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REZENSION/012: Däniken - Auf den Spuren der Allmächtigen (Ufologie) (SB)


Erich von Däniken


Auf den Spuren der Allmächtigen



Wenn man mehrere Bücher von Erich von Däniken gelesen hat, dann hat man es recht einfach. Viele Geschichten kennt man schon, sein reichhaltiges Fotomaterial wiederholt sich von Jahr zu Jahr und Ausgabe zu Ausgabe in weiten Zügen.

Anlaß des vorliegenden Werks war eine fünfundzwanzigteilige SAT1- Fernsehserie, nach der auch das Buch betitelt wurde. In der TV- Reihe führte Erich von Däniken den Fernsehzuschauern noch einmal all die verschiedenen Stationen rund um den Globus vor, auf die er sich zum größten Teil bereits in seinen früheren Büchern bezogen hat. Unterstützt wurden die Filmaufnahmen durch Computeranimationen, die teilweise auch in dem vorliegenden Buch Verwendung fanden. In einer solchen graphischen Aufbereitung mittels der Computertechnologie steckt jedoch eine große Gefahr. Konnte man schon bei Foto- oder Filmaufnahmen durch die Wahl eines bestimmten Blickwinkels einen gewünschten Eindruck hervorrufen, so wird das durch die neueste Technologie noch wesentlich erleichtert. Mittlerweile ist die Computertechnologie schon so fortgeschritten, daß man ihre Produkte mitunter nicht mehr als solche von der Wirklichkeit unterscheiden kann. Für einen Autor, der eine bestimmte These im wesentlichen auf Bildmaterial stützt, liegt die Versuchung nahe, den Bildern die gewünschte Aussage hineinzumanipulieren. Das hat von Däniken so nicht gemacht, seine Computergrafiken sind als solche eindeutig erkennbar. Was er aber gemacht hat, ist die Kolorierung bestimmter Reliefs, um seine persönliche Interpretation plausibler erscheinen zu lassen. Erinnern wir uns: Von Däniken vertritt die These, daß in der Vorzeit Außerirdische in Raumschiffen die Erde aufgesucht haben. Diese Raumfahrer seien von unseren Vorfahren als Götter verehrt worden, was sich nach von Dänikens Theorie allerorten in den archäologischen und kulturgeschichtlichen Hinterlassenschaften widerspiegelt.

Eines seiner Vorzeige-Reliefs ist die Maya-Grabplatte von Palenque in Mexiko. Wie schon in seinen früheren Büchern konnte es sich der Autor nicht verkneifen, die Maya-Gravur ganzseitig wiederzugeben - nur, welch ein Wunder, daß sie diesmal farbig erscheint! Von Däniken sieht in der abgebildeten Figur einen Raumfahrer in seinem Fahrzeug, der verschiedene Instrumente bedient. Um seine Interpretation nahezubringen, hat der Autor am "hinteren" Ende des angeblichen Raumfahrzeugs rot-gelbes Feuer hineingemalt, während der Bereich, den er als die Raumschiffhülle interpretiert, silber metallisch hervorgehoben wurde. Der Raumfahrer selbst bekam knallgelbe Kleidung, die "Instrumente" wurden in verschiedenen Blautönen zum Untergrund kontrastiert, und der "Pilotensitz" bekam ein dunkles Braun. Wer dieses Bild nicht schon kannte, würde folglich zu dem Schluß kommen, daß hier das Original zu sehen ist. Aber das stimmt natürlich nicht. Die Farbgebung ist eine unzulässige Manipulation.

Von Däniken hätte auch bei der Grabplatte von Palenque auf die Kolorierung hinweisen müssen, so wie er es auf Seite 129 bei der präklassischen Stele von Tikal gemacht hat. Das ist das mindeste, was der Leser erwarten darf. Allerdings ist der Begriff "Kolorierung" bei der Stele wiederum eine krasse Verharmlosung dessen, was tatsächlich gemacht wurde. Hier wurden nicht nur bestimmte Flächen eingefärbt, sondern eine vollkommen neue Linienführung geschaffen! Immerhin muß man von Däniken zugute halten, daß er die Originalstele neben der kolorierten Darstellung abgedruckt hat, so daß der Leser vergleichen kann, was dem Original entspricht und was nicht.

Obwohl das Original so ausgeleuchtet wurde, daß jede Linie als Schatten erkennbar ist, tauchen beispielsweise im Mittelteil der Kolorierung Linien auf, für die es auf der echten Stele keine Entsprechung gibt. Dort ist etwas abgebildet, was man als anatomische Darstellung einer Wirbelsäule bezeichnen könnte. Von Däniken zieht nun eine weitere Stele als Vorlage für die erste heran und unterteilt jetzt die Wirbelsäule mit Querlinien, so daß daraus ein Schlauch mit wulstartigen Verdickungen entsteht. Die interpretative Farbgebung bestimmter Flächen zum Zwecke, ihnen einen scheinbaren Zusammenhang zu verleihen, tut dann das ihrige, um die Darstellung eines mit technischen Geräten bestückten Menschen nahezulegen.

Mit dieser Methode unterscheidet sich von Däniken prinzipiell nicht von Verfahren in der anerkannten Archäologie, aber der Leser sollte wissen, wie bestimmte Sichtweisen zustandekommen, die scheinbar eindeutig sind. Jedoch sollte man von Däniken zugestehen, daß er sich in diesem Buch noch viel mehr zurückhält als in früheren Ausführungen. Oftmals sind seine Andeutungen als Frage formuliert, und seine Grundthese von außerirdischen Besuchern, die als Götter verehrt wurden, kommt letztlich nur an wenigen Stellen durch. Das könnte damit zusammenhängen, daß sich das Buch auf eine Fernsehserie stützt, und dabei haben natürlich die Fernsehproduzenten auch noch ein Wörtchen mitzureden. So nehmen sich denn von Dänikens einleitenden Worte auch recht bescheiden aus:

Ich will nicht alles und jedes in Zweifel ziehen, aber ich möchte Fragen stellen, oft Fragen hinter Fragen, und ich möchte Sie mitnehmen in dieses herrliche Land der Fragezeichen, der Faszinationen. Dabei will ich gar nichts beweisen, aber ich möchte doch immerhin eine spannende Darstellung liefern, an deren Ende etliche Rätsel stehenbleiben. Und wissenschaftlich will ich schon gar nicht werden. (S. 10)

Eigentlich schade, daß er sich so sehr gegenüber den anerkannten Wissenschaften zurücknimmt, das hätte er von den Untersuchungsmethoden, Mitteln und Themen her gar nicht nötig gehabt. Und, da kann sich der Leser sicher sein, er meint es letztlich auch nicht so. Warum sonst seine hier und da eingestreuten Seitenhiebe auf überkommene Vorstellungen und verengte Sichtweisen, wenn er seinen Standpunkt ihnen gegenüber nicht zu kontrastieren wünscht?

Ein vor allen Dingen in der Esoterik beliebtes Thema sind bestimmte Linien, die sich über die Erde ziehen und wichtige Kultstätten miteinander verbinden sollen. Auch von Däniken kann sich der Faszination des scheinbaren Zusammenhangs länderübergreifender Verbindungen zwischen Kultstätten nicht entziehen und behandelt die "heiligen Linien" in einem eigenen Kapitel. Er behauptet:

Vor vielen Jahrtausenden, als die Menschen noch in der Steinzeit lebten, hat irgendwer ein geometrisches Netz über den Erdball gelegt. Viele steinzeitliche Gesellschaften errichteten ihre Heiligtümer auf schnurgeraden Linien. Jene Linien waren Bestandteil eines geometrischen Rasters. (S. 78)

In von Dänikens Kartendarstellungen beispielsweise Frankreichs verwendet er gelbe Sterne als Markierung der Kultstätten und rote Linien als deren unterstellte Verbindung untereinander. Nun entsteht beim Leser der Eindruck, es würde sich quer durch Frankreich, von Calais bis zur Mittelmeerküste, eine exakte geometrische Linie ziehen. Doch hier wird der Leser getäuscht, denn vergleicht man die Karten untereinander, so entdeckt man, daß die geographische Position zum Beispiel der Stadt Calais auf den Karten Seite 79 unten und Seite 80 oben weit über einhundert Kilometer voneinander abweichen! Auf der ersten Karte wurde Calais sogar etwa 70 Kilometer ins Landesinnere verlegt, was, wie jeder Großbritannien-Reisende sicherlich weiß, mit erheblichen Schwierigkeiten beim Fährverkehr über den Kanal verbunden wäre.

Nur dadurch konnte es von Däniken gelingen, seine "heiligen" Linien zu ziehen. Auffällig wird diese Manipulation ebenfalls dadurch, daß auf den oben angeführten Karten jeweils der Ort Alaise inmitten Frankreichs auftaucht. Da aber beide Male Calais der Ausgangspunkt der Linie war, kann die gerade Linie immer nur einen Verlauf über Alaise hinweg nehmen. Doch bei von Däniken schneidet sie auf der ersten Karte Sardinien, während sie auf der zweiten Italien von Nord nach Süd trennt.

Damit ist aber die ganze Theorie, es würde ein übergeordnetes, geometrisch exaktes Raster von Kultstätten geben, hinfällig. Denn wenn es sich nicht mehr um geometrisch exakte Linien handelt, kann man sie irgendwie ziehen, man braucht dann keine Raster mehr.

Aber selbst wenn von Däniken bei seiner Darstellung nicht geschummelt hätte, bliebe die Problematik der Kartenprojektion. Vor fünfhundert, vor zweihundert und auch vor fünfzig Jahren hatte man unterschiedliche Kartenprojektionen. Das liegt daran, daß man die kugelige Form der Erde nicht auf ein Blatt Papier bekommt, ohne daß Wellen oder Lücken entstehen. In der Kartographie behilft man sich, indem man die Lücken rechnerisch füllt, indem man nur einen kleinen Kartenausschnitt wählt oder indem man die Karte flächen- oder aber winkeltreu wählt. Der Fachmann hat da noch viele weitere Möglichkeiten der Projektion, die wir hier nicht alle erörtern wollen. Aber eines ist gewiß: Wenn man auf der einen Karte eine gerade Linie über zehn Ortschaften hinweg ziehen kann, wird man es bei einer anderen Kartenprojektion mit Sicherheit nicht können!

Folgt man einmal von Dänikens Theorie der "heiligen Linien", so würde das bedeuten, daß derjenige, der das Raster angelegt hat, vor vielen Jahrtausenden exakt die Kartenprojektion wählte, wie sie dem Leser hier im Jahre 1995 vorliegt. Wer sich ein wenig für Kartenkunde interessiert, wird wissen, was dem Leser da an Gutgläubigkeit abverlangt wird.

Auf Seite 83 hat von Däniken einem Ausschnitt einer Straßenkarte von Karlsruhe und Umgebung ein Pentagramm aufgelegt, durch das fünf kulturgeschichtlich ältere Stätten miteinander verbunden werden sollen. Nun ist das Pentagramm natürlich ein Zeichen, mit dem heute noch allerhand Geheimnisse verknüpft werden, wird es doch in der Magie und im Okkultismus weiterhin verwendet. Allerdings ist das Pentagramm nicht die einzige Möglichkeit, fünf Punkte miteinander zu verbinden. Man könnte auch einen Kreis ziehen oder irgendeine andere symmetrische oder asymmetrische Form wählen. Das heißt, daß die Wahl des Pentagramms willkürlich ist, sie ergibt sich nicht zwingend aus den vorgegebenen Punkten.

Ein Leser mag dieser Zahlenmystik folgen oder nicht, das ist eine reine Glaubensfrage. Und damit ist es fast schon egal, ob das Pentagramm tatsächlich eine geographische Entsprechung von besonderen Stätten hat oder nicht, Befürworter dieser Vorstellungen werden immer Zeichen finden, die sie auf ihre Weise zu interpretieren wünschen. Wichtig für unsere Leserschaft ist nur, wie gesagt, daß sich der unterstellte Zusammenhang nicht zwangsläufig ergibt.

Deutlich wird dies beispielweise auch bei von Dänikens Aussage, daß die Städte Aachen, Frankfurt, Würzburg, Nürnberg und Donaustauf auf einer gerade Strecke liegen. Natürlich kann man das so sehen, aber man kann auch die Frage aufwerfen, was denn mit den vielen anderen Städten sei, die knapp neben der Linien liegen und in denen es ebenfalls alte Kultstätten gibt? Der Willkür der Interpretation sind Tür und Tor geöffnet!

Abgesehen davon tauchen natürlich viele weitere Fragen in diesem von dem Autor konstruierten Zusammenhang auf. Welche Bedeutung wird den geometrischen Linien beigemessen? Warum sollte irgend jemand in der Steinzeit das gleiche Abstraktionsvermögen haben wie der heutige Mensch, der irgend etwas in geometrische Linien hineininterpretiert?

Ein immer wieder beliebtes Thema von Dänikens sind die indianischen Erdhügel in Nordamerika, vornehmlich der Schlangenhügel im US-Bundesstaat Ohio, der sich über vierhundert Meter durch die Landschaft schlängelt. Dieses künstlich Gebilde soll nur aus der Luft zu erkennen sein, und von Däniken stellt auf seine mittlerweile vorsichtiger gewordene Art und Weise die Frage:

Wollte man mit diesen riesigen Bildwerken Zeichen nach oben geben? Wer sollten die Adressaten sein? (S. 95)

Wer das Buch vorliegen hat, wird auf dem Foto, das vom Boden aufgenommen wurde, sehr wohl einen geschlängelten Hügel erkennen können, auch wenn man ihn vielleicht nicht in seiner Gesamtheit überblicken kann. Aber die Vermutung, hier könne es sich um ein Zeichen handeln, das für irgend jemanden in der Atmosphäre gedacht sei, ist eine Überdeutung der eigenen Beobachtungsposition. Der Mechanismus, der dazu führt, ist leicht zu verstehen. Wenn man mit einer kleinen Sportmaschine über die Landschaft fliegt, meint man aufgrund der ungewohnten Perspektive, einen viel genaueren Blick zu haben. Diese Überschätzung geht anscheinand so weit, daß sich der Autor tatsächlich angesprochen und gemeint fühlt von den Zeichen, die er selbst in die Landschaft deutet.

Noch unerklärlicher wird von Dänikens Auslegung des "Medicine Wheel" auf dem Big Horn Mountain in Wyoming. Auch das Medizinrad soll nur aus der Luft zu erkennen sein, was aber nicht stimmt, denn man kann auf dem unteren Foto auf Seite 96 sehr genau ein Medizinrad erkennen, obwohl es nicht aus der Luft aufgenommen wurde. Darüber hinaus bietet ein Foto nur ein beschränktes Sichtfeld, wenn man wirklich in der Landschaft stehen würde, könnte man das Rad noch viel besser erkennen. Ein Zeichen für die Lüfte muß es also nicht sein.

Aber selbst die Annahme, daß es sich überhaupt um ein Zeichen handelt, unterstellt schon eine voreingenommene Sichtweise. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß es sich überhaupt um ein Bild oder Zeichen handelt. Das mit Steinen gebildete "Medizinrad" könnte seinen Zweck schon im Moment des Fertigstellens erfüllt haben, jede weitere Aufmerksamkeit des Gebildes könnte für den, der es gemacht hat, ohne das geringste Interesse sein. Nur heutige Archäologen beschäftigen sich noch immer mit den letzten noch nicht zerfallenen Hinterlassenschaften irgendwelcher Kulturen rund um den Globus. Und der Autor von Däniken mischt dabei kräftig mit. Für den Leser macht es keinen nennenswerten Unterschied, für welches Buch von Dänikens er sich entscheidet. Dennoch, auch das vorliegende Werk wird unterhaltsam präsentiert, und durch die vielen Fotos ist auch für die notwendige Abwechslung gesorgt.

Erich von Däniken
Auf den Spuren der Allmächtigen
Bertelsmann Verlag, München 1993
192 Seiten
ISBN 3-570-01726-5