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REZENSION/160: Gruppe Arbeiterstimme - Der spanische Bürgerkrieg (SB)


Herausgeber: Gruppe Arbeiterstimme


Der spanische Bürgerkrieg



"Internationalismus" und "Faschismus" sind zwei der bis heute wohl am häufigsten mit der militärisch-politischen Auseinandersetzung der Jahre 1936 bis 1939, die unter dem Begriff "Spanischer Bürgerkrieg" in die Geschichte einging, in Verbindung gebrachten Begriffe. Dabei ist ihre Verwendung ebenso klärungsbedürftig wie der Begriff "Spanischer Bürgerkrieg", der genaugenommen weder "spanisch" noch ein "Bürger"-Krieg war. Zwar lag sein Kampfgeschehen, das mit dem vom damals noch von Spanien kolonialisierten Marokko aus begonnenen Angriff rechter Falangisten unter Franco gegen die gewählte linksliberale Regierung der noch jungen Republik begann, auf spanischem Territorium, doch die internationalen Bezüge und Verflechtungen sind so tiefgreifend, daß eher von einem Stellvertreterkrieg der späteren Teilnehmer des Zweiten Weltkriegs gesprochen werden könnte.

Diesen Krieg als Bürgerkrieg zu bezeichnen, nährt zudem die keineswegs zutreffende Annahme, als hätte den "Faschisten" tatsächlich eine "Volksfront" gegenübergestanden, geeint von dem alleinigen Wunsch, die Republik in diesem ihr aufgezwungenen Krieg zu verteidigen. Nicht von ungefähr wird durch die begriffliche Überbetonung bürgerlicher Kräfte die damals in Spanien wie vielen anderen westeuropäischen Ländern starke Bewegung systemoppositioneller Kräfte, in der Sozialisten, moskautreue wie auch -kritische Kommunisten und Anarchisten miteinander durchaus überkreuz lagen, hintangestellt. Die sogenannte "Niederlage" der Republikaner im Jahre 1939 markiert den Beginn der Franco-Ära, die bis zu dessen natürlichem Tode im Jahre 1975 andauern sollte, ohne daß sich das westliche Ausland je nennenswert daran gestört hätte, einen "faschistischen" Regenten in seinen Reihen zu wissen.

450.000 Menschen sind im spanischen Bürgerkrieg gefallen. 150.000 Spanier flohen ins Ausland, 200.000 wurden in der ihm folgenden Franco-Diktatur hingerichtet, weitere 100.000 Oppositionelle wurden inhaftiert oder mußten Zwangsarbeit leisten. Francisco Franco, der "Caudillo von Gottes Gnaden", wurde weder zu seinen Lebzeiten noch posthum für diese Verbrechen verantwortlich gemacht. In Spanien selbst lebte der Geist Francos auch nach 1975 weiter, hatten doch seine Technokraten die Verfassung des Landes ausgearbeitet, das von einer weit über Spanien hinausgreifenden Allianz des Schweigens nun wieder als "Demokratie" anerkannt wurde. Der heutige Ministerpräsident José María Aznar von der rechtskonservativen "Partido Popular", ein ehemaliger Jungfalangist, weigerte sich noch bis zum vergangenen Jahr, Francos Militärputsch zumindest verbal zu verurteilen.

Diese Andeutungen mögen genügen um festzustellen, daß das vorherrschende Bild des spanischen Bürgerkriegs, nämlich daß Franco mit tatkräftiger, das heißt militärischer Unterstützung der sogenannten Achsenmächte Hitler-Deutschland und Italien diesen Krieg gegen die spanische Republik und deren internationale Brigadisten 1939 gewinnen konnte, nicht frei von ideologischen Beimengungen ist. Dies gilt allerdings nicht nur für die Seite Francos, die insbesondere von der bürgerliche Mitte gern als "faschistisch" bezeichnet wird, um die in der Bestandssicherung der kapitalistischen Gesellschaftsstruktur zu verortenden Interessenübereinkünfte zu verschleiern, sondern nicht minder für die keineswegs homogene Front republikanischer Kämpfer.

Gleichwohl gibt es gute Gründe, warum der spanische Bürgerkrieg noch heute weit über die Grenzen Spaniens hinaus die Gemüter zu erhitzen imstande ist und auf ein reges Interesse insbesondere unter all jenen trifft, die die Fragen nach einer historischen Würdigung und politischen Bewertung der damaligen Ereignisse in einen Zusammenhang zu bringen gewillt sind zu drängenden Problemen einer Gegenwart, die im Unterschied zu den dreißiger Jahren nicht einmal mehr als Zeit nach oder vor eines Weltkrieges aufgefaßt werden kann; schließlich haben die USA die übrige Welt längst wissen lassen, mit `ihrem' Vierten Weltkrieg schon begonnen zu haben. Den "Internationalen Brigaden", die sich aus rund 40.000 Kriegsfreiwilligen aus über 50 Ländern zusammengesetzt und bis zur ihrer Verabschiedung im Jahre 1938 auf seiten der spanischen Republik gekämpft hatten, kommt dabei ein besonderer Augenmerk zu, schließlich sind sie der lebendige Beweis für die Existenz eines "Internationalismus", der den Krieg in Spanien als einen internationalen oder besser noch klassenkämpferischen ansah.

"Internationalismus" allerdings ist ein Begriff, der wie viele aus marxistisch-leninistischem Vokabular heute von einem politischen Bedeutungsverlust bedroht ist im Zuge der Bestrebungen, in der Folge des erfolgreich um seine Existenz gebrachten Realsozialismus sowjetischer Bauart auch die Gesellschaftsutopie "Kommunismus" ad absurdum zu führen. Selbstverständlich darf "Internationalismus" mit "Globalisierung" nicht nur nicht synonym gesetzt werden, sondern steht in einem feindschaftlichen Verhältnis zu diesem, meint doch Globalisierung die alleinige Herrschaft des Kapitals über den gesamten Erdball, während als "internationalistisch" Bestrebungen zu subsummieren sind, die unter Überwindung nationaler Schranken und Grenzen dem Kapital den Kampf angesagt haben.

Das auch insofern begründbare Interesse an einer historischen Würdigung, wenn nicht Aufarbeitung des spanischen Bürgerkrieges hat die "Gruppe Arbeiterstimme" dazu veranlaßt, im Münchner Verlag "Gegen den Strom" viele der zu dieser Thematik in der gleichnamigen Zeitschrift "Arbeiterstimme" in der Zeit von September 1986 bis Oktober 1987 bereits erschienenen Artikel mit aktuellen Anmerkungen versehen neu herauszugeben in dem lesenswerten Band "Der spanische Bürgerkrieg". "Die Niederlage der spanischen Republik 1939 war eine Niederlage für die spanische und internationale Arbeiterbewegung und ist bis heute Thema unzähliger Bücher", schreiben die Herausgeber einleitend und erläutern, daß ihrer Auffassung nach die Neuauflage dieser Texte wichtig ist, weil es sich um die "seltenen Darstellungen der Ereignisse in Spanien aus Sicht der KPO (Kommunistische Partei - Opposition", handelt, der sich die seit 1971 in Nürnberg bestehende "Gruppe Arbeiterstimme" politisch zutiefst verbunden fühlt.

Und in der Tat liefern diese Darstellungen Anhaltspunkte für eine kritische Würdigung und Infragestellung der vorherrschenden Geschichtsauffassungen zum spanischen Bürgerkrieg, wiewohl sie selbst nicht minder frei von ideologischen Beimischungen sind und damit Zeugnis ablegen über die innere Zerrissenheit und Spaltbarkeit einer Linken, die seit den 30er Jahren nichts an Aktualität verloren hat. Der im Anhang des Buches veröffentlichten "Selbstdarstellung der Gruppe Arbeiterstimme" ist jedoch zu entnehmen, daß die Herausgeber ungeachtet der von ihnen konstatierten Niederlage nicht nur der spanischen Volksfront, sondern auch der internationalen Arbeiterbewegung dem politischen Erbe Rosa Luxemburgs sowie des deutschen Spartakusbundes treu geblieben sind und deshalb die Frage stellen, ob und wie es "nun mit der Weltrevolution" weitergeht, zumal, wie sie gleichfalls feststellen, "der schlimmste Feind des Kapitalismus ist der Kapitalismus selber, mit seinen ökonomischen Widersprüchen, mit den antagonistischen Widersprüchen seines Gesellschaftssystems und den Spannungen, die sich aus dem Prozeß der Verelendung in großen Teilen der ausgebeuteten `Dritten Welt' ergeben." (S. 233)

Aus diesem Anliegen glaubt die Gruppe Arbeiterstimme das politische Handlungskonzept ableiten zu können, sich im Gegensatz zu von ihnen als "ultralinks" bezeichneten Gruppen, die den "Doppelcharakter der Gewerkschaften nicht mehr wahrhaben wollen" (S. 235), auf die Arbeit innerhalb der Gewerkschaften zu stürzen, obwohl sie diese als "Anhängsel der besitzbürgerlichen Gesellschaft" identifiziert haben. Den Schritt, aus dieser Analyse wie auch aus den Lehren, die aus dem spanischen Bürgerkrieg abzuleiten wären, die Frage nach der Teilhaberschaft zuzuspitzen zugunsten einer Streitbarkeit, die keinerlei Rückgriff auf an den kapitalistischen Verwertungsmoloch gebundene Institutionen wie eben die Gewerkschaften mehr anstrebt, vollziehen Autoren wie Herausgeber nicht.

Gleichwohl haben sie mit dem vorgelegten Band einer an diesen Fragen interessierten Öffentlichkeit eine Materialsammlung zur Verfügung gestellt, die aus den anläßlich des spanischen Bürgerkrieges herausgebrachten Publikationen positiv herausfällt, weil sie die vorherrschende Geschichtssicht zu perforieren imstande ist. So liefern die unterschiedlichen Beiträge umfangreiche Hinweise darauf, daß die Interessen und Positionen, die im spanischen Bürgerkrieg zum Tragen kamen, auch in einer Weise bewertet werden können, die mit dem Postulat einer nationalen wie internationalen Anti-Franco-Front nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Die Arbeiter- und Bauernbewegung in Spanien war schon vor 1936 so stark, daß die Gefahr eines Umsturzes nicht von der Hand zu weisen war, weshalb der Wahlerfolg der Volksfront von 1936, an der auch bürgerliche Parteien beteiligt waren, zugleich auch als politisches Manöver aufgefaßt werden kann, eine soziale Revolution, die vor einer Machtübernahme durch Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräten nicht halt gemacht hätte, wirksam zu verhindern.

Aus Sicht des Kapitals, vertreten durch seine stärksten bürgerlichen Demokratien, also England, Frankreich und die USA, war die junge spanische Republik dennoch keineswegs schützenswert. Die Staaten einigten sich nach dem von Franco begonnenen Krieg mit Deutschland und Italien auf eine "Nichteinmischungspolitik", die sich als Chimäre entpuppte, weil die westeuropäischen Staaten sie zur Begründung nahmen, den spanischen Republikanern nicht einmal Waffenhilfe zu leisten, während die Achsenmächte ihr, wie dem Buch zu entnehmen ist, schlichtweg zuwiderhandelten. Die "Gruppe Arbeiterstimme" nimmt jedoch auch gegenüber der Politik der damaligen Sowjetunion und der von ihr dominierten Kommunistischen Internationalen eine kritische, ihrem politischen Selbstverständnis entsprechende Haltung ein, ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu erheben.

In einer redaktionellen Anmerkung der Redaktion der "Arbeiterstimme" zu einem in ihrer jüngsten Ausgabe (Nr. 140, Sommer 2003) erschienenen Artikel zur Geschichte der spanischen kommunistischen Partei (POUM) nimmt sie zu der Rolle der Sowjetunion wie folgt Stellung:

Die Sowjetunion wäre jedoch militärisch und rüstungsmäßig nicht im Stande gewesen einen Angriff aller Feinde abzuwehren. Sie brauchte also Zeit (deshalb dann der "Nichtangriffspakt") und mußte alles tun, damit sich ihre Todfeinde nicht verbündeten. "Das Trauma der Sowjetführung" (KPO) war ein einziger imperialistischer Kriegsblock der faschistischen Achsenmächte mit den Westmächten gegen die Sowjetunion. So wird das "Buhlen um die Gunst der Westmächte" - England und Frankreich - wie der Verfasser schreibt, schon verständlicher, auch wenn ihm zu diesem Zeitpunkt ein Erfolg noch nicht beschieden war.

Dieses Zitat beleuchtet die sozusagen innerkommunistische Widersprüchlichkeit, die auch für das Buch "Der spanische Bürgerkrieg" signifikant ist. Ihm kommt das Verdienst zu, die politischen Konsequenzen dieses "Buhlens" schonungslos aufgedeckt zu haben. So wurden von der Sowjetunion nur diejenigen Kräfte militärisch unterstützt, die eine ihr genehme politische Linie verfolgten, um eine revolutionäre Zuspitzung in Spanien zu verhindern. Die POUM allerdings, auf die sich nicht zuletzt die "Gruppe Arbeiterstimme" bezieht, vertrat den Standpunkt, daß der Krieg gegen Franco nur zu gewinnen sei, wenn die Interessen der Massen, nämlich der Arbeiter an der Kontrolle der Produktion sowie der Bauern an einer Enteignung der Großgrundbesitzer, sofort berücksichtigt und zum Kampfinhalt gemacht werden.

Dies hätte zu einer umfassenden Revolution in Spanien führen können mit womöglich weitreichenden Folgen auch in Frankreich und England, die sich ihrerseits durch eine starke Arbeiterbewegung herausgefordert fühlten; zugleich wäre mit jedem Landgewinn der Weltrevolution auch die Position der um ihre Existenz ringenden Sowjetunion unweigerlich gestärkt worden. Das Kalkül der Sowjetunion, Bündnispartner beim Klassenfeind zu suchen, um einer Konfrontation mit Hitlerdeutschland ausweichen zu können bzw. die westlichen Führungsmächte im Falle des zu erwartenden deutschen Angriffs als Alliierte gewinnen zu können, mag vielleicht verständlich erscheinen, läßt sich jedoch weit eher mit der Kompromißbereitschaft erklären, die schon Karl Marx, bürgerlicher Wissenschaftler und geistiger Vater der nach ihm benannten marxistischen Bewegung, offenbarte, als er vor der Tragweite seiner sehr wohl revolutionären Feststellung, nämlich daß der Wert der Arbeit mit nichts vergleichbar ist, zurückschreckte und stattdessen mit dem "Mehrwert" ein mit dem Klassenfeind noch verhandelbares Ideologem schuf.

Die Fragen zum spanischen Bürgerkrieg und dessen Relevanz für die noch völlig ungeklärten und brennenden Problemstellungen der Gegenwart werden durch das vorgelegte, von Flügel- und Grabenkämpfen innerhalb der kommunistischen Bewegung beeinflußte Werk selbstverständlich nicht beantwortet. Sein Gebrauchswert für interessierte Leser liegt gleichwohl in der schon mit dem Verlagsnamen bekundeten Absicht, "gegen den Strom" zu schwimmen und ungeachtet ihrer Widersprüchlichkeit bzw. bisherigen Nichtexistenz einer Position zum Durchbruch verhelfen zu wollen, die das globalisierende Kapital und seine propagandistischen Helferhelfer schon endgültig bezwungen zu haben glauben.


Herausgeber: Gruppe Arbeiterstimme
Der spanische Bürgerkrieg
Mit Aufsätzen von August Thalheimer, Waldemar Bolze u.a.
Gegen den Strom, München 2002
ISBN 3-00-010296-5