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BUCHBESPRECHUNG/170: Frederik Weiner, Die Sprache der Rechten (Sachbuch) (Klaus Ludwig Helf)


Frederik Weinert

Die Sprache der Rechten. Wie wir täglich manipuliert werden

Klaus Ludwig Helf, Mai 2019


Die "Flüchtlingskrise 2015" habe Europa verändert und Ende 2015 ihren medialen Höhepunkt in der Silvesternacht von Köln erreicht. Die Gesellschaft sowohl in Österreich als auch vor allem in Deutschland sei deshalb tief gespalten - so Frederik Weinert in seinem neuen Band. Die "politische Rechte" habe einen starken Auftrieb erhalten, ebenso Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus. Weinert will mit seinem Buch Aufklärungsarbeit leisten und Instrumente vorstellen, mit denen man sich in die "rechte" Gedankenwelt einfühlen könne. Das Buch sei eine Möglichkeit, für die deutsche Vergangenheitsbewältigung einen Debatten-Anstoß zu geben. Weinert geht davon aus, dass sprachliche Diskriminierung Gewalt erzeuge. Ihm geht es darum, den Rassismus im eigenen Sprachgebrauch aufzudecken und als präventives Moment einzusetzen:

Das Lesen dieses Buches ist eine Möglichkeit, die eigenen Sinne zu schärfen. Beim Schreiben dieses Buches habe ich gemerkt, wie viele rassistische Klischees mir selbst bekannt sind. Sind wir alle - bewusst oder unbewusst - Teil eines diskriminierenden Systems ... (S.3) 

Weinert versucht in bildhaften Worten zu zeigen, welche Macht unsere Sprache hat: "Die Rechtspopulisten brechen ganz bewusst sprachliche Tabus - und punkten damit nicht nur bei den Flüchtlingsgegnern." (S.4)

Frederik Weinert studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften, Journalistik und Germanistik an der Universität Passau und promovierte über Hitler-/Nazi-Vergleiche und Medienskandale; er arbeitet als freier Journalist und Publizist und Kommunikationsberater.

Nach der Einleitung folgen sieben Kapitel und ein umfänglicher Anmerkungsapparat, der die im Buch verwendeten Aussagen und Quellen belegt. Die demokratische Zivilgesellschaft stehe vor großen Herausforderungen, da es die "Rechten" wortmächtig und wirkungsvoll verstünden, auf der Klaviatur der Populärkultur und der digitalen Medien zu spielen. Frederik Weinert dokumentiert und analysiert kompetent und ausführlich anhand zahlloser Beispiele die Mechanismen, die die rechten Kräfte nutzen, um Politik zu beeinflussen. Sie seien deshalb so erfolgreich, indem sie in den sozialen Medien auf unterhaltsame Weise ihre Ideologie verpackt darböten und geschickt und gezielt Empörungswellen von unzufriedenen Bürgern auslösten, die das Gefühl vermittelten, dass die große Politik nicht verstehe, was der "kleine Mann" heute brauche. Diese Empörung machten sich die "Rechten" zunutze:

Die sozialen Medien sind Popkultur und politisches Instrument zugleich. Egal ob Katzenvideos, Horror Clowns oder brutale Hetze gegen Minderheiten - alles, was effektvoll inszeniert ist, klickt sich in die Herzen der User. (S. 2) 

Viele Menschen seien als Medien-Voyeure unterwegs und würden das auch genießen. Für leichtgläubige Gemüter sei das Internet ein wahrer Segen und so entstehe oft kritiklos und unterschwellig eine Social-Media-Realität, die rasch als User-Realität weitererzählt werde:

Es ist in der heutigen Zeit eben nicht einfach, die richtigen Inhalte zu filtern. Fake-News lauern überall. Den richtigen Riecher für die Wahrheit zu haben, ist so anspruchsvoll wie eine olympische Disziplin. Wer lange durchhält, trägt die Fackel bis ins Ziel." (S.20) 

Frederik Weinert hat in mühevoller Kleinarbeit die sprachlichen Instrumente und Strategien der Rechten beispielhaft und systematisch zusammengetragen und kritisch analysiert: "Die Sprache der Rechten ist provokant, oftmals politisch unkorrekt und ein sozialer Abnabelungsprozess" (S.303). Er warnt davor, "rechtes Gedankengut" und gezielt provozierte Empörungswellen zu skandalisieren und zu ächten und sie damit hoffähig zu machen, vielmehr wirbt er für eine schonungslose und kritische Streitkultur im Dialog mit Andersdenkenden. Doch wie soll dieser Spagat funktionieren? Nach über 300 Seiten bleibt man etwas ratlos zurück und fragt nach konkreten und wirksamen Möglichkeiten der Gegenwehr und vor allem der Prävention. Der vom Autor versprochene Instrumentenkasten bleibt leer.

Frederik Weinert
Die Sprache der Rechten.
Wie wir täglich manipuliert werden.
Tectum Verlag, Baden-Baden 2018
328 Seiten
17,95 Euro

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Quelle:
© 2019 by Klaus Ludwig Helf
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2019

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