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REZENSION/097: Siegfried Lorenz - Mandala · Ein spiritueller Weg (SB)


Siegfried Lorenz


Mandala

Ein spiritueller Weg zur Entdeckung der eigenen Mitte und Erfahrung innerer Harmonie



Das vorliegende Buch verspricht eine "echte Lebenshilfe" zur Selbstfindung zu sein und in Krisenzeiten "innere Ordnung zu schaffen".

Man kann selbstverständlich geteilter Meinung darüber sein, was anderen Menschen nützen könnte. Doch bekanntermaßen ist es nicht hilfreich, mit einem Schema an die Probleme eines verunsicherten Menschen heranzutreten.

Mandalas, wie sie in der vorliegenden Weise präsentiert, thematisiert und systematisiert werden, stehen in einen psychologischen Rahmen, der so einfach erscheint, daß Probleme dort keinen Platz mehr haben. Damit sind sie jedoch nicht gelöst, sondern unbeachtet liegengeblieben. Denn ob die schlichte Gleichsetzung von Zahlen, Farben und Begriffen mit psychologischen Allgemeinplätzen bei ernsten Schwierigkeiten etwas bewirken kann, bleibt fraglich.

Die Verknüpfung von Psychotherapie und Religion zeigt sich in diesem Buch besonders nachteilig. Die auf ein derart niedriges Niveau heruntergebrochenen Kultur-Fragmente zeigen weder Zusammenhänge auf, noch geben sie Mittel an die Hand, Probleme zu bewältigen. Beispielsweise die lose zusammengewürfelten Aussagen über die Zahl Acht: "Die Acht ist die Zahl der Glückseligkeit, der Regeneration und der Wiedergeburt. Im Buddhismus bedeutet die Acht Erfüllung. Es gibt den achtgliedrigen Pfad, der ins Nirwana führt, das achtspeichige Rad und die achtblättrige Lotosblüte. Die Chinesen sehen in der Acht das Ganze und das Glück. Im Christentum steht die Acht für Regeneration und Wiedergeburt. Das achteckige Taufbecken gilt als Ort der Wiedergeburt. Erscheint die Acht in einem Traum, so kann das "Achtung" bedeuten. Vielleicht kündigt der Traum eine Wandlung an? Eine Acht in unseren Mandalas kann ein Hinweis auf eine Veränderung in unserem Leben sein. Sie kann für uns auch eine wichtige Glückszahl sein." (S. 75f.)

Als Psychotherapeut verwendet der Autor in seinen Seminaren Begriffe wie "wahres Wesen" und die "innere Mitte". Doch er füllt diese Begriffe nicht, da er vermutlich annimmt, daß jeder schon weiß, was gemeint sei. Wenn er sie aber zum Kernpunkt seiner publizistischen Arbeit wählt, dann reichen seine knappen Erläuterungen nicht aus. Man ist im Grunde auf eigene Interpretation angewiesen ist. In dem halbseitigen Kapitel über "Die innere Mitte wiederentdecken" erklärt er: "Es werden Dinge für uns wichtig, die uns von unserem Wesenskern wegbringen. Wir praktizieren Verhaltensweisen, die mit unserer Persönlichkeit nicht in Einklang stehen. [...] Wir haben uns selbst nicht mehr. Wir leben nach außen, weil wir uns selbst verloren haben. [...] Der Verlust der Mitte zeigt sich auch in der Unfähigkeit, sich in bestimmten Situationen entsprechend richtig zu verhalten." (S. 106)

Eines ist jedenfalls gewiß: für den Autor zählt nur die Anpassung. Seine Welt ist in Verhaltensweisen aufgeteilt, die "richtig" oder falsch sind. Es existiert "Einklang" oder Mißklang. Durch einfache Kategorisierung will er "Ordnung schaffen" und den Menschen aus ihren Problemen helfen. Hält sich der in Schwierigkeiten steckende Mensch an die bestehenden Werte, die in abend- oder morgenländischer Religion gründen, findet er seine "innere Mitte" - was auch immer damit gemeint ist.

Die praktische Übung, um die "innere Mitte wiederzuentdecken", ist entsprechend schematisch und gleichzeitig schwammig vorgebracht: "Sie beginnen die Übung mit der Affirmation: Ich schaffe es, mich zu entspannen, meine innere Mitte wiederzuentdecken und in ihr zu ruhen. Dann entspannen Sie sich tief in der Ihnen vertrauten und bekannten Weise. Anschließend stellen Sie sich in Ihrer Phantasie "Die innere Mitte wiederentdecken" vor. Nach Beendigung der Übung malen Sie, was in Ihnen entstanden ist, in Farben und Formen in den leeren Kreis hinein. Durch die Beschäftigung mit Ihrem Mandala (Malen, Deuten und Meditieren) können Sie Ihre Mitte wiederentdecken und zu Ihrem wahren Wesen zurückfinden." (S. 106f.)

Leider besteht in gewißen Ecken der esoterischen Szene ein bereits hartverkrusteter Konsens, über den manche glauben, eine Verständigung erzielen zu können. Doch dieser Konsens ist derart aussagelos, daß man mit den vermeintlichen Inhalten nichts anfangen kann. Selbst wenn ein gemalter Baum im Mandala als das "individuelle Selbst" interpretiert wird und die Sonne "als Verkörperung des Lichtes und als höchste kosmische Macht [...] durch ihre symbolische Energie die Entwicklung der Emotionalität und Persönlichkeitsentfaltung" unterstützt, klingt es nach ineffektivem Psychologisieren, das mit vielen Worten alles beim Alten beläßt.

Es sei jedem unbenommen, sich Unterhaltung zu verschaffen, indem er Mandalas malt und sich in Zahlen wie Farben wiederfindet. Aber eine tatsächliche Hilfe für Lebenskrisen stellt dieses Buch nicht dar. Faßt man es nur als Erinnerung an besuchte Seminare auf, lohnt sich der Kauf vielleicht.


Siegfried Lorenz
Mandala
Ein spiritueller Weg
zur Entdeckung der eigenen Mitte und Erfahrung innerer Harmonie
VWB - Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin 1999
140 Seiten
ISBN 3-86135-217-6