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BUCHBESPRECHUNG/004: Gross, Altman - Captains's Logbuch (Star Trek) (SB)


Edward Gross & Mark A. Altman


Captain's Logbuch



Zu der Science-fiction-Serie "Star Trek" gibt es bereits eine Fülle an Fachliteratur, die den Produktionshintergrund, die Ansichten von Autoren, Schauspielern und Produzenten sowie ihre steinige Entwicklung in den nunmehr drei Jahrzehnten ihres Bestehens beleuchtet. Zu den Grundlagenwerken im deutschsprachigen Raum zählt sicherlich der vorliegende großformatige und mit 288 Seiten sehr umfangreiche Band "Captain's Logbuch". Er handelt von den ersten beiden Star-Trek- Generationen, wobei der Schwerpunkt auf die Anfänge des Raumschiffs "Enterprise", wie es im deutschen Fernsehen heißt, gelegt wurde. Hier wird nicht nur auf jede einzelne Episode der drei Staffeln über Captain Kirk, Wissenschaftsoffizier Spock und Bordarzt "Pille" McCoy in einer kurzen Handlungsbeschreibung mit anschließendem Kommentar eingegangen, sondern vor allem auf die vielen Hochs und Tiefs, die während der Produktion auftraten. Um den Lesern einen Einblick zu ermöglichen, der über den gewohnten Standard der Fernsehzeitschriften hinausgeht, kommen in "Captain's Logbuch" vor allem die Menschen aus der zweiten Reihe zu Wort, die nicht weniger an der Herstellung der Serie beteiligt waren als die Schauspieler selbst, deren Gesichter jeder kennt und die dementsprechend ihren Bekanntsheitsgrad in klingende Münze umsetzen konnten. Aber welcher "Nicht-Trekkie" kann schon etwas mit Namen wie Gene Coon (Drehbuchautor), Dorothy C. Fontana (Drehbuchautorin) oder Bob Justman (Producer) anfangen, um nur einige zu nennen, die einen wesentlichen Einfluß auf die Gestaltung von "Star Trek" hatten?

Ihre Ansichten und die vieler weiterer Beteiligter werfen ein deutliches Bild auf eine Zeit, in der die Science-fiction sich in der Fernsehlandschaft überhaupt erst gegen überkommene Vorstellungen durchsetzen mußte. Zuvor hatte es nichts Vergleichbares gegeben, und so stieß die Enterprise-Crew nicht nur auf der Mattscheibe in Bereiche vor, die noch nie ein Mensch zuvor betreten hatte, sondern gleichermaßen hinter den Kulissen. Wer mehr darüber erfahren möchte, ist mit diesem Buch sicherlich sehr gut bedient. Was allerdings nicht bedeutet, daß "Captain's Logbuch" das einzige Werk ist, das sich dieser Hintergründe von "Star Trek" angenommen hat. Dafür ist es recht umfänglich, informativ und mit 29,80 DM - vergleichsweise - preisgünstig.

Die beiden Autoren Edward Gross und Mark A. Altman gehen weit zurück in die Prä-Star-Trek-Zeit und beschreiben, vor welchem TV- geschichtlichen Hintergrund Gene Roddenberry, der Vater des Raumschiffs "Enterprise", seine Ideen und Konzepte entworfen hatte. Auch wenn Roddenberry Zugeständnisse an die NBC- Fernsehgesellschaft machen mußte, konnte man sein Konzept noch immer als revolutionär bezeichnen. Eine so gemischtrassige Truppe von Helden hatte es niemals zuvor auf dem Bildschirm gegeben. Ein Japaner (Sulu) und ein Russe (Chekov) an der Konsole, eine Farbige (Uhura) als Kommunikationsoffizier, ein Schotte (Scotty) im Maschinenraum und natürlich der allseits bekannte Vulkanier Spock als Wissenschaftsoffizier - es war wirklich nicht einfach für Roddenberry, seine unkonventionellen Vorstellungen durchzusetzen. Die Science-fiction war für ihn nämlich ein sehr geeignetes Genre, seine persönlichen Vorstellungen einer möglichen Menschheitszukunft darzustellen und damit zugleich die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse ansatzweise zu kritisieren. Er selbst sagte dazu:

... Ich dachte, daß ich vielleicht über Sex, Politik, Religion und Vietnam schreiben könnte, wenn ich die Situationen, in denen es um diese Themen geht, auf einem anderen Planeten geschehen ließe, so daß sie nicht uns, sondern die kleinen grüne Leute betreffen. Und das hat wirklich funktioniert. Es ging komplett über die Köpfe der Zensoren hinweg, aber jeder Vierzehnjährige im Publikum wußte genau, worüber wir redeten. (S. 11/12)
"Captain's Logbuch" läßt auch die enormen Konflikte, die im Laufe der Arbeit zwischen Roddenberry, der Fernsehgesellschaft, den Autoren, den Schauspielern und den zahlreichen anderen Funktionsträgern auftraten, nicht aus und schildert, welche teils verheerenden Auswirkungen diese Streits auch auf die Endfassung der Episoden hatte. So kann der Leser noch einmal nachvollziehen, warum gerade zum Ende der dritten Staffel die Arbeit der Bühnenbildner mit Sperrholz und Pappmache immer offensichtlicher wurde und der Drehort sich zunehmend auf das Innere der Enterprise beschränkte. Oftmals wurde die Serie totgesagt, und sie mußte ständig Budgetkürzungen hinnehmen.

Nach 78 Episoden kam dann das endgültige Aus. Das endgültige? Nein, im Gegenteil, nicht nur einmal hatten die Zuschauer Einfluß darauf genommen, daß die Serie weitergeführt wurde. In "Captain's Logbuch" wird das Phänomen beschrieben, daß gerade die Wiederholung der Fernsehserie in den amerikanischen Lokalsendern einen durchschlagenden Erfolg verzeichnete. Und als dann Ende der siebziger Jahre der erste Star-Trek-Kinofilm herausgebracht wurde, der durchweg schlechte Kritiken bekam, da waren es wieder die Zuschauer, die sich nicht davon abhalten ließen und Captain Kirk mit seiner Crew zum Erfolg verhalfen.

Bald hatten die Fernsehgesellschaften erkannt, wo das große Geld zu holen war: in der Science-fiction! George Lucas' "Star Wars" und Spielbergs "Unheimliche Begegnung der dritten Art" waren Kassenschlager, und die insgesamt sechs Kinofilme von "Star Trek" waren auch recht einträglich. Jedem widmet das "Logbuch" einen eigenen Abschnitt, in dem die ersten, teilweise auch wieder verworfenen Ideen zu einem Film, die Produktion und schließlich auch die Zuschauerresonanz beschrieben werden.

Einen Episodenführer gibt es aber nicht nur für die erste und zweite Generation, sondern auch für die Zeichentrickserie aus den Siebzigern, die in Deutschland kaum bekannt ist. Sie hatte immer ein Schattendasein geführt. Gerade im Bereich der Science-fiction wollten die Zuschauer lieber echte Schauspieler und echte Kulissen sehen, denn in Zeichentrickserien ließ sich das Element des Phantastischen sowieso schon leichter unterbringen, das war eigentlich nichts Außergewöhnliches. Allerdings standen die Drehbücher zur Zeichentrickserie denen zur echten Serie in nichts nach, und so gab es für die Zuschauer auch hier so manchen Schatz zu heben. "Star Trek" generierte sich fast schon zu einer Weltanschauung, Tausende von begeisterten Menschen bekannten sich als Trekkies. (Übrigens hatte sich in Deutschland selbst Ex- Außenminster H.-J. Genscher als Fan geoutet, womöglich war er von Picards diplomatischem Verhandlungsgeschick angetan, denn nicht nur einmal wußte der Captain die herrschenden Gesetze zu seinem Gunsten auszulegen.) Jedenfalls waren dem nimmermüden Zuschauerinteresse schon bei der ersten Generation alsbald der Verkauf von Souvenirs, Postern, Kleidung, Tricordern, lebensgroßen Pappfiguren, Comics und natürlich Büchern gefolgt. Das Merchandising von Filmfiguren hat sich mittlerweile zu einem eigenständigen Industriezweig gemausert, "Star Trek" hatte auf diese Entwicklung einen nicht zu unterschätzenden Einfluß.

Wenn die erste Generation "Star Treks" von Zwietracht, Konflikten und etlichen anderen Zerreißproben bestimmt war, so zeigte die gänzlich neue Crew der zweiten Generation, und mit ihnen die übrigen Beteiligten, daß man augenscheinlich auch in der Zusammenarbeit andere Wege gehen konnte. Es hatte zwar annähernd zwei Jahre gedauert, in denen sich die Autoren noch die Türklinke in die Hand gaben, so schnell wurden sie gewechselt, aber längst stand "Star Trek", das ja mehr war als nur eine Serie, auf sicheren Füßen. "The Next Generation" wurde anfangs von vielen kritisiert, gewann aber zunehmend an Profil. Es bildeten sich Charaktere aus, die vielen Zuschauern zum Vorbild erwuchsen.

Auch bei der Beschreibung dieser Generation behält "Captain's Logbuch" das Konzept bei, jede Episode (bis einschließlich Nr. 126) inhaltlich kurz zu beschreiben und anschließend umfänglich zu analysieren und zu kommentieren. Für den Star-Trek-Fan und Zuschauer eine geeignete Methode, die jeweiligen Episoden bei Interesse nachzuschlagen und sich Hintergrundinformationen zu verschaffen. Und davon gibt es bei einer so langjährigen Fernsehserie mehr als reichlich. Schließlich hat sie Science- fiction-Geschichte geschrieben, denn viele Dinge wurden hier erstmals im Fernsehen verwirklicht. Als Beispiel sei hier nur die Idee des Gestaltwandlers genannt (Episode 1: "Der letzte seiner Art"), die ja in der dritten Star-Trek-Generation in der Figur des Odo unter Zuhilfenahme der Computeranimation nahezu ausgereizt wurde.

Leider wird das Nachschlage- und Lesevergnügen von "Captain's Logbuch" durch die allgemein schlechte Aufbereitung des Bands geschmälert, denn schon nach dem ersten Blättern fielen einzelne Seiten heraus. Daß es überdurchschnittlich viele Rechtschreib- und Satzfehler gibt, beeinträchtigt zwar nicht den Lesefluß, aber es erweckt zumindest den Eindruck, als hätte sich der Verlag keine besondere Mühe bei der Herstellung gegeben. Dieser Eindruck wird darüber hinaus auch noch durch die mäßige Übersetzung bestätigt, die es sich zu einfach gemacht hat. Das gipfelt dann in der Heiterkeit auslösenden Übersetzung des Wortes "post". "Post" hat in den USA viele Bedeutungen, so daß man - wie immer bei einer Übersetzung - den Zusammenhang, in dem das Wort steht, einbeziehen muß. Auf Seite 56 lesen wir jedoch zum Thema Eigendünkel bestimmter Schauspieler:

Der Held der Folge war ein kleines, wolliges Fellwesen, und so was wollten sie nicht. Sie wollten immer selber die Helden sein, und das ist das Kennzeichen des verwöhnten Schauspielers. Das sind Leute, die lesen ihre Post und haben mit Teamarbeit nichts mehr am Hut.

Schauspieler lesen nur ihre Post? Nein, das ist natürlich unsinnig. Korrekterweise müßte es heißen, die lesen nur ihren Part; gemeint ist ja nicht die Post als Briefverkehr, sondern der Text, den ein Schauspieler zu sprechen hat. Gegebenenfalls könnte man noch seinen Post sagen, doch da dieser Begriff im Deutschen nicht üblich ist, wäre Part die angemessenste Übersetzung.

Für enthusiastische "Star-Trek"-Fans und alle, die es werden wollen, soll dies jedoch kein Hinderungsgrund sein, einmal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Dazu eignet sich "Captain's Logbuch" nämlich gerade für den Einsteiger ausgezeichnet und ist mit DM 29,80 auch nicht überbezahlt.

Edward Gross & Mark A. Altman
Captain's Logbuch
Heel AG, Schindellegi, Schweiz, 1994
288 Seiten, 29,80 DM
ISBN 3-89365-376-7