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REZENSION/085: Perry Rhodan Silberband 91 - Die Terra-Patrouille (SB)


Perry Rhodan


Die Terra-Patrouille



Unermüdlich folgen die Silberbände der Heftromanserie PERRY RHODAN durch die mehrtausendjährige Geschichte einer fiktiven Zukunft der Menschheit. Der vorliegende Silberband 91 hat zunächst einmal die banale Konsequenz, daß das Bücherbord der treuen Leserschaft inzwischen auf eine Länge von exakt 3,913 Metern mit silbern-blauen Buchrücken gefüllt sein dürfte. Wir befinden uns in der zweiten Hälfte des Aphilie-Zyklus. Perry Rhodan, Atlan und die Solaner auf dem Fernraumschiff SOL suchen die Erde, die es nach dem Sturz durch den Schlund an einen unbekannten Ort des Universums verschlagen hat. Bei der Suche dringen die Freunde in den Einflußbereich einer Superintelligenz vor, die sich Kaiserin von Therm nennt und in eine Auseinandersetzung mit der Superintelligenz Bardioc verstrickt ist. Die Kaiserin von Therm beauftragt Perry Rhodan mit der Fahndung nach dem MODUL, das für sie ungeheuer wichtig ist. Dafür soll der Unsterbliche erhalten, was seinerseits ihm ungeheuer wichtig ist, nämlich Informationen über die kosmische Position der Erde.

Bevor der Unsterbliche aufbricht, müssen sich er und seine Mitstreiter gegen die Feyerdaler, das Hilfsvolk der Kaiserin von Therm, behaupten. Da sich das Gesellschaftssystem der Feyerdaler auf die völlige Erstarrung zubewegt, spinnt die Kaiserin von Therm eine feine Intrige und brüskiert ihr Hilfsvolk damit, daß sie ausgerechnet einen Fremden - eben Perry Rhodan - auswählt, nach dem MODUL zu suchen. Das rüttelt die Feyerdaler auf, und sie versuchen die SOL mit militärischen Mitteln zu bezwingen. Der Versuch scheitert, und genau dadurch haben die Feyerdaler viel mehr gewonnen, als sie sich zuvor erträumten. Denn sie müssen sich gegenüber den Galaktikern geschlagen geben, und indem sie ihre Niederlage einräumen und anerkennen, daß Perry Rhodan für die Suche nach dem MODUL der geeignetere Kandidat ist, durchbrechen sie ihre selbstauferlegten Grenzen. Das macht sie frei für zukünftige Aufgaben, die ihnen ihre hochverehrte Superintelligenz zuweisen wird.

Ein zweiter Handlungsstrang des vorliegenden Silberbands, in dem die Heftnummern 766, 767, 768, 776, 782, 783, 786 und 787 verarbeitet wurden, spielt auf der weitgehend entvölkerten Erde. Die letzten Menschen sammeln sich, unter ihnen Alaska Saedelaere, der Mann mit der Maske. Bei einem Transmitterdurchgang war der hochaufgeschossene Terraner im Hyperraum mit einem pedotransferierenden Cappin zusammengestoßen. Dieser lebt nun als leuchtend funkelnder Organklumpen im Gesicht Saedelaeres weiter und würde jeden, der ihn anblickt, in den Wahnsinn treiben. Darum muß der Transmittergeschädigte ständig eine Maske tragen.

Alaska und eine Handvoll Menschen sowie der auf der Erde gestrandete Extraterrestrier Douc Langur und der Ka-Zwo-Roboter "Augustus" gründen am 4. März 3582 die TERRA-PATROUILLE. Die setzt es sich zum Ziel, 1.) den Standort Terras zu bestimmen, 2.) die Menschheit wiederzufinden, 3.) alle noch auf der Erde lebenden Menschen zu finden und in die

TERRA-PATROUILLE aufzunehmen,
4.) das Mondgehirn NATHAN zu aktivieren.

Es läßt sich denken, daß der Anspruch, sämtliche noch auf der Erde lebenden Menschen unter die eigenen Fittiche nehmen zu wollen, nicht von allen als künftige Mitglieder der TERRA- PATROUILLE infragekommenden Personen mit Wohlgesonnenheit goutiert wird. Der Biophysiker Chara Shamanov jedenfalls sträubt sich mit Händen, Füßen - und Bomben. Auch er will die Menschheit einen, allerdings unter seiner Führung. So etwas gehört sich natürlich nicht, hat er doch die Rolle des selbstsüchtigen Schurken in diesem Spiel. Nachdem ihm einige taktische Siege gegen seine Konkurrenten gelangen, wird ihm ein für alle Mal das Handwerk gelegt. Nun ist der Weg zur vereinten Menschheit unter Führung Jentho Kanthalls, eines früheren Regierungsmitglieds aus der gefühlskalten Zeit der Aphilie, frei.

Eine nicht unwesentliche Rolle in der Auseinandersetzung um die Vorherrschaft auf der Erde kommt dem Ka-Zwo Augustus zu. Der hat, wie so häufig die Roboter in der PERRY RHODAN-Serie, einen gehörigen Spleen. Er tickt nicht richtig. Das macht ihn ziemlich menschlich. Seine "Motive", wenn man das von einem vergleichsweise autark handelnden Gerät wie dem Ka-Zwo sagen darf, sind genauso wenig nachvollziehbar wie die der Menschen in der realen Welt, aber dennoch versteht man Augustus gut. Er beharrt unerschütterlich darauf, daß er Zwiesprache mit einem, wie alle anderen wissen, nichtexistenten Verbindungsrechner hält. Von dieser Behauptung läßt er sich partout nicht abbringen. Immer wenn er mit dem "eingebildeten" Überrang-Rechnerknoten kommuniziert, legt er seinen Blechkopf schief, verharrt einige Sekunden in dieser Position und ... kommt mitunter zu spichwörtlich umwerfend komischen Resultaten. Die vernehmen sich beispielsweise wie folgt: "Eine vorübergehende Außerbetriebsetzung erscheint angebracht" (S. 80), sagte Augustus und schickte mit einem gezielten Schlag den verrückten Wissenschaftler Shamanov ins Reich der Träume. Augustus ist sicherlich eine der amüsantesten Figuren dieses Zyklus.

Aber nicht nur die irdische Robotik verhält sich sonderbar. Auch LOGIKOR, der portable Rechner Douc Langurs, erfüllt eigentlich in den seltensten Fällen die an ihn gerichteten Ansprüche. Als er einmal von Langur gefragt wird, was er von dem neuen Auftrag, das MODUL zu suchen, halte, erwiderte LOGIKOR (geradzu menschlich) ausweichend: "Es liegt eine verwirrende Fülle von Informationen vor. Unter diesen Umständen kann ich mir kein Bild von dieser Angelegenheit machen." (S. 114) Da fragt sich der Leser schmunzelnd, wozu man überhaupt einen Computer hat. Diese Frage stellte übrigens auch Douc Langur und erhielt von LOGIKOR die logische Antwort: "Zur Unterstützung bei der Lösung schwieriger Probleme." (S. 115) ... na, dann sind ja alle Klarheiten beseitigt.

PERRY RHODAN, die größte Science-fiction-Serie der Welt, zeichnet sich nicht nur durch humorvolle Einlagen aus, sondern auch durch Anleihen an die Denkgeschichte der Menschheit. Selbstverständlich werden der Leserschaft keine seitenlangen religionsphilosophischen Ein- und Auslassungen präsentiert, wie sie einst Frank Herbert mit seinem legendären Dune-Zyklus ("Der Wüstenplanet") auf die Spitze trieb. Aber wenn das kissenförmige, tentakelschwingende Wesen Douc Langur jeden Interessierten und Nicht-Interessierten auf seinem Weg fragt, ob er ihn für ein organisches Wesen oder einen Roboter halte, und diese Problematik regelmäßig thematisiert wird, dann führt dies hin und wieder zu weitergehenden Erörterungen auch der menschlichen Existenz, über die generell in Science-fiction-Romanen am Beispiel von vermenschlichten Robotern, Cyborgs, Androiden oder Klonen philosophiert wird.

Jene Nicht-Menschen messen sich in der Regel am Menschlichen und grübeln häufig darüber nach, wer oder was sie sind und ob sie einen freien Willen haben, etc. Mit solchen Dilemmata knüpft auch PERRY RHODAN an Fragen früherer Jahrhunderte an, in denen Tüftler versuchten, ausgeklügelte mechanische Puppen exakt nach menschlichem Ebenbild herzustellen und zu animieren, Alchimisten und andere Wissenschaftler nach dem Ort der menschlichen Seele forschten oder Mary Shelleys Romanfigur Dr. Frankenstein Leichenteile zusammennähte und mit Hilfe eines Blitzes zum Leben erweckte.

Eine entvölkerte Erde, vereinsamte Menschen und unter ihnen ein Fremdwesen, das wissen will, wessen Geschöpf es ist ... der in dem vorliegenden Silberband verarbeitete Ausschnitt aus der Gesamtserie zum Perryversum zeichnet sich durch eine kalte, teils bedrückende Stimmung aus. Man kann auch sagen, es liegt gespannte Friedhofsruhe in der Luft, und es bleibt ungewiß, welche Zukunft der Heimat der Menschen beschieden ist. Zumal schwarzhäutige Pelzwesen mit einem Raumschiff auf der Erde gelandet sind und Aktivitäten entfalten, die den Beobachtern unerklärlich bleiben. Was haben die Fremden vor? Ein douglas-adams'scher Supercomputer würde darauf als Antwort vermutlich "42" ausspucken - in unserem Fall dürfte "92" Aufklärung bringen ...


Perry Rhodan - Die Terra-Patrouille
Silberband 91
Pabel-Moewig Verlag, Rastatt 2005
ISBN 3-8118-4069-X