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REZENSION/003: Arthur C. Clarke - 2061 Odyssey Three (Science Fiction) (SB)


Arthur C. Clarke


2061 Odyssey Three



Sicherlich gibt es kaum einen Science-Fiction Fan, der den in den sechziger Jahre gedrehten Film "2001 Space Odyssee" nicht gesehen hat. Damals wurden Maßstäbe für dieses Genre gesetzt hat, die erst sehr viel später von anderen Produktionen erreicht wurden. Die auch nach heutigen Standards perfekte Machart und einfallsreiche Tricktechnik des Films war so nahtlos mit einer Vision von der Menschheitsgeschichte gepaart, daß der Zuschauer schon in den ersten Minuten in kosmischen Dimensionen entrückte.

"2010 Odyssee Zwei" hob sich demgegenüber kaum von der Masse der SF-Filme ab und lebte zu einem Großteil vom unverblichenen Glanz des Vorgängers und dessen schwer zu entschlüsselnden Ende, das viele Fragen offen ließ. Der Anschlußfilm machte das Mysterium des Monolithen nicht etwa durchschaubarer, sondern die letzte Einstellung, in der man am Himmel über der Erde zwei Sonnen erstrahlen sah, fügte den Rätseln ein weiteres hinzu. Wer diese Fragen bei der Lektüre einer weiteren Folge der Weltraumodyssee nebenbei beantwortet haben will, den wird das 1988 in Englisch erschienene Werk "2061: Odyssey Three" interessieren.

Hier wird das Geschehen um den schwarzen Monolithen und den Planeten Jupiter als historisches Ereignis gestreift und in einer Geschichte weiterentwickelt, die auf und zwischen den Himmelskörpern unseres Sonnensystems spielt und an Entwicklungen und Konzepte der heutigen Raumforschung anschließt. Das Wirken einer außerirdischen Intelligenz im Sonnensystem bildet den utopischen Teil des Romans, bei allen technologischen Entwicklungen und astrophysikalischen Aussagen hat der Autor es sich jedoch zur Aufgabe gemacht, zukunftsweisende Technologien von heute in ihren möglichen Erscheinungsformen zu schildern.

So bedauert Arthur C. Clarke im Vorwort ausdrücklich, daß die Handlungskonsistenz der gesamten Trilogie durch spätere Entdeckungen und Ereignisse leider unmöglich geworden sei und hebt hervor, daß er dieses Buch auf den Erkenntnissen der Galileo- Mission hatte aufbauen wollen, so wie "2010" durch die erfolgreichen Voyager-Passagen im Jahre 1979 an Jupiter vorbei möglich geworden war. Die Sonde Galileo, die sich jetzt gerade im Raume Jupiters befindet und von der man spektakuläre Fotos von den jüngsten Kometeneinschlägen erwartet, sollte den Planeten ursprünglich schon 1988 erreicht haben, das Projekt wurde jedoch wegen des Absturzes der Challenger zurückgestellt.

Als vielfach ausgezeichneter Mathematiker, Physiker und Astrophysiker genießt der 1917 geborene und jetzt in Sri Lanka lebende Brite den Ruf eines Allroundwissenschaftlers, der es versteht, sein Wissen in Bezug auf den heutigen Entwicklungsstand der Menschheit visionär zu verarbeiten. Im angloamerikanischen Raum gilt er als einer der Vordenker einer durch Informationstechnologie und Raumfahrt ermöglichten lebenswerten Zukunft.

Dementsprechend stehen auch nicht so sehr das Schicksal und die persönlichen Wünsche und Sehnsüchte der Akteure im Mittelpunkt des Geschehens, sondern die technologische Entwicklung der Raumfahrt sowie die Beschreibung der physikalischen Phänomene des Sonnensystems weisen den Handlungsträgern eher die Rolle staunender Zeitzeugen zu. So geht ein Wunschtraum jedes Wissenschaftlers, der den 1986 in greifbarer Nähe und doch unerreichbar die Erde passierenden Kometen Halley erforscht hat, in Erfüllung. Man landet auf dem Himmelskörper und führt ausgedehnte wissenschaftliche Exkursionen durch, bei denen die Ergebnisse der heutigen Kometenforschung in umfassender Form und bildreich gewürdigt werden.

Das ganze Unternehmen findet im Bewußtsein geschichtemachender Aktivität statt, was durch Parallelen zur ersten Mondlandung und einen pathetischen Grundton illustriert wird, dessen reichliche Verwendung das Abenteuer mit der vergilbten Patina technikverherrlichender Jugendbücher versieht. Ausführlich werden die Auswirkungen der geringen Schwerkraft Halleys geschildert, die im Bilde eines hochgeworfenen Schneeballs gipfeln, der sich immer weiter entfernt und, nachdem er schon eine Weile unsichtbar war, noch einmal im Sonnenlicht erstrahlt, um den Werfer mit der Gewißheit zurückzulassen, der erste Mensch zu sein, der einen eigenen Kometen auf die Bahn gebracht hat. Derartige Spielereien mit Gravitationswirkungen und Veränderungen von Aggregatzuständen sind überall in den Text eingeflochten und unterhalten zumindest den physikalisch interessierten Leser.

Das bei dieser Expedition eingesetzte Raumschiff verfügt über einen konventionellen Rückstoßantrieb, der jedoch durch einen Fusionsreaktor betrieben wird, in dem eine kalte Fusion auf der Basis beschleunigter Elementartteilchen stattfindet, ein sogenannter Myonenkatalysator. Clarke bezieht sich bei dieser Reaktion auf eine Entdeckung des Nobelpreisträgers und Atombombenforschers Luis Alvarez in den fünfziger Jahren, die in den achtziger Jahren von dem russischen Kernphysiker Sacharow zur Erzeugung von Kernenergie aufgegriffen wurde. In einem Anhang verweist der Autor auf seine quasiprophetischen Fähigkeiten, da er in "2010: Odyssey Two" den Antrieb des Raumschiffs Leonov als "Sacharow-Antrieb" bezeichnet habe, zu einer Zeit, in der Wissenschaftler noch als Dissident in der Sowjetunion isoliert war.

In der Weltraumtechnik des Jahres 2061 ermöglicht dieser Antrieb, der durch die Entdeckung einer stabilen Myonen- Wasserstoff-Verbindung im Jahre 2040 realisiert werden konnte und dessen Verbrauchsstoff aus Wasser besteht, daß Raumschiffe in ungeahnter Größe und mit jeglichem Komfort ausgestattet das Sonnensystem durchqueren können. Der Autor schmückt seine Vision raumfahrttechnischer Entwicklung in allen Details aus, bis hin zur Konstruktion eines Schwimmbads, das mit dem Wasser für den Antrieb gefüllt wird. Alle Start- und Landemanöver sowie die Beschleunigungs- und Abbremsphasen im Raum werden in Bezug auf die Probleme der Zuladung und der Gravitationswirkung der verschiedenen angeflogenen Himmelskörper in Szene gesetzt, und ein ungeplantes Auftanken aus einem Geysir auf Halley wird zum Triumph einer ungebrochenen Improvisationsfreude der sich ansonsten in Routineabläufen ergehenden Mannschaft.

Doch nicht etwa die Technik hat diese außerplanmäßige Aktion notwendig gemacht, sondern eine schwarze Terroristin, die einer südafrikanischen Untergrundorganisation namens 'Shaka' angehört, hat das Schwesterschiff zur Landung auf dem Jupitermond Europa gezwungen. Von dort aus kann es nicht mehr starten, da es nur für den interplanetaren Verkehr im Weltraum gebaut wurde. Beim Thema Südafrika schlägt bei Clarke noch einmal die Urangst des britischen Kolonialherrn durch, denn mit dieser Aktion, der einzigen Gewalttat des ganzen Romans, weist er den in einem von den meisten Weißen verlassenen Südafrika lebenden Schwarzen eine Militanz zu, die sie nicht einmal in den Zeiten härtester Unterdrückung durch die weißen Herren aufgebracht haben.

Die Halley-Expedition wird abgebrochen, und anstatt die lange Strecke zur Erde zum Auftanken zurückzufliegen und viele Wochen zu benötigen, macht sich das einzige verfügbare Schiff der noch jungen interplanetaren Raumfahrt durch die erfolgreich improvisierte Wasserübernahme direkt von Halley auf den Weg. Alles, was mit Jupiter und seinem Mond Europa zusammenhängt, steht unter dem Zeichen der außerirdischen Zivilisation, die den Monolithen ins Sonnensystem gebracht und die Entwicklung der Menschheit wesentlich mitbestimmt hat.

In den Erinnerungen des 103jährigen Raumveterans Heywood Floyd, der den Flug der Leonov in den Jahre 2010 bis 2015 mitgemacht und dann einen Teil seines Lebens im Kälteschlaf verbracht hat, erfährt der Leser alles über die Geschehnisse seit der Expedition der Discovery im Jahre 2001. Bis auf den auf dem Mond ausgegrabenen Monolithen hat man von der fremden Intelligenz nie etwas zu Gesicht bekommen, doch durch Funksprüche der Discovery war eine deutliche Botschaft übermittelt worden. Nachdem Jupiter von dieser Intelligenz in eine Sonne verwandelt worden war und von nun an Luzifer hieß, wagte es keiner, diese Warnung zu mißachten. In ihr wurde der Menschheit das ganze Sonnensystem zugesprochen, bis eben auf den Mond Europa, auf dem niemals ein Mensch landen sollte.

Ein von einem chinesischen Raumschiff durchgeführter Landungsversuch, getrieben von der Angst des technologischen Nachzüglers, von der russisch-amerikanischen Leonovexpedition übervorteilt zu werden, hatte in einer Katastrophe geendet. Seitdem wußte man, daß sich riesige Lebensformen in den Ozeanen Europas befinden. Von da an war das Tabu eingehalten worden, und nun befand sich ein Schiff auf Europa und ein zweites sollte folgen. Es sind also alle Zutaten für einen spannenden Science- Fiction vorhanden, doch die Geschichte entwickelt sich immer mehr zu einer Hymne auf die glorreiche Zukunft der Menschheit, die alle Probleme unter Kontrolle und alle Ressourcen des Sonnensystems im Griff hat. Bei der Rettungsaktion gibt es zwar Momente einer größeren Gefährdung von Schiff und Mannschaft, doch werden diese stets von ingeniösen Technikern und Besatzungsmitgliedern gemeistert. Wirklich eng wird es an keiner Stelle, alles geht glatt, und die Perspektive der für den Flug nach Halley eingeladenen Prominenten - die Schiffe sind für den Passagiertransport konzipiert und der Halleyflug erfüllt gleichzeitig die Funktion einer PR-Aktion - verleiht dem ganzen einen Hauch von Abenteuertourismus.

Der Raumveteran Heywood Floyd schlägt schließlich den gleichen Weg ein, den schon Dave Bowman von der 'Discovery' gegangen ist - er setzt sein Leben als immaterielle Form auf dem Monolithen fort. Hier wird ihm die Geschichte der gasförmigen Lebensformen enthüllt, die Jupiter vor seiner Wandlung zur Sonne bewohnten und die dem Lebensplan der Außerirdischen zufolge sterben mußten, um die Entwicklung der Bioorganismen seines Trabanten Europas zu fördern, die dazu die Energie Luzifers benötigten. Bei der Beschreibung der urzeitlichen Meereswesen Europas legt Clarke ein bezeichnendes Zeugnis menschlicher Arroganz ab, indem er sie den Haien der Ozeane der Erde gleichsetzt, die er verächtlich als Freßmaschinen ohne eine Funken von Bewußtsein klassifiziert.

So wie die Menschen vor vier Millionen Jahren durch einen Impuls des Monolithen zu komprimierter Gewalttätigkeit und damit zur Evolution veranlaßt wurden, so wird auch hier Gott gespielt, und zwei Menschen und ein gewandelter Hal sind an vorderster Front dabei. Dem hochintelligenten Monolithen fehlt es an Bewußtsein, und diese nicht näher definierte Qualität ist es, die die Menschen und den vermenschlichten Hal dazu qualifizieren, den Monolithen zu überwachen. Das sich dahinter verbergende Wesen bleibt weiterhin im Dunkeln, Bowman war ihm nur einmal bei seinem Flug nach Jupiter begegnet, als er die Aufgabe zur Überwachung des Monolithen entgegengenommen hatte.

Da sich die persönlichen Schicksale zwar vor dem Hintergrund geschichtsträchtiger Ereignisse abspielen, aber ohne größere Widersprüche und Probleme verlaufen, bleiben die Personen dünn gezeichnet und gestaltlos. Auch die Verwendung wissenschaftlicher Hypothesen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die heute lebenden Verfasser und deren Veröffentlichungen zur Extrapolation in die Zukunft verspricht mehr, als bei der Realisation dieser Hypothesen herauskommt. Alles bewegt sich auf der konventionellen Schiene einer die Wirklichkeit in hohem Maße deckenden Wissenschaft, wobei die Plausibilität ihrer Theorien durch eine vorweggenommene Beweisführung noch verstärkt werden soll. Arthur C. Clarke geht es offensichtlich vor allem um die Bestätigung des Wissenschaftsbetriebs als zukunftstüchtiger und zweckmäßiger Institution, um zur Rettung des angeschlagenen Rufs angesichts des vorherrschenden Widerspruchs zwischen Aufwand und Nutzen der Forschung beizutragen.

Diesem Anliegen kommt er insbesondere mit der Rückschau Heywood Floyds auf die vor uns liegende Zukunft nach, die er zu Beginn des Buches im materiellen Äquivalent einer kosmischen Überposition anstellt, in der seit Jahrzehnten von dem Leonov- Veteranen bewohnten Kabine, die sich in einer um die Erde kreisenden Raumstation befindet. Floyd, der die Erde aufgrund der langen körperlichen Gewöhnung an geringe Schwerkraftverhältnisse nicht mehr betreten kann und dies auch gar nicht mehr will, vermittelt eine der großen Distanz entsprechend ideal erscheinende Version dieser Zukunft.

So weist er den internationalen Medienkonzerne den ersten Rang bei der Bewältigung menschlicher Aggression zu, da deren Nachrichtensatelliten die militärischen Einrichtungen der drei Supermächte China, USA und UdSSR kontrollieren, so daß kein Land heimlich einen Atomangriff starten und später behaupten kann, der andere habe angefangen. Zudem befinden sich die potentiellen Kriegstreiber aufgrund der hohen Reisetätigkeit ihrer Bürger in die anderen Länder ohnehin im Patt, da diese Menschen "Friedensgeiseln" bilden, die bei einem Atomangriff des eigenen Landes ebenfalls ums Leben kämen. Das Telefonieren um die Welt zum Ortstarif macht die Menschen zu einer großen Familie, und die Abrüstung löst zudem alle Rohstoffprobleme. Die Schaffung neuer Welten durch die Raumfahrt bildet nun "das moralische Äquivalent des Krieges", ein Begriff, der aufgrund der bei allen territorialen Eroberungen der Geschichte an den Tag gelegten Zerstörungskraft unheilvolle Ahnungen wachruft.

Solche von schneller Hand entworfenen und bei der in Anspruch genommenen Vordenkerschaft höchstens durch Senilität zu entschuldigende Visionen im Stil amerikanischer Politthriller, in denen es immer der kritische Journalist ist, der am Ende mit der Macht einer amorphen Öffentlichkeit die Welt verändert, mögen es sein, die Arthur C. Clarke zu einem der Lieblingsdenker zum Beispiel des Medienzars Rupert Murdoch machen, der sich selbst als Bewahrer der Freiheit auf dieser Welt sieht. Den Ruf eines erstklassigen Science-Fiction-Autors und globalen Visionärs verdankt Clarke wohl eher diesen in der Zeit täglicher Hiobsbotschaften billigen Perspektiven als den barocken Metaphern, mit denen er sein Wissen über physikalische Phänomene zu lyrischer Sprachkraft zu verdichten sucht. Das mag im Fluß der Erzählung durchaus unterhaltsam sein, wirkt aber als Hymne zum Beispiel auf die Entstehung neuen Lebens in den Ozeanen Europas wie ein biologistischer Heldengesang über die immer neuen Wunder kreatürlichen Überlebenswillens.

Diese mit allen Mitteln betriebene Verherrlichung eines vermeintlichen evolutionären Plans und die Dramatisierung des menschlichen Schicksals zur homerischen Odyssee bei gleichzeitiger Ausblendung aller Probleme und Nöte, die Bioorganismen aufgrund ihrer flüchtigen Beschaffenheit zueigen sind, lassen Arthur C. Clarke am eigenen Anspruch scheitern. So ist er durchaus in der Lage, bei einer Betrachtung der Marinen Lebensformen Europas die kurzfristigen Phasen darzustellen, in denen Leben aufgrund von Temperatur und Nahrungsangebot überhaupt möglich ist, er geht jedoch mit keinem Wort auf die entsprechende Begrenztheit des Menschen ein. Für den stehen, wenn es einmal eng werden sollte, in der Welt Arthur C. Clarkes Hibernationstanks bereit, die ihn bis zur Einlieferung in die passende Spezialklinik konservieren.

Was als akzeptabler Rahmen für eine unterhaltsame Space Opera nur noch mit den entsprechenden Charakteren hätte bevölkert werden müssen, verkommt als menschheitsgeschichtlicher Entwurf zur langweiligen Erfolgsstory einer Spezies, die sich noch als Herr über das Feuer wähnt, wenn die Beine schon angebrannt und die Füße schon verkohlt sind. Ein schönes Sinnbild bietet dazu der Film "2001" mit der Szenenfolge, in der eine Horde von Affen durch das Eingreifen des Monolithen in einem Oberschenkelknochen eine Waffe entdeckt, mit der die andere, in dem Moment schon rückständige Horde besiegt wird. Der im Triumph hochgeworfene Knochen verwandelt sich in ein rotierendes Raumschiff, das als Symbol für die feuergetriebene Auswanderung in den Weltraum einen nahtlosen Bogen über die Jahrmillionen zieht.

In diesem Bild wird der vergebliche Versuch einer Überwindung der Schwerkraft durch das Feuer so plastisch und unmißverständlich gezeichnet, wie es eine lange anthropologische Abhandlung nicht besser hätte treffen können. Ein vom Rausch des Blutes und der Ahnung des freiwerdenden Gewaltpotentials beschleunigter Knochen manifestiert sich im Bild einer durch Feuer betriebenen und umfassender Zerstörung erkauften Technologie, in der die gleichen instinkt- und reaktionsgebundenen Bioorganismen in einer zur Zelle reduzierten Parodie ihres ursprünglichen Lebensraums um die Verlangsamung ihrer Zerfallsrate kämpfen. Der Knochen ist ihnen sprichwörtlich in Mark und Bein gefahren, so daß sie im günstigen Arrangement der sie bedingenden Kräfte nach dem Ausweg aus dem Dilemma schwerkraftgebundener Existenz suchen.

Doch selbst die im Buch für den altgewordenen Heywood Floyd ermöglichte Lösung des Wechsels in eine wie auch immer geartete Geistigkeit könnte bedeuten, daß die Probleme möglicherweise erst richtig anfangen. Eine aus den Überlebensnöten und -zwängen des Menschen projizierte Existenzform an der Konsole des Evolutionsprogramms, an der der vermeintliche Steuermann immer nur Tod und Zerstörung umverteilen kann und auf ewig zum Beobachter des Werdens und Vergehens verdammt bleibt, könnte sich als weniger wünschenswert herausstellen, als es sich der im Feuerpfuhl seiner Stoffwechselrealität schwitzende Erdenwurm vorzustellen vermag. Und wenn dieser Wurm auch anhebt, sich durch die Auswanderung ins All zum Schmetterling zu wandeln, wie es sich zumindest in der Phantasie Arthur C. Clarkes zuträgt, der sich mit dieser Vision in der guten Gesellschaft kalifornischer Space Migration-Visionäre wie Timothy Leary und anderer befindet, so bleibt er doch ein Wurm mit gekappten Flügeln inmitten von Versorgungs- und Recyclingseinrichtungen, für die er lediglich ein bioorganisches Prozeßmoment darstellt.

Dabei hätte der Knochenwurf in einem archaischen Verständnis einer Nutzung der Kräfte und Wirkungen, denen man sich in der bekannten Version der Geschichte angepaßt hat, der Entwicklung auch eine ganz andere Richtung geben können. Daß sich die Höherentwicklung des Menschen im Sinne des verwendeten Komparativs immer am Unterlegenen orientiert, ist ebenso interessengebunden wie die Suggestion des möglichen Entkommens aus diesem sozialen Verhängnis. Die vermeintliche Information des Knochens erschließt sich aus der Perspektive des bereits auf der Flucht befindlichen Lot und seiner Frau, die die Gewalt göttlicher Bestrafung schaut und deren Erstarrung aufgrund der Verletzung eines göttlichen Gebots, man könnte auch sagen der Zuwiderhandlung gegen die Instanz biologisch gerechtfertigter Vernichtung, die Androhung des vollkommenen Stillstands in einer Welt des Wandels symbolisiert. Der brave Lot geht ungeachtet dessen seines Weges, den Blick starr nach vorne auf die göttliche Planerfüllung gerichtet.

Die diametral entgegengesetzte Richtung eines Zugriffs auf den Knochen, bei dem weder die Zerstörung des andern beabsichtigt noch das Versteck hinter dessen Rücken gesucht wird, bei dem der Wandel als umfassende Fremdbestimmung und die Androhung des Todes und der Erstarrung als Verbot einer nicht diesem Wandel ausgesetzten Kontinuität verworfen wird, steht nach wie vor offen. Um im Bild der Odyssee zu bleiben, die das Thema einer nach vielen Umtrieben und Wirrungen erfolgreichen Heimkehr verkörpert, könnte diese Heimstatt vielleicht weniger in den Fernen des Kosmos liegen, vor dessen Hintergrund die eigene körperliche Unzulänglichkeit wie die vergebliche Anmaßung eines organischen Störfalls anmutet, als in der Besinnung auf das Potential der Horde behaarter Urmenschen, die sich gar nicht erst entfernen mußten, um sich nahe zu sein.

Die unmöglich anmutende Entwicklung im Sinne einer nicht dem sogenannten Fortschritt und teleologischen Wandel zum Höheren huldigenden Perspektivlosigkeit könnte heißen, daß man die Grenzen menschlicher Existenz ernst nimmt und sich ausschließlich mit diesen auseinandersetzt, ehe man auf die in die Unendlichkeit gestreckten Visionen einer vielversprechenden Zukunft setzt und in blutleerer Entkräftung sozusagen mark- und beinlos auf der Strecke bleibt. Vielleicht kann der Knochen dann auch fliegen, wenn man ihn nicht hochschleudert, ihn also nicht einem Zyklus der Zerstörung und Wiederkehr in Ewigkeit, Amen, unterwirft. Vielleicht macht seine Form auch jeden Input außerirdischer Intelligenz überflüssig, und der hochentwickelte Monolith stellt als perfekter Kubus demgegenüber ein Ausbund an berechenbarer Ödnis dar, ein Symbol der immer gleich verlaufenden Zählvorgänge seiner rechtwinkligen Geometrie. Doch diese Menschheitsgeschichte muß erst noch geschrieben werden, wenn es denn eine ist, die sich in Wort und Schrift darstellen läßt.


Arthur C. Clarke
2061 Odyssey Three