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KALTE PLATTE/0033: Klatsch auf krossen Kräckern (SB)


Satirische Canapés und Cocktailbissen


Terrorhythmus

Besonders Volkstanzgruppen und Musical-Dance-Academies geraten derzeit weltweit ins Fahndungsraster staatlicher Sicherheitsorgane. Schuld daran ist "Smart Eye", ein vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik in Sankt Augustin entwickeltes 3-Kamera-Computer-Überwachungssystem. Es wird derzeit im Düsseldorfer Fußballstadion eingesetzt, um im Zuschauerraum bestimmte Bewegungsmuster aufzuspüren, etwa das einer Prügelei oder das eines Wurfes (z.B. mit einer Getränkedose) in Richtung Spielfeld. Auch Personen, die sich abgesondert von den fahneschwenkenden Massen bewegen, können von "Smart Eye" erfaßt und speziell überwacht werden.

Selbstredend ist das Fußballstadion für "Smart Eye" nur ein Übungsfeld. Seine eigentliche Bestimmung ist die Überwachung neuralgischer Punkte wie etwa von Bahnhöfen und Flugplätzen. Hier können Reisende, deren Bewegungsmuster "Smart Eye" als verdächtig einstuft, im Passantenstrom identifiziert und dann von Polizeibeamten auf ein Gefährderpotential hin kontrolliert werden.

Daß die meisten Terrororganisationen über "Smart Eye" informiert sind und ihre Gegenmaßnahmen getroffen haben, ist der Polizei selbstverständlich klar. Daher das genauere Augenmerk auf Volkstanzgruppen und Musical-Schulen. Gerade sie bieten nämlich den idealen Vorwand, sich mit Bewegungsmustern im Abgleich zu Personen in unmittelbarer Nähe zu beschäftigen. Auch "Smart Eye" läßt sich nämlich täuschen, sofern jemand es beherrscht, sich relativ umgebungssynchron zu bewegen, obgleich er etwas ganz anderes als die Menschen in seiner Umgebung tut.

Ist "Smart Eye" beispielsweise darauf programmiert, innerhalb eines Passantenstroms Menschen zu erfassen, die sich ständig umblicken oder die einen Koffer abstellen und dann weitergehen, können die typischen Elemente beider Bewegungsabläufe von einer geschulten Person vermieden werden, obgleich sie sich umblickt und einen Koffer abstellt. Ähnlich einem Pantomimen, der beim Vorwärtsgehen das Rückwärtsgehen simulieren kann, läßt sich auch eine relative Synchronizität mit den Bewegungsabläufen anderer in der Nähe befindlicher Personen vortäuschen. Aber, wie gesagt, das bedarf eines speziellen Trainings.

Wer "Smart Eye" an der Nase herumführen will, muß das lernen. Er muß ein Gefühl für die Bewegungsrhythmen seiner Umgebung entwickeln. So wie beim Tanz in einer größeren Gruppen-Formation. Volkstanz etwa. Oder Musical. Um daraus die Fertigkeit zu entwickeln, vor der die elektronischen Überwacher der Zukunft jetzt schon zittern: den Terrorhythmus. Ob uns die TV-Nachrichten künftig nicht mehr schwarz vermummte, mit Maschinenpistolen durch den Wüstensand rennende Kämpfer als personifiziertes Böses präsentieren werden, sondern stattdessen gut geschulte, orientalische Volkstanzgruppen?

27. Dezember 2010