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REZENSION/072: P. Dempf - Das Geheimnis des Hieronymus Bosch (Kunst) (SB)


Peter Dempf


Das Geheimnis des Hieronymus Bosch



Der Autor, der Germanistik und Geschichte studierte, ist nach eigenen Angaben seit 1977 dem Gemälde "Im Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch verfallen. Normalerweise reicht ein derartig leidenschaftliches Motiv aus, um einem Roman Leben einzuhauchen. In diesem Fall jedoch fehlt die dichte Atmosphäre, die einen Leser gefangen nimmt. Dabei brachte der Autor alles ein, was ein guter Roman braucht: Detailwissen, Handlungsreichtum und undurchsichtige Motive.

Mithilfe einer zweiten Erzählebene führt der Autor den Leser in die Werkstatt des Hieronymus Bosch im 16. Jahrhundert. Aber nicht der Meister selbst steht im Mittelpunkt, sondern ein unbedarfter Malergeselle, der die Aktivitäten seines Meister miterlebt und in gefährliche Machenschaften hineingezogen wird.

Wenngleich ständig Neues passiert und der Autor ein Ereignis an das nächste reiht, gelingt es ihm nicht, den Leser zu fesseln. Dabei trägt er alle Informationen über das berühmte Gemälde von Bosch zusammen. Zwar ist, wie der Autor durch seine Figuren immer wieder betont, nicht viel darüber bekannt, doch zieht der Autor die verschiedensten Interpretationen heran, die aufgrund der Zugehörigkeit Bosch' zur damaligen "Unserer Lieben Frauen"-Gemeinschaft wie auch seine unbewiesene Zugehörigkeit zur Bruderschaft der Adamiten jeweils andere Botschaften aus der Bildsymbolik zulassen.

Die Adamiten galten als Sekte, denen alle Regungen des Körpers heilig waren. Sie sahen Adam ohne Schuldbekenntnis der Sünde und wollten die seraphische Liebe, also die Liebe der Engel im Zustand des Paradieses, leben. Diese Brüder und Schwestern des Freien Geistes trafen sich unbekleidet, so daß zwischen den Menschen nur der Unterschied der männlichen und weiblichen Körper bestand, aber keinerlei Standesdünkel. Die Frau galt dem Manne gleichrangig.

Daß eine derartige Bibelinterpretation den damaligen Priestern ein Dorn im Auge war, versteht sich von selbst. Und die Inquisition hing seinerzeit wie ein böser Schatten über dem Geschehen.

Hieronymus Bosch wird in dem Roman als führendes Mitglied der Adamiten dargestellt. Sein dreigeteiltes Altarbild "Im Garten der Lüste" bietet den Mitgliedern in ihren ketzerischen Messen eine Gesprächsgrundlage, womit sie sich auch grundsätzlich von einer katholischen Messe unterscheidet, in der keinerlei Gespräch stattfindet.

Die erste Erzählebene spielt in der Gegenwart, in der ein verrückter Pater das Bild beschädigt, um Beweise für einen Bericht zu finden, auf den er bei seiner Arbeit in der Klosterbibliothek gestoßen war. Er haßt Frauen und so zieht das Thema des Sündenfalls sowie des Patri- und Matriarchats den Roman.

Doch woran liegt es nun, daß trotz des interessanten Themas, trotz der spannenden Ereignisse und der hervorgerufenen zeitgenössischen Erlebnisbilder der Roman nicht fasziniert? Man müßte eigentlich derart gebannt sein, daß man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte. Aber man müht sich durch die Kapitel. Liegt es an den trockenen Ausführungen über Maltechniken? An den langatmigen Interpretationen, an der platten Verführungsgeschichte, an dem überdehnten Spannungsbogen, der aus lauter kleinen Bruchstücken zusammengesetzt scheint?

Höchst bedauerlich, daß der Stoff verschleudert wurde, es hätte ein wirklich packender Roman werden können. Aber zuviel wird im Ungewissen gehalten; zu häufig damit gespielt, daß wichtige Figuren die Seiten gewechselt haben könnten, nur um letztlich zu einem unbefriedigenden Ende zu führen. Schade.


Peter Dempf
Das Geheimnis des Hieronymus Bosch
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1999
404 Seiten
ISBN 3-8218-0389-4