sanktionierung von Rauchern in wesentlichen Aspekten von irrationalen Auffassungen oder herrschaftssicherndem Kalkül getragen. Mag man heute als schiere Unwissenheit belächeln oder verachten, daß einst die Inquisition auf den Plan trat, um den aus Mund und Nase ausströmenden Dampf als sicheres Indiz für das dem Raucher innewohnende Böse zur Rechtfertigung der Abstrafung heranzuziehen, so ist doch eines zu bedenken: Stets urteilte und sanktionierte man auf der Höhe zeitgemäßer Erkenntnis, die als fundiert und unanfechtbar galt, wie das auch heute der Fall zu sein scheint.

In welchem Ausmaß Befürwortung oder Verdammung des Tabakkonsums je nach historischem und kulturellen Kontext wechselten, dokumentiert auch der Umstand, daß der von Königin Elisabeth I. protegierte Sir Walter Raleigh das Pfeifenrauchen in England populär machte, während ihn Elisabeths Nachfolger Jakob I. hinrichten ließ und sich an die Spitze der Tabakgegner stellte. Neben tiefsitzenden moralischen Bedenken störte den König jedoch vor allem, daß der Handel mit Tabak damals nahezu das Monopol des Erzfeindes Spanien war, wohin seines Erachtens zu viel gutes englisches Geld floß. Ein anderes Beispiel datiert aus den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges, der das Rauchen in weiten Teilen Kontinentaleuropas populär gemacht hatte, wohingegen der persische Schah Abbas I. damals Rauchern Nasen und Lippen abschneiden ließ. Rabiatester Potentat war in dieser Hinsicht der türkische Sultan Murad IV., der eine blutige Raucherverfolgung in Gang setzte, die Zehntausende Anhänger des "Lasters" das Leben kostete.

Aus den diversen von Wippersberg zitierten Bestrebungen, dem Rauchen aus moralischen, ökonomischen oder gar militärischen Erwägungen den Garaus zu machen, ragt der aus deutscher Sicht besonders aufschlußreiche Versuch der NS-Führung heraus. Der ehemalige Raucher Hitler war ein fanatischer Rauchgegner, der von der Reinheit des "Volkskörpers" besessen war. Trotz seiner Machtfülle gelang es ihm teils aus pragmatischen Erwägungen, vor allem aber wegen der weiten Verbreitung des Tabakkonsums in der Bevölkerung nicht, ein Verbot in die Tat umsetzen. Zu Kriegsbeginn war es umstritten, ob die Wehrmacht Zigaretten erhalten sollte, wobei es der Führer später als großen Fehler bezeichnete, den Soldaten Tabak gegeben zu haben. Damals erschien eine ganze Reihe von Studien, die belegen sollten, daß Rauchen die Kampfkraft schwäche. Der starke Raucher Goebbels fuhr die Propaganda vom Tabak als "Volksfeind" von 1941 an erheblich zurück, weil ihm sein Instinkt für die Mehrheitsmeinung und deren Manipulation dazu riet, die Finger von diesem voraussichtlich kontraproduktiven Vorgehen zu lassen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang insbesondere, daß Hitler 1941 an der Universität Jena ein "Institut zur Erforschung der Tabakgefahren" gründen ließ. Der Kölner Mediziner Franz Hermann Müller hatte wenige Jahre zuvor einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs dargestellt. Wenngleich er viele andere Entstehungsursachen wie Staub, Autoabgase, Tuberkulose, Röntgenstrahlen und Fabrikgase nicht ausschließen wollte, meinte er doch, daß die Bedeutung des Tabakrauchs immer mehr in den Vordergrund gerückt sei. Zu den Wissenschaftlern, die sich während der NS-Zeit intensiv auf diesem Gebiet betätigten, gehörte auch Fritz Lickint, der den Begriff "Passivrauchen" schuf, den von ihm erhofften Zusammenhang jedoch trotz angestrengter Forschungsarbeit nicht belegen konnte.

An diese Forschungen knüpften in den 1960er Jahren Tabakgegner in den USA an, die mit dem 1964 veröffentlichten "Terry Report" eine Initiative lostraten, die weltweit Aufsehen erregte. Getragen von der Erkenntnis, daß frühere moralische oder religiös motivierte Kampagnen gescheitert waren, verlegte man sich nun auf angeblich wissenschaftlich gesicherte und folglich unbestreitbare Aussagen. Man trug zu diesem Zweck für tauglich befundene längst bekannte Auffassungen und Mutmaßungen zusammen, die den unterstellten Beweis nicht etwa lieferten, sondern durch statistische Verrechnung zu den favorisierten Ergebnissen verdichtet wurden. Obgleich der Wissensstand kaum größer als zwanzig Jahre zuvor in Jena war, kam die Nachricht diesmal aus dem Vorzeigeland USA, weshalb sie von den Medien auch in Europa als Speerspitze objektiver wissenschaftlicher Erkenntnis kolportiert wurde. Zwar war so gut wie niemand in der Lage oder willens, die Ausgangsdaten zu bewerten, doch führten die publizierten Prozentzahlen der daraus errechneten Gefahrenwahrscheinlichkeit alsbald ein Eigenleben, auf die man sich fortan in der Debatte berief.

Auch Lickints These von der Schädlichkeit des "Passivrauchens" konnte nicht bewiesen werden, obgleich sich Legionen von Epidemiologen, Toxikologen und Medizinern daran abarbeiteten. In den 1980er Jahren wurden 53 Studien zu einer sogenannten Metastudie zusammengefaßt, die ergab, "dass es keine überzeugenden Beweise für ein erhöhtes Sterberisiko gibt, das Nichtraucher vom Umgebungsrauch zu gewärtigen hätten". (S. 51) Als staatliche Behörden dennoch behaupteten, der Zusammenhang sei belegt, blieb dies nicht ohne Widerspruch, der sogar zu Gerichtsverhandlungen führte. Obgleich die Richter urteilten, daß die Untersuchungen der Behörden durch Vorurteile und unangemessene Methoden verfälscht worden seien, setzte sich die Auffassung durch, daß "Passivrauchen" erwiesenermaßen eine tödliche Gefahr für die Gesundheit darstelle.

Bei der Verwandlung einer bloßen Behauptung in vermeintlich sichere Erkenntnis standen offiziöse und offizielle Institutionen Pate, deren Aussagen die Bürger in einem kombinierten Akt von Wissenschafts- und Staatsgläubigkeit vertrauten. Die Weltgesundheitsorganisation spielte eine maßgebliche Rolle dabei, den Suchtbegriff auf den lange als Genußmittel eingestuften Tabak anzuwenden. Sprach man in den 1960er Jahren noch von "Gewöhnung", so folgte 1988 der Terminus "Abhängigkeit" und wenig später wurde Tabak als "suchterzeugend" eingestuft. Wenngleich der Autor keineswegs in Abrede stellt, wie schwer es fallen kann, dem Rauchen zu entsagen, nimmt er doch das Verfahren kritisch unter die Lupe, die Definition so lange neu zu formulieren, bis die gewünschte Schublade eingerichtet ist. Der Raucher als "Suchtkranker" ist demzufolge nicht mehr Herr seiner Entscheidungen, was Eingriffe von außen rechtfertigt, ja geradezu notwendig erscheinen läßt. Bezeichnenderweise ist der Suchtbegriff inzwischen derart entufert, daß praktisch alle Genußmittel und darüber hinaus selbst Freizeitaktivitäten, Hobbies und andere Neigungen, denen ein Mensch mit ausgeprägter Intensität nachgeht, darunter subsumiert werden.

Wippersberg warnt anhand aktueller Studien davor, dem schier unausrottbaren, aber unzulässigen Übertrag zu folgen, statistische Ergebnisse - und seien sie noch so sauber erzielt - mit bewiesenen Kausalitäten gleichzusetzen. Statistik kann bestenfalls leisten, die Wahrscheinlichkeit eines gemeinsamen Auftretens zweier Faktoren rechnerisch zu bestimmen. Was sonst noch eine Rolle spielen könnte, wird dabei ignoriert, ausgeblendet oder gar nicht erst in Erwägung gezogen. Deshalb muß man von einem Verfahren sprechen, das die gewünschten Ergebnisse vorab formuliert und dann solange rechnet, bis die Koinzidenz dargestellt werden kann, bei der es sich wohlgemerkt um keinen erwiesenen kausalen Zusammenhang handelt. Hinzu kommen bekanntlich zahllose Manöver, die auf der breiten Palette zwischen Fälschung, sanfterer Manipulation der Zahlen, lukrativer Auftragsforschung, politischer Einflußnahme und anderen Störfaktoren anzusiedeln sind, die das Ersetzen rationaler Argumente durch per Statistik errechnete Zahlenwerte grundsätzlich in Frage stellen sollten.

Die "Gesundheitsreligion", mit ihrem rigiden Kanon von Geboten und Verboten zur Regulation legitimer Lebensführung droht einen jahrhundertelangen Gebrauch des Tabaks zu religiösen, kultischen oder sozialen, aber auch anregenden oder schlichtweg dem Genuß geschuldeten Zwecken ins Abseits zu drängen. Welche Fülle an Kulturleistungen und Lebensäußerungen damit ausgegrenzt und negiert würde, illustriert der Autor anhand einer Vielfalt von Beispielen, weshalb sich die Frage um so unvermeidlicher aufdrängt, ob der vernichtende Endsieg der militanten Rauchgegner unmittelbar bevorsteht. Walter Wippersberg hat der anbrandenden Woge reglementierender Einschränkungen zum Trotz die Hoffnung noch nicht aufgegeben: "Daß die Aufklärung - mag sie auch ein wenig aus der Mode gekommen sein - längst noch nicht ausgedient hat, daran glaube ich wirklich." (S. 175)

Dieses Schlußwort des Autors kann man nur unterstreichen. Menschen müssen sich nicht zwangsläufig in Raucher und Nichtraucher spalten lassen, als sei die Gesellschaft, in der sie leben, nicht von ganz anderen und wesentlich fundamentaleren Widersprüchen beherrscht, die über ihr Wohl und Wehe bestimmen. Der Krieg gegen die Raucher läßt sich beenden, sofern sich das gegeneinander anrennende Fußvolk der verfeindeten Lager zu der Einsicht durchringt, daß es in ein Scheingefecht geführt wird, in dem seine Restbestände an widerständigen Kräften aufgerieben werden sollen.

28. November 2010


Walter Wippersberg
Der Krieg gegen die Raucher
Zur Kulturgeschichte der Rauchverbote
Promedia Verlag, Wien 2010
176 Seiten, 13,90 Euro
ISBN 978-3-85371-317-4